Presseschau

Tages-Anzeiger vom 20.05.2009

Der Krawall als Spektakel

Von Dario Venutti

Wenn der FC Zürich gegen den FC Basel spielt, sind zwei Dinge sicher: Erstens gewinnt meistens der FCB. Zweitens setzt der Match ein Ritual aus Ausschreitungen, Empörung über die Ausschreitungen und der Forderung nach raschen Lösungen gegen Gewalt in Gang. Nach ein paar Tagen legt sich die Aufregung, und es passiert nichts. Bis zum nächsten Spiel. So geht das schon seit Jahren.

Die Ausschreitungen sind zweifellos skandalös. Ebenso irritierend ist die Tatsache, dass es sich sämtliche Beteiligten in diesem Ritual bequem eingerichtet haben:

Gewaltbereite Fussballfans erhalten einen Kick, um ihre Wut an Leuten abzureagieren, die zufällig Basler, Zürcher oder Polizisten sind. Wer Krawall macht, begreift nicht, dass die Begegnung zweier Mannschaften eine symbolische und keine physische Sache ist.

Die Medien verhalten sich widersprüchlich. Gerade in den Tagen vor dem Spiel FCZ - FCB am letzten Sonntag wurde der Match unermüdlich zum Hochrisikospiel mit grosser Polizeipräsenz hochgeschrieben, um sich dann darüber zu wundern, dass die erwarteten Krawalle eingetroffen sind. In Kommentaren wird seit Jahren gefordert, man wolle an Fussballspielen keine Krawallbilder sehen, und doch werden sie immer wieder gezeigt.

Politiker und Vereinsfunktionäre präsentieren schnelle Lösungen, ohne über ihre Tauglichkeit nachgedacht zu haben. Die neueste Idee: keine Gästefans bei Hochrisikospielen. Als ob gewaltbereite FCZ- oder FCB-Fans dadurch abgehalten würden, in die andere Stadt zu fahren. Es ist ein Teil des Krawall-Rituals, dass sofort Lösungen präsentiert werden, damit die Öffentlichkeit den Eindruck erhält, man arbeite am Problem.

Die Bevölkerung gibt sich geschockt und ergötzt sich gleichzeitig an den Krawallbildern. Überdies haben die Bilder eine ungemein beruhigende Wirkung: Im Angesicht der Krawallanten vergewissert sich der Durchschnittsbürger, auf der Seite der positiven Werte zu stehen.

Wie könnte dieses Ritual durchbrochen werden? Muss man sich von der Vorstellung lösen, Fussball müsse eine gewaltfreie Angelegenheit sein, und sich damit abfinden, dass er gelegentlich seine hässliche Fratze zeigt?

Wer jetzt nach drakonischen Massnahmen ruft, offenbart Ratlosigkeit. Ohne Zweifel ist Repression notwendig, etwa die konsequente Durchsetzung von Stadionverboten. Doch die Prävention steckt in der Schweiz weiterhin in den Kinderschuhen und müsste ausgebaut werden. Hier geht es unter anderem um eine Stärkung der Selbstkontrolle der Fans, die bezeichnenderweise innerhalb des Stadions meistens schon funktioniert.

Man darf nicht die Illusion haben, Ausschreitungen wie am Sonntag seien mit einfachen Rezepten zu unterbinden. Im Kontrast zum Krawall ist die Lösung langwierig und unspektakulär.

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