Presseschau

Aargauer Zeitung vom 06.03.2013

«Zenit ist kein abgehobener Verein»

Fussball · Dietmar Beiersdorfer ist Sportdirektor des russischen Meisters – morgen Gegner des FCB

Markus Brütsch

Herr Beiersdorfer, trifft Zenit St.Petersburg heute als haushoher Favorit in Basel ein?

Dietmar Beiersdorfer: Die Ausgangslage in diesem Achtelfinal lässt sich nicht eindeutig abschätzen. Wir haben ja lediglich die beiden Pflichtspiele in der Europa League gegen Liverpool (2:0, 1:3; die Red.) in den Beinen. Unsere Meisterschaft startet erst am Wochenende wieder. Vom FC Basel dagegen kennen wir die Historie und wissen, dass er jederzeit zu ganz besonderen Leistungen fähig ist. Apropos: Wie gut hat zuletzt Aleksandar Dragovic gespielt?

Er schiesst Tore und wird vom Platz gestellt… Wie aber ist die Vorbereitung von Zenit verlaufen?

Anfang Januar haben wir umfangreiche Tests absolviert, sind dann ins Trainingslager nach Dubai geflogen; danach gab es ein paar Tage frei, ehe wir in die Türkei zu einem nächsten Camp reisten. Wir konnten uns dann bei guten Bedingungen outdoor in St.Petersburg auf die Partien gegen Liverpool vorbereiten. Zuletzt sind wir noch eine Woche in der Toskana gewesen und haben drei Spiele ausgetragen. Seit Sonntag sind wir wieder in St.Petersburg und fliegen heute in die Schweiz.

Mit welchen Ambitionen?

Die Europa League hat für uns einen hohen Stellenwert. Wir haben im Herbst in der Champions League nicht gut gespielt und sind klar unter den Erwartungen geblieben (Zenit wurde in der Gruppenphase hinter Malaga und der AC Milan nur Gruppendritter; die Red.). Ich habe aber den Eindruck, dass wir nun ein Stück weiter sind. Aufschluss geben die Spiele in Basel und bei Rubin Kasan.

Die Ziele von Zenit sind: die Titelverteidigung in der Meisterschaft und der Gewinn der Europa League. Ist das korrekt formuliert?

Nun mal langsam. In Russland haben wir mit Leader ZSKA Moskau und Anschi Machatschkala starke und hartnäckige Gegner, und international müssen wir angesichts unserer langen Wettkampfpause vorerst eh mal kleinere Brötchen backen.

Auf welche klimatischen Bedingungen muss sich der FCB im Rückspiel in einer Woche einstellen?

Ich gehe davon aus, dass Schweizer mit der Kälte gut klar kommen. Im Januar hatten hier wir mal 26 Grad unter null, aber da trainierten wir in Dubai. Insgesamt jedoch haben wir einen milden Winter.

Welches sind die Hauptaufgaben eines Sportdirektors bei Zenit?

Ich bin für die Vorbereitung und Abwicklung der Transfers zuständig, für ein zeitgemässes Scouting und die Optimierung der Nachwuchsarbeit.

Schon bald nach Ihrer Ankunft in St.Petersburg im letzten Sommer haben Sie in Europa für Aufsehen gesorgt, als Sie für über 90 Millionen Euro vom FC Porto den Brasilianer Hulk und von Benfica den Belgier Axel Witsel holten. Das hat offenbar zu Beginn für Neid und Unruhe im Team gesorgt.

Als klar wurde, dass die beiden ganz hervorragende Spieler sind und charakterlich gut zu uns passen, war das schnell kein Thema mehr. Hulk und Witsel haben gute Leistungen abgeliefert. Ihre Integration ist abgeschlossen, und sie werden gewiss noch stärker aufspielen.

Im «Kicker» wurden Sie spasseshalber Didi Duck oder Dagobert Beiersdorfer genannt. Zenit ist der Lieblingsklub von Wladimir Putin und scheint dank dem Energiekonzern Gazprom Geld ohne Ende zur Verfügung zu haben.

Wir müssen schon auch vernünftig wirtschaften. Wir haben mit Ausnahme dieser beiden Topspieler in den beiden letzten Jahren mit Domenico Criscito von Genua nur einen grossen Transfer getätigt. Nein, Neuverpflichtungen müssen auch bei uns gut begründet und sinnvoll sein. Zenit ist kein abgehobener Verein.

Wie hoch ist denn der Umsatz?

Dazu sage ich nichts.

Gazprom ist auch der Hauptsponsor vom FC Schalke 04. Besteht eine Partnerschaft zwischen den Klubs?

Nein, beide sind selbstständig. Wobei ich mich sicher ab und zu mit Schalke-Manager Horst Heldt austausche.

Weshalb bringt es Zenit in einer Millionenstadt nur auf einen Schnitt von gut 16000 Zuschauern?

Das Stadion ist mit einem Fassungsvermögen von 20000 zu klein. Die Auslastung ist allerdings nicht so schlecht, und auswärts werden wir fast immer von 8000 bis 10000 Fans begleitet. Zenit ist bodenständig, mit Verantwortlichen, angefangen bei Präsident Alexander Djukow, die alle aus St.Petersburg stammen und eine grosse Nähe zum Klub und den Menschen hier haben.

Die Sehnsucht nach dem neuen Stadion, das schon seit 2007 im Bau steht und das teuerste in ganz Europa wird, dürfte aber riesig sein.

Seine bisherige Geschichte ist nicht besonders positiv. Auch jetzt wagt niemand zu sagen, wann es endlich fertig sein wird. Ich wohne in der Nähe und sehe, wie Tag und Nacht gearbeitet wird. Es entsteht eine Arena für 68000 Zuschauer mit einem schliessbaren Dach. Innen wird es nie kälter als 10 Grad sein.

Macht Ihnen der Job Spass?.

Ja, ich habe eine sehr spannende Aufgabe übernommen. Wir haben gute Spieler verpflichtet und brauchen noch etwas Zeit, bis auch die Strukturen passen. Meine Familie und ich lernen viele neue Leute und eine andere Kultur kennen. Und ich arbeite mit einem tollen Trainer zusammen.

Der Italiener Spalletti ist mit Zenit zweimal Meister geworden.

Luciano Spalletti hat ein unglaubliches Charisma. Er ist einer der weltbesten Trainer.

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