Presseschau

Basler Zeitung vom 13.12.2010

Der nächste komplette Systemausfall

Der FCB verschleudert beim 1:2 (0:2) gegen GC wieder Punkte und ist reif für die Pause

marcel rohr, Zürich

Nach einer ersten Halbzeit, die selbst Trainer Thorsten Fink als «Katastrophe» einordnete, konnten die Basler einen 0:2-Rückstand nicht mehr umbiegen. Damit verschenkten die Rotblauen die Tabellenführung an Luzern und blieben auch im vierten Vergleich 2010 gegen den Tabellenletzten aus Zürich sieglos.

Innocent Emeghara strahlte übers ganze Gesicht. «Wir spielen einen tollen Fussball», sagte der GC-Angreifer, «und heute hats richtig Spass gemacht.» Der 21-jährige Stossstürmer der Zürcher feierte im eiskalten Letzigrund so etwas wie Weihnachten, Silvester und Geburtstag zusammen: Einen Doppelschlag innert zwei Minuten, zwei schöne Tore gegen den FC Basel – das gelingt einem Profi, zumal einem, dem hier und da das Talent für die Super League abgesprochen wird, nicht alle Tage. An der Weihnachtsfeier der Grasshoppers, die sich gestern Abend dem erst dritten Saisonsieg anschloss, dürfte sich Emeghara jedenfalls einen grösseren Schluck aus der Flasche gegönnt haben.

Emegharas Doppelschlag. Am Tisch mit seinen Teamkollegen wird Emeghara wohl in Ruhe nochmals die entscheidenden Szenen durchgegangen sein. 12. Minute: Steilpass Abrahshi, Schuss, 1:0. 14. Minute: Flanke Zuber, Schuss, 2:0. So einfach ging das gegen den FC Basel. Die Mehrheit der nur 7700 Zuschauer im Letzigrund kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dieser Grasshopper-Club, der sportlich und finanziell darniederliegt, der viermal zu Hause in Folge verloren hatte, diese Ansammlung namenloser Fussballer schaffte es also, den Schweizer Meister aus Basel ein weiteres Mal zu demütigen. Einziger Makel nach einer berauschenden ersten Hälfte? «Wir hätten 3:0 oder 4:0 führen müssen», sagte Trainer Ciriaco Sforza. Niemand widersprach ihm.

Die Basler dagegen stolperten mit einer selten gesehenen Trägheit über den Platz, die phasenweise erschreckte. Wie schon gegen Bellinzona (0:1) und Thun (1:3) leisteten sich die Rotblauen einen kompletten Systemausfall, der sogar Thorsten Fink irritierte. «Die erste Halbzeit war eine Katastrophe», brachte es der FCB-Trainer auf den Punkt, «keine Technik, keine Power, nichts, ich habe die Welt nicht mehr verstanden.»

Nach der 0:3-Niederlage in der Champions League Mitte Woche gegen Bayern München schafften es die Gäste in ihrem 51. Wettbewerbsspiel des Jahres nicht mal mehr halbwegs, eine Spannung aufzubauen. Neben der fehlenden Frische gesellte sich ein Mix aus Unbeholfenheit und Arroganz dazu – das reichte dann für die vierte Saisonniederlage.

vom pressing überrascht. Selbstverständlich war es nicht unverschämt, dass Fink nach der Enttäuschung ein Auge zudrückte und das zu Ende gehende Fussballjahr als Ganzes würdigte: «Wir haben tolle Monate hinter uns, ich, wir, die Mannschaft, der Verein, das darf man nicht vergessen.»

Eigenartig ist es dennoch, dass es Ciriaco Sforza Mal für Mal gelingt, den Baslern den Zahn zu ziehen. Schon am 22. September, beim 2:2 im Hinspiel im St.-Jakob-Park, waren die Rotblauen vom aggressiven, laufintensiven Pressing der Zürcher überrascht worden. In die Karten spielten ihnen diesmal höhere Umstände: Gilles Yapi war bereits am Donnerstag aus privaten Gründen nach Afrika gereist. Und da Benjamin Huggel nochmals verletzt pausieren musste, kam der Favorit im zentralen Mittelfeld mit Cabral und Granit Xhaka plötzlich schmalbrüstig daher. Auf der Bank hatte Fink jedenfalls keine Alternativen mehr.

Ein Lichtblick für Fink war die zweite Halbzeit. Die Basler fanden nun besser in die Spur, es waren Ansätze von Fussball auszumachen. Beim vermeintlichen Anschlusstor von Alex Frei zum 2:1 (54.) erfand Schiedsrichter Stephan Studer ein Offside, welches keines war; Valentin Stocker stand zwar abseits, aber er griff nicht ins Geschehen ein. In der 80. Minute nickte Marco Streller einen Freistossball von Granit Xhaka schön ins Netz (80.), es war das achte Saisontor in der Liga für den Aescher. Doch die Grasshoppers brachten das 2:1 über die Distanz, es hätte auch 4:1 enden können, wenn Hajrovic (78.) und Emeghara (84.) ihre Grosschancen verwertet hätten. Beide scheiterten jedoch an Franco Costanzo.

Somit bleibt der Favorit auf seinen 32 Tabellenpunkten kleben. Im Vorjahr waren es Mitte Dezember 34 gewesen, damals reichte dies ebenfalls für Platz zwei, jedoch sieben Längen hinter den Young Boys.

die Ausgeglichenheit. Diesmal ist der Rückstand auf Leader Luzern minimal, weil keines der fünf besten Teams Konstanz ausweist: nicht Luzern und Basel, nicht der FC Zürich, nicht YB und auch nicht Sion. Und so nimmt man sich quer durch die Tabelle gegenseitig Punkte weg, jeder hat jeden im Auge, keiner zieht weg und alle sind irgendwie trotzdem zufrieden.

«Wir schauen nicht von oben auf die Konkurrenz herab», meint Fink, und in Anlehnung an den starken Frühling 2010, als man wochenlang nur Zweiter hinter YB war, ehe der Titel doch noch gewonnen wurde, schiebt der Deutsche nach: «Vielleicht liegt uns das ja.»

Zurück