Presseschau

NZZ am Sonntag vom 19.04.2015

«Die Zahl der Polizisten senken»

Die Ausschreitungen rund um Fussballmatchs nähmen nicht zu, sagt der Basler Regierungsrat Baschi Dürr. Im Gegenteil

NZZ am Sonntag: Es war am letzten Sonntag wie fast immer, wenn Basel gegen Zürich spielt: Rund um den Match kam es zu Ausschreitungen. Im Stadion warfen Zuschauer Fackeln und Petarden aufs Feld, auf der Rückreise stoppten Fans den Zug mit einer Notbremsung und griffen Polizisten an.

Baschi Dürr: Das war in jeder Beziehung unnötig, gefährlich und kriminell. Ich habe die Polizisten vor Ort neun Stunden begleitet und fand die Gewaltbereitschaft gewisser Matchbesucher erschreckend. Mir fiel auf, wie jung viele Krawallmacher waren; unter ihnen befanden sich zahlreiche Teenager. Aber ich muss festhalten: Zwar haben wir mit Zürcher Fans immer wieder Probleme. Aber es ist nicht so, dass es bei jedem Spiel zwischen Basel und Zürich Ausschreitungen gibt.

Wie viele Polizisten standen am Sonntag im Einsatz?

Genaue Zahlen geben wir nicht bekannt. Es waren wenige hundert, und zwar aus den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Bern. Sie leisteten konsequente Arbeit und hatten die Lage rund ums Stadion stets im Griff. Allerdings haben wir am Sonntag einmal mehr festgestellt: Die Gewalt verlagert sich von den Stadien zu den An- und Rückreisen der Matchbesucher. Da kommt es immer öfter zu schweren Sachbeschädigungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Man hätte sich gewünscht, dass die Polizei auch gegen die Fackel- und Petardenwerfer im Stadion eingeschritten wäre.

Für die Ordnung im Stadion sind grundsätzlich private Sicherheitsdienste zuständig. Die Polizei schreitet nur ein, wenn es unbedingt nötig ist. Während des Spiels werden auffällige Zuschauer per Video observiert und nach Möglichkeit identifiziert. So kann die Staatsanwaltschaft anschliessend Strafverfahren gegen die Betroffenen durchführen. Nach den letzten schweren Ausschreitungen bei einem Spiel gegen Zürich im Jahr 2009 mussten sich mehr als ein Dutzend Personen vor dem Basler Strafgericht verantworten. Wir haben am Sonntag übrigens auch zwei Zuschauer festgenommen, die pyrotechnisches Material auf sich trugen. Verhaftungen einzelner Personen aus grossen Menschenmassen heraus sind aber in vielen Fällen unverhältnismässig.

Welche Rolle spielt der Alkohol bei gewalttätigen Fans?

Eine sehr grosse. Wir haben letztes Jahr aber einen wissenschaftlich begleiteten Versuch durchgeführt und festgestellt, dass halbbatzige Alkoholverbote nichts bringen. Deshalb hoben wir die Beschränkungen des Alkoholverkaufs im St.-Jakobs-Park auf, die bis Ende 2013 gegolten hatten. Verbote gibt es heute nur noch bei Hochrisikospielen wie etwa dem Länderspiel Schweiz - England vom letzten September. Bei solchen Spielen darf innerhalb eines Perimeters rund ums Stadion überhaupt kein Alkohol mehr verkauft werden.

Das Spiel zwischen Basel und Zürich vom Sonntag war kein Hochrisikospiel?

Es war ein Spiel zwischen mittlerem und hohem Risiko, weshalb es beim Alkoholverkauf keine Einschränkungen gab.

Man hat den Eindruck, dass Sie und Ihr Departement gegenüber dem FC Basel, dem sportlichen Aushängeschild der Stadt, sehr nachsichtig sind.

Der Eindruck ist falsch, der FC Basel hat nie etwas von mir verlangt. Ich bin aber tief überzeugt, dass immer noch mehr Verbote im Kampf gegen Gewalt im Fussball nichts bringen. Wir brauchen den Erfolg an der Front, im Operativen. Und da sind wir Spiel für Spiel daran, uns zu verbessern.

Unbestritten ist, dass die Klubs mehr Verantwortung übernehmen müssen, etwa bei der Fanarbeit und den Stadionverboten.

Im Kampf gegen gewalttätige Fussballfans sind alle gefordert: die Klubs, die Liga, die Polizei. Es gibt weder einen Schuldigen noch eine Lösung. Vor allem aber: Wir stellen keine Zunahme von Ausschreitungen an Fussballmatches fest. Es wird nicht immer alles schlimmer, im Gegenteil: Die gewalttätigen Eskalationen nehmen tendenziell ab. In Basel etwa hatten wir seit fast fünf Jahren bei nationalen Spielen keine schwerwiegenden Vorfälle mehr.

Braucht es nicht auch härtere und schnellere Strafen durch sogenannte Schnellrichter, also durch Staatsanwälte, die bereits in den Stadien Strafbefehle ausstellen?

Nun, die ganze Schweiz arbeitet mit dem gleichen Straf- und Strafprozessrecht. Auch in Basel sind gewalttätige Fussballfans schon sehr schnell durch Staatsanwälte auf Pikett verurteilt worden. Wichtig ist mir aber: Im Kampf gegen Gewalt im Fussball sind keine neuen Gesetze und kein neues Hooligan-Konkordat nötig. Wir brauchen kein Wettrüsten am grünen Tisch, sondern den operativen Erfolg auf der Strasse. Hier in Basel konzentrieren wir uns beispielsweise auf die Beweismittel, um Gewalttäter zu überführen, vor allem auf gezielte Videoaufnahmen und aussagekräftige Polizeirapporte. Und wir möchten mit unserem Dispositiv an den Bahnhöfen besser werden.

Das tönt, als sei alles auf bestem Weg.

Wir dürfen nicht blauäugig sein, aber ich bin überzeugt, dass die Richtung alles in allem stimmt. Wir setzen an vielen Spielen weniger Polizisten ein als noch vor ein paar Jahren. Heute finden in Basel Super-League-Spiele statt, bei denen überhaupt keine Ordnungsdienst-Polizisten zum Einsatz kommen. Diesen Weg gehen wir weiter: Wir müssen die Zahl der Polizisten an Fussballmatches senken. Das sind wir nicht nur den friedlichen Zuschauern und den Polizisten selbst schuldig, sondern auch allen, welche die Polizeieinsätze zahlen müssen: den Steuerzahlern.
Interview: Lukas Häuptli

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