Presseschau

Basler Zeitung vom 29.06.2006

«Es war nicht mehr zu verhindern»

Der FCB verkauft Matias Delgado an Besiktas und kassiert eine Rekordablösesumme
MARCEL ROHR

Im Schatten der WM hat der FC Basel gestern definitiv seinen spektakulärsten Spieler der abgelaufenen Saison abgegeben - und tröstet sich mit einer Rekordablösesumme von annähernd 7,5 Millionen Franken.

«Es war nicht mehr zu verhindern. Wir haben das Beste mit ihm gemacht, was wir machen konnten.» Ruedi Zbinden sagt die Sätze emotionslos - weil keiner die Branche besser kennt als der Chefscout des FC Basel.

Ausländische Spieler günstig verpflichten, sie formen, entwickeln, bis sie interessant werden für finanzstarke europäische Grossclubs und sie den monetären Verlockungen erliegen - so wiederholt sich die Geschichte beim FC Basel seit nunmehr vier Jahren, seit er sich damals aufgemacht hatte, die Champions League zu erobern.

Das Geschäft mit Delgado ist für die Rotblauen ungemein attraktiv. Rund 1,25 Millionen Franken hatte man im August 2003 für den Ballkünstler aus Argentinien bezahlt, wo er zuletzt für die Chacarita Juniors gekickt hatte. Und nun muss der türkische Spitzenclub Besiktas Istanbul annährend 7,5 Millionen Franken überweisen, um sich die Dienste des Spielmachers zu sichern - ein Bombengeschäft also mit dem Publikumsliebling, der in 113 Wettbewerbsspielen total 41 Tore schoss.

In der abgelaufenen Saison wurde er am Ende zum «wertvollsten Spieler« des Jahres gewählt; und es war in Basel allen klar, dass Matias Delgado eines Tages weiterziehen wird. «Deshalb», sagt Zbinden, «haben wir im Winter seinen Vertrag bis 2008 verlängert.» Zu massiv erhöhten Bezügen. Dies erwies sich nun als Glücksfall für die Basler, denn ein gut dotierter Vertrag treibt bei jedem Transfer die Ablösesumme in die Höhe.

Hohe Summe. Und für den entthronten Meister wiederholt sich die Geschichte: Einerseits verliert Trainer Christian Gross einen Topspieler, andererseits fliesst eine Summe in die Kasse, die sich sehen lassen darf: Die geschätzten 7,5 Millionen sind Vereinsrekord. Zur Erinnerung: Erst im Januar wurde Abwehrspieler Patrick Müller an Lyon abgegeben - für fünf Millionen Franken. Auf diese Beträge dürfen FCB-Präsidentin Gigi Oeri sowie ihre Crew mit Bernhard Heusler und Ruedi Zbinden stolz sein, es spricht für die seriöse und harte Arbeit des Vereins, wenn Spieler in dieser «Gewichtsklasse» gehen.

Und Gross weiss mittlerweile, wie es sich anfühlt, wenn die begehrten Kicker eine Liga weiterziehen, wie dies schon bei Bernt Haas, Thimothée Atouba, Hakan Yakin, Mario Cantaluppi, Marco Streller, Hervé Tum, Philipp Degen, Benjamin Huggel, Christian Gimenez, Julio Hernan Rossi oder eben Patrick Müller der Fall war. «Wir werden versuchen, die Lücke zu schliessen», sagt Gross und denkt an Neuverpflichtungen, ohne konkret zu werden. Und Ruedi Zbinden ergänzt: «Vielleicht holen wir erneut einen jungen Spieler mit Perspektive, den wir in den nächsten Jahren aufbauen können.»

Systemwechsel? Kurzfristig ergeben sich diverse Möglichkeiten, Delgados Abgang zu kompensieren. Gross denkt dabei in erster Linie an Mladen Petric und Ivan Ergic, «die beide als Nummer zehn spielen könnten». Möglich ist auch, dass der FCB künftig in einem 4-2-3-1-System auflaufen wird, mit zwei «Sechsern» also, oder aber in einem 4-3-3 mit klassischen Aussenläufern.

Hadern mag Gross nicht, er schaut positiv in die Zukunft. Und Zbinden weiss, worauf es ankommt: «Wichtig ist, dass wir auch in Zukunft wieder gute Spieler verpflichten.» Bislang ist einzig klar, dass Franz Burgmeier aus Aarau zum FCB stösst. Doch dies kann sich schnell ändern.

Gladbachs Werben. Klar ist, dass Delgado, der in Istanbul mindestens einen Vertrag bis 2009 erhalten wird, kaum der letzte prominente Abgang beim FCB sein wird. Bereits nach dem letzten WM-Spiel mit Australien verriet Scott Chipperfield, dass ihm eine Anfrage aus der Premier League vorliege. Und gestern nun bestätigte Zbinden das konkrete Interesse von Borussia Mönchengladbach an David Degen: «Die Deutschen haben sich gemeldet.» Interessant: Gladbach befasste sich auch intensiv mit Delgado, konnte mit Besiktas aber nicht mitbieten. Im Fall Degen könnte dies anders aussehen. Der Lampenberger besitzt beim FCB noch einen Vertrag bis 2007.

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