Presseschau

Schweiz am Sonntag vom 10.05.2015

Der klügere Club – wieso Basel die Liga dominiert

Auch der FCB begeht Fehler, aber er lernt schneller als die Konkurrenz
Florian Raz

Basel Über allem steht das Geld. Natürlich. Der FC Basel hat im letzten Jahr 105 Millionen Franken an Einnahmen generiert. Eine für den Schweizer Fussball unglaubliche Summe, die vieles erklärt, wenn es darum geht, die anhaltende Dominanz der Basler zu verstehen. Vieles, aber nicht alles.

Zum sechsten Mal in Serie könnte der FCB heute die Liga gewinnen. Der nationalen Konkurrenz sind die Basler mit Einnahmen aus Transfers und Champions League entrückt. Doch es genügt nicht, den Erfolg allein mit Geld zu erklären. Der heutige FCB ist das Resultat eines Reifeprozesses. Vor 15 Jahren noch war der Club zwar mit einer ­grossen Fanbasis und einer Mäzenin gesegnet, sportlich aber höchstens biederes Schweizer Mittelmass.

Seither hat der FCB durchaus seine Fehler begangen – aber er zog seine Lehren schneller und konsequenter als die Konkurrenz. Nur deswegen münzen die Basler die guten Voraussetzungen in Erfolge um, die sie in vielen Bereichen ­haben. Sechs Lernbeispiele:

1. Gebt den Jungen den Lohn, den sie verdienen

2004 hatten die Basler Grossverdiener unter Vertrag, aber sie freuten sich auch über die Ersparnis, wenn Nachwuchsspieler für wenig Geld einen guten Job machten. Das rächte sich bei Philipp Degen, der ablösefrei nach Dortmund abwanderte, weil ihm der FCB zu spät einen besseren Kontrakt anbot.

Seither werden in Basel die Löhne der Nachwuchsspieler ihrem Status im Team angepasst. Breel Embolo ist jüngstes Beispiel dieser Politik. Der Vertrag des 18-Jährigen wurde bereits zweimal verlängert – Gehaltserhöhung inklusive.

Die Lohnanpassungen sind eine Investition, die Gewinn abwerfen soll. Sei es eine Ablöse wie bei Xherdan Shaqiris Wechsel zu Bayern München (rund 13 Millionen Franken). Oder die Spieler helfen, die Champions League zu erreichen, die auch Millionen einbringt.

2. Lustiges Hüst und Hott mit der Geldgeberin

Derart stabile Verhältnisse in der Führung wie heute hatten die Basler nicht immer. Als es 2008 darum ging, den Vertrag mit Trainer Christian Gross zu verlängern, änderte Geldgeberin Gigi Oeri ihre Meinung innert 24 Stunden fundamental. Erst drängte sie auf ein Vertrags­ende, um am nächsten Tag mit ihrem Rückzug zu drohen, sollte mit Gross nicht verlängert werden. Oeri erhielt ihren Willen, zog sich in der Folge aber immer stärker aus der Führung zurück. Spätestens seit ihrer Übergabe der Aktienmehrheit an den heutigen Präsidenten Bernhard Heusler 2011 ist der FCB ­anders als andere Clubs von ­Launen eines Geldgebers unabhängig. Dafür müssen die Basler nun aber auch selbst all das Geld erwirtschaften, das sie ausgeben.

3. Der 10-Millionen-Fehler mit Christian Gross

Ende 2008 hatte die Ägide Gross in Basel ihren Zenit überschritten. Trainer und Spieler hatten sich entfremdet. Allen Warnzeichen zum Trotz wurde Gross mit einem teuren Langzeitvertrag ausgestattet, um ein hal­bes Jahr später doch entlassen zu werden. Oeri musste fast zehn Millionen Franken einschiessen, um das Loch zu stopfen.

Seither reagiert der FCB humorlos, wenn ein Trainer das Vertrauen der Spieler verliert. Heiko Vogel wurde nach dem Erreichen der Achtelfinals der Champions Lea­gue und als Double-Gewinner entlassen. Murat ­Yakin musste unmittelbar nach dem Gewinn seines zweiten Meistertitels gehen.

Die Trainerrochaden wurden nicht überall verstanden. Sie sind aber auch Ausdruck der Vereins­philosophie in der Ära nach Gross: Kein Trainer soll mehr so viel Macht auf sich vereinen, wie es der Zürcher einst getan hatte.

4. Der Weltuntergang vom 13. Mai 2006

Als Iulian Filipescu in der 93. Minu­te des 13. Mai 2006 den FC Zürich zum Titel schoss, schien in Basel die Welt unterzugehen. Platzsturm, Randale, Chaos. Der Club taumelte, denn der Ausbruch geschah nicht nur im Frust über den verlorenen Titel, er war auch Ausdruck dafür, wie sehr sich Club und Fankur­ve voneinander entfernt hatten.

Es war der heutige Präsident Heusler, der damals verstand, dass der Club ohne Verwurzelung in der Bevölkerung nicht überleben kann. Eine Folge war das «Basler Modell» im Umgang mit den Fans in der Kurve. Im Rest des Landes wird die Mischung aus Repression und Dialog oft als Kuscheljustiz verstanden. In Basel half das Modell, den Verein wieder näher an die Basis zu führen – und Ausschreitungen an Heimspielen zu verhindern.

5. Das lange Ringen um die Vermarktung des Stadions

Basel zog zwar 2001 als erster Schweizer Club in eine moderne Arena. Weil sich FCB und Stadionbesitzerin aber zerstritten, ging die Vermarktung an eine Betreiber-­firma. Folge war ein merkwürdiges Konstrukt, in dem der Club nicht einmal die VIP-Logen für seine Spiele selbst vermietete. Neidisch blickte Basel lange auf die Young Boys, bei denen Stadion und Club in denselben Händen sind.

Erst nach einem Machtkampf bei der Stadiongenossenschaft, der Besitzerin des St.-Jakob-Park, war der Weg 2013 für den FCB frei, das Stadion selbst zu betreiben. Je nach Erfolg bezahlt er nun im Jahr bis zu 3,8 Millionen Franken Miete, dafür vermarktet er das Stadion komplett – bis hin zu Konzerten.

6. Die versuchte Zähmung des Raul Bobadilla

Anfang 2013 glaubte der FCB, den als schwierig bekannten Raul Boba­dilla zähmen zu können. Sieben Monate und eine Raserfahrt später wurde das Projekt abgebrochen und der Stürmer nach Augsburg abgegeben. Seither werden keine Spieler mehr verpflichtet, bei denen Zweifel bestehen, ob sie menschlich ins Team passen. Auch daran dürfte im Sommer ein Wechsel des FCZ-Captains Yassine Chikhaoui nach Basel gescheitert sein.

Basel wird auch künftig Fehler begehen – vielleicht schon bei der Vorbereitung der kommenden Saison. Nur muss die Konkurrenz bereit sein, sofort Nutzen daraus zu ziehen. Bevor der Serienmeister selbst seine Lehren gezogen hat.

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