Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 05.05.2012

Atemberaubende Demut

Wochenkommentar über den Höhenflug des FCB

Bojan Stula

Dem FC Basel ergeht es momentan so wie vielen Einzelsportlern oder Klubs auf dem Höhepunkt des Erfolgs: Er ist umgeben von Schulterklopfern und Trittbrettfahrern, die ein bisschen von seinem Glanz abkriegen wollen. Selbst neidische Seitenhiebe an die «Millionarios» vom Rheinknie, die bis vor kurzem weit verbreitet waren, sind abseits von Zürcher Stammtischen kaum noch zu hören. Irgendwie macht es den Anschein, als ob sich die Fussballschweiz mit der Vormachtstellung des FC Basel, diesem Rosengarten in der Kaktuswüste des Schweizer Profifussballs, abgefunden hat – wenn nicht gar anzufreunden beginnt.

Dieser Respekt ist erfreulich, weil er sauer verdient und das Ergebnis einer steten Entwicklung ist. In der herrschenden Euphorie geht etwas schnell vergessen: Es ist nicht nur ein sportlicher Leistungsausweis, dass der FCB am vergangenen Sonntag mit dem vorzeitigen Titelgewinn seine beste Saison aller Zeiten krönen konnte. Sondern vor allem auch ein eindrückliches Zeugnis dessen, dass beim FCB die Taten den selber formulierten hohen Ansprüchen an strukturiertes Denken und – im Profifussball eher untypisch – Transparenz und Zurückhaltung sehr nahe kommen. Das macht dieses «Gesamtpaket FCB» selbst für misstrauische Geister so überzeugend. Nur sehr wenige Topvereine in Europa können mit Fug und Recht Ähnliches von sich behaupten.

Es hätte alles auch ganz anders kommen können: Die 10 Zentimeter, um die Celtics Chris Sutton 2002 das FCB-Tor verfehlte und so den Baslern den Weg in die Champions League ebnete, sind das eine, das Sportliche. Das andere die Krawalle vom 13.Mai 2006, die den ganzen Verein wieder auf den Boden zurückholten und eine in vielerlei Hinsicht nötige Kurskorrektur bewirkten. Der seither stattfindende Dialog mit den eigenen Fans aus der Muttenzerkurve, intensiv unterstützt von der vorbildlich aufgestellten Basler Fanarbeit, machen aus dem FCB so ganz nebenbei den erfolgreichsten und populärsten Sozialarbeiter der ganzen Region.

Es gibt noch andere Meilensteine. Die wichtigsten bezeichnenderweise neben dem Platz, von der Öffentlichkeit, wenn überhaupt, höchstens am Rande wahrgenommen. Etwa die soeben verabschiedete Ethik-Charta. Oder als Ivan Ergic 2004 trotz depressionsbedingtem monatelangem Ausfall nicht einfach abgeschoben, dem verdienten Scott Chipperfield der Vertrag immer wieder verlängert und jetzt Benni Huggel nach seinem Rücktritt ein Trainerjob im Verein angeboten wurde. Im Zweifel hält der FCB eher zu lange als zu kurz an seinem Personal fest: in diesem von Constantin-Figuren verseuchten Metier ein unglaublich starkes Signal als Arbeitgeber. Oder die bewusst moderate Gestaltung der Abopreise im neuen St.Jakob-Park: Im Gegensatz zu den Schützenmatte-Zeiten musste sich der FCB seit 2001 mit keinem ernsthaften Widerstand gegen seine Preispolitik auseinandersetzen. Und dann natürlich die glänzende Nachwuchsförderung, die 2011 mit der Grundsteinlegung des FCB-Campus bloss den äusseren Vollzug einer konsequent verfolgten Strategie erfahren hat.

In der Schweiz wird der FCB wegen all dieser Leistungen auf Jahre hinaus unerreicht bleiben. Natürlich werden ihm Luzern, Zürich und vielleicht einmal sogar YB den einen oder anderen Titel wegschnappen können. Aber von dieser Gesamtheit ist die Konkurrenz meilenweit entfernt. Daran ändern selbst die vielen neuen Stadien nichts. In den vergangenen Tagen ist viel über die Grenzen diskutiert worden, die dieser FCB noch erreichen kann. Das 100-Millionen-Budget? Vielleicht. Der Einzug ins Halbfinale der Champions League? Denkbar. Doch lässt sich eine höhere Limite vorstellen, als angesichts solch atemberaubender Erfolge mit jener Demut weiterzuarbeiten, die Klubpräsident Bernhard Heusler von sich und seinem Klub stets einfordert? Wohl kaum.

bojan.stula@azmedien.ch

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