Presseschau

NZZ vom 28.11.2013

Rotblaue Träume, schwarze Löcher

Herausgegriffen

Peter B. Birrer · Wenn der FC Basel in der Champions League gegen Chelsea siegt, herrscht Ausnahmezustand im hiesigen Fussballland. Selbst am Rheinknie gehen sie nach dem Jubel in sich: «Wohin gehören wir?» Aber auch in anderen Klubs könnte man sich Gedanken über Sein oder Nichtsein machen.

Die Grasshoppers schauen vielleicht melancholisch in den schönen, aber meist leeren Letzigrund, denken an die neunziger Jahre, an den ausverkauften Hardturm und daran, dass einst sie Schweizer Champions-League-Trendsetter waren. Sie – und nicht Basel.

Die Berner Young Boys werden von Fragen-Kaskaden paralysiert: Champions League, was ist das? Meistertitel, was ist das? Cup-Sieg, was ist das? Überhaupt: Erfolg, was ist das?

In Luzern verfolgt den Sportdirektor Alex Frei die Frage: «Warum läuft's in Basel auch ohne mich?» Die Antwort, die er sich womöglich zurechtlegt: «Salah lernte das Toreschiessen von mir.»

In St. Gallen hat man keine Zeit für Philosophie-Stunden. Die Ostschweizer spielen am Donnerstag in Südrussland bei Kuban Krasnodar (Europa League).

Im FC Sion denkt der Präsident Christian Constantin an Basel und sagt sich: «Den will ich auch. Unbedingt.» Er meint nicht den Sieg gegen Chelsea, sondern den Trainer José Mourinho.

In Aarau steht jemand am Bahnhof, sieht zig Züge vorbeirasen und schaut zum grauen Himmel hoch: «Wofür stehen der Aargau und das Brügglifeld?»

Der FCZ-Präsident Ancillo Canepa und die FCZ-CEO ad interim Heliane Canepa schwelgen zu Hause in Erinnerungen: «Wie aufregend war das damals, 2009, in der Champions League gegen Real Madrid, gegen Milan und gegen Marseille. Einmal – und nie wieder?»

Der FC Thun begab sich am Mittwoch zum Flughafen Bern. Die Thuner sind mit wenig zufrieden, demütig und dankbar, dass sie nach Wien reisen dürfen (Europa League).

Alain Joseph, der Chef des FC Lausanne-Sport, träumt wohl vom Holländer Johan Cruyff, den er kürzlich zur edlen Soirée einlud. Wenn Joseph nicht an Cruyff, sondern an Basel und Lausanne denkt, fühlt er sich Himmel und Hölle nahe und denkt voller Zukunfts-Horror: «Wenn der Schweizer Fussball im Nordwesten einen rotblauen Himmel hat, muss es ja im Westen irgendwo ein schwarzes Loch geben.»

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