Presseschau

Basler Zeitung vom 27.09.2014

Die Offensive als grösstes Plus

Die BaZ formuliert nach neun Ligaspielen neun Fragen – und gibt darauf neun Antworten

Von Oliver Gut

Basel. Mit einem Heimspiel gegen den FC Thun startet der FC Basel heute Samstag als Leader ins zweite Viertel der Schweizer Fussballmeisterschaft (20 Uhr, St.-Jakob-Park). Danach, da kommt dann der FC Liverpool ans Rheinknie und es wird für die Rotblauen darum gehen, auch in der Champions League mit einem zählbaren Resultat Fuss zu fassen.

Die BaZ stellt nach neun gespielten Super-League-Runden neun Fragen zum FC Basel im Herbst 2014. Einem FC Basel, der im Sommer mit dem Trainerwechsel vom Schweizer Murat Yakin zum Portugiesen Paulo Sousa einen grossen Schnitt wagte.

Was ist unter Paulo Sousa neu?

Vieles. Etwa die Trainings, die fast nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Da ist die Qualität in diesen Trainings, die akribisch vorbereitet sind und in Wettkampfintensität vonstatten gehen. Da ist die ausgebaute High­tech-Unterstützung: Die GPS-Gilets, welche die Spieler im Training und in den Partien tragen. Oder jene Geräte, die sie – meist nach einem Spiel – mit nach Hause nehmen und an die sie sich anschliessen, so dass ihr Schlaf aufgezeichnet wird. Und natürlich ist da die Präsenzzeit der Spieler, die sich anders verteilt: Jeweils um 8.30 Uhr wird im Stadion gefrühstückt, dann geht es in die Kabine, zum Training und schliesslich zum gemeinsamen Mittagessen. Dafür haben die Hotelübernachtungen abgenommen, wird meist nur noch dann gemeinsam genächtigt, wenn der Anfahrtsweg klar länger als eine Stunde dauert. Ausserdem wurde die Medienarbeit gestrafft, was für Einzelne ebenfalls weniger Aufwand bedeuten dürfte.

Da ist aber auch die Internationalität. Den Trainerstaff eingerechnet, vereint die Mannschaft zwölf verschiedene Nationalitäten auf sich. Dazu passt, dass Englisch die neue Amtssprache ist, auch wenn dies letztlich in Paulo Sousas linguistischen Präferenzen gründet.

Und natürlich ist da der Fussball: Der ist klar offensiver ausgerichtet als unter Yakin. Die Folge dessen – und der Qualität im Kader – ist auch schon fast ein Novum: Sieben Siege aus den ersten neun Ligaspielen bedeuten bei zwei Niederlagen 21 Punkte. So stark startete der FCB seit elf Jahren nicht mehr. Unentschieden? Gibt es keine.

Was ist gleich?

Die Erwartungshaltung. Obwohl jedem klar war, dass die vielen neuen Spieler mit einem neuen Trainer Zeit brauchen, um zu funktionieren, genügten zwei aufeinanderfolgende Niederlagen bei GC und bei Real Madrid, um für ordentlich Unruhe zu sorgen.

Geblieben sind auch taktische Dispositionen, die zu reden geben. Etwa Davide Calla als Aussenverteidiger. Oder Taulant Xhaka als Innenverteidiger. Jedenfalls in der ersten Phase, in der Sousa auffallend viel ausprobierte.

Was macht das Team schon gut?

Das Spiel nach vorne funktioniert klar besser als in der Vorsaison und ist das grösste Plus. Dies belegen die 22 Treffer aus neun Ligaspielen – der Schnitt liegt bei 2,44 Toren pro Partie (Vorsaison: 1,94). Da ist es fast logisch, dass es auch wieder jene leidenschaftlichen Offensivphasen (4:1 gegen den FC Zürich, 3:1 gegen YB) gibt, die man national zuvor vermisste. Und es passt dazu, dass den Baslern 20 dieser 22 Treffer aus dem Spiel heraus gelangen.

Vieles davon hat auch damit zu tun, dass das Umschaltspiel von Defensive auf Offensive bereits passabel funktioniert. Offensichtlich ist das – anders als in der Vorsaison – trainiert worden.

Was noch nicht?

Bislang geht das offensive Plus klar auf Kosten der defensiven Stabilität. Auch dies belegen die Zahlen: Im Vorjahr kassierten die Basler 0,94 Tore pro Ligaspiel – aktuell sind es total 13, was einem Durchschnitt von 1,44 Gegentreffern entspricht. Noch ist offen, ob dies primär auf die offensivere Grundausrichtung oder doch auf die vielen personellen und systematischen Wechsel zurückzuführen ist, die nicht zuletzt in den hinteren Reihen stattfanden.

Es gibt aber auch in der Offensive einen Bereich, der hinkt: die Standards. Bislang fiel nur einer der 22 Treffer nach einem ruhenden Ball, dazu kam ein Eigentor, das nicht als «aus dem Spiel heraus» gewertet wird. Und dann ist da noch die Konstanz: Es fällt in den Partien auf, dass der FCB längere Phasen einzieht, in denen bei ihm wenig geht.

Welche Spieler fallen positiv auf?

Von den Neuzugängen sind Derlis Gonzalez, Luca Zuffi und Shkelzen Gashi zu nennen, die in der Liga bereits 18 Skorerpunkte auf sich vereinen. Dazu auch Thomas Vaclik, der bislang gut damit zurecht kommt, dass er in die sehr grossen Fussstapfen von Yann Sommer treten durfte – oder musste.

Zudem hat sich Taulant Xhaka weiterentwickelt, nahm im Abwehrdispositiv lange Zeit eine zentrale Rolle ein und absolvierte alle Ligaspiele über die volle Distanz. Obwohl mit wenigen Einsätzen, hat auch Breel Embolo Fortschritte erzielt. Mohamed Elneny präsentiert sich mit grösserem offensivem Einfluss – und Matias Delgado war im Gegensatz zur Vorsaison meist ein Plus.

Welche (noch) nicht?

Walter Samuel konnte noch nicht nachweisen, dass sein Transfer Sinn machte. Und Yoichiro Kakitani verriet zwar einige gute Ansätze, war aber noch kein gewichtiger Faktor.

Schwierig scheint es unter Sousa zudem für die Elfenbeinküste-Fraktion geworden zu sein: Giovanni Sio wird vom Coach nicht unbedingt als Stürmer gesehen, in den wenigen Einsätzen war er kein Gewinn. Geoffroy Serey Die spielt zwar gewohnt kämpferisch, durfte das aber wenig zeigen. Die Vermutung steht im Raum, dass Sousa sich im defensiven Mittelfeld technisch versiertere Spieler wünscht. Gar nur einmal kam Arlind Ajeti in der Liga zum Zug. Bei ihm stellt sich die Frage, ob er beim FCB noch weiterkommt.

Wo steckt der Prozess?

Der frische Wind ist abgeflaut. Durch die Rotationen, die vielen Regeln und Sousas zuweilen belehrende Art sind inzwischen auch kritische Töne zu hören. Das Neue ist nicht mehr neu, wird von Spielern hinterfragt.

Es ist dies nicht ungewöhnlich und deshalb auch noch nicht dramatisch. Zumal sich die Chefetage einen Trainer wünschte, der allen viel abverlangt. Aber es ist auch so, dass Sousas Prozess in einer schwierigeren Phase steckt als zu Beginn. Die fussballerische Identität muss nun gefunden werden. Entwickelt sich dieser Prozess in die richtige Richtung, wird man die aktuelle Phase wohl als «Geburtswehen» bezeichnen.

Wie geht es weiter?

Auch Paulo Sousa braucht Anlaufzeit. Er ist ein intelligenter Trainer, dem zuzutrauen ist, dass er in seiner Arbeit Anpassungen vornimmt. Dafür gibt es bereits Anzeichen: Zuletzt stellte er das Projekt der sich hin zur Dreierkette verschiebenden Abwehr zurück und verteidigte mit einer klassischen Viererkette.

Klar ist aber auch, dass mit dem Liverpool-Spiel eine Partie ansteht, deren Ausgang von Gewicht sein kann: Verliert der FCB, dann nimmt der Reiz der Königsklasse nach zwei Niederlagen aus zwei Spielen ab, was den Prozess erschweren würde. Schlägt Rotblau jedoch den Favoriten, dann kann dies dem ganzen Projekt viel Schub geben.

Und wo steht der FC Basel am Ende?

Auf dem Casino-Balkon am Barfi. Als Schweizer Meister.

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