Presseschau

SonntagsZeitung vom 12.07.2015

Angekommen bei sich selbst

Mit 19 zog ein ungeduldiger Zdravko Kuzmanovic aus, um die Fussballwelt zu erobern. Als 27-Jähriger kehrt er mit innerer Ruhe zurück zum FC Basel

Florian Raz

Crans-Montana Georg Heitz ­hatte eine Nacht mit unruhigem Schlaf hinter sich, als er im Büro von Bernhard Heusler stand. Er habe geträumt, sagte der Sport­direktor, jetzt müsse der FC Basel Zdravko Kuzmanovic zurückholen. Minuten später klingelte bei FCB-Präsident Heusler das Telefon. Am anderen Ende: Zdravko Kuzmanovic. Und jetzt sitzt er da in den Bergen von Crans-Montana, dieser Kuzmanovic, blinzelt in die Walliser Sonne und gibt zu: Doch, sein Berater habe durchaus die Hände über dem Kopf zu­sammengeschlagen, als er gehört hatte, dass er unbedingt zum FCB zurückwolle: «Aber für mich stand nach Inter Mailand fest: Jetzt gibt es nur noch den FC Basel.»

So geht das also bei diesem FCB, der jedes Jahr Talente bei sich heranwachsen lässt und sie danach in die weite Fussballwelt hinausschickt. Auch mit der Hoffnung, sie später als gereifte Führungsspieler wieder bei sich aufnehmen zu können. Marco Streller, Benjamin Huggel, der in Basel als ­Junior missverstandene Alex Frei oder auch ­Matias Delgado sind diesen Weg gegangen.

Und jetzt also Kuzmanovic. Mit 19 Jahren hat er den FCB einst in Richtung Italien verlassen. Als 27-Jähriger kehrt der Mittelfeldspieler zurück, im besten Fussballeralter. Er ist der Königstransfer der Basler, der Fabian Frei (zu Mainz) vergessen lassen soll. Dass er einen Fünfjahresvertrag unterzeichnet hat, ist natürlich dem Umstand geschuldet, dass er in Basel eine Lohnsumme haben wollte, die ihm der FCB auf drei Jahre hinaus nicht hätte bezahlen können. Aber es ist gleichzeitig auch ein Bekenntnis, dass es ihn nicht wieder wegziehen wird. Nein, Kuzmanovic ist gekommen, um zu bleiben. «Für ­immer», wie er sagt. Das lässt wenig Interpretationsspielraum.

Kuzmanovic wirkt ruhig, als er über seinen Entscheid spricht, seine Zelte im Ausland abzubrechen und in die Schweiz zurückzukehren. Er habe aufmunternde SMS erhalten – und natürlich auch solche, die die offensichtliche Frage gestellt haben: Warum? Warum jetzt schon, da es doch Möglichkeiten gegeben hätte, noch ein paar Jahre richtig gutes Geld zu verdienen in England oder Deutschland?

Inter Mailand hätte ihn lieber nach England transferiert

Watford war sich mit Inter bereits einig über einen Wechsel in die Premier League, Werder Bremen und weitere Clubs aus der Bundesliga sollen ebenfalls Interesse angemeldet haben. In Mailand dürfte sich die Freude in engen ­Grenzen gehalten haben, dass Ku­zmanovic nach Basel gehen wollte. So konnte ­Inter nur eine minimale Ablösesumme fordern. Eine Million Euro dürfte Kuzmanovic gekostet haben – ein Schnäppchenpreis für einen Spieler seines Kalibers.

«Ich hätte locker nochmals für drei bis vier Jahre ins Ausland gehen können», sagt Kuzmanovic. Diese Feststellung scheint ihm dann schon nicht ganz unwichtig zu sein. Sonst könnte noch das Gefühl aufkommen, er käme zurück, weil es keine Alternative gegeben hätte. ­Kuzmanovic aber hat sich – und das ist ja eigentlich weitaus erstaun­licher – aus freien Stücken zurückgemeldet in Basel, wo er mit Frau und bald zwei Töchtern in jenes Haus zieht, das er sich von seinem ersten Profivertrag geleistet hat.

Als Teenager, da schien es ihm nicht schnell genug gehen zu können. Von Dürrenast zu Thun, von Thun zu den Young Boys, von YB zum FCB – so ging es bereits im Juniorenalter. Und kaum hatte er sich rund um seinen 19. Geburtstag einen Platz in der ersten Mannschaft des FCB erkämpft, da zog es ihn nach knapp einem halben Jahr als Stammspieler bereits weiter nach Italien.

So schnell sollte es gehen, dass der Transfer zur Fiorentina zur ­Seifenoper verkam. Erst platzte ein fast schon perfekter Wechsel zu ­Palermo, dann kam ein fliegender Beraterwechsel und schliesslich im Januar 2007 der Abschluss mit den Florentinern für eine Ablösesumme von 7,5 Millionen Franken. «Heute kann ich darüber lachen», sagt Kuzmanovic zu jenem Wirrwarr. Und nein, es sei ihm nie ums Geld gegangen: «Das stand immer im Hintergrund.» Aber damals wirkte der Jungprofi halt doch wie ein Getriebener, der die Chance auf den ersten ­grossen Vertrag auf keinen Fall verpassen durfte. Und nicht immer war klar, ob der Antrieb von innen oder von aussen kam.

Seine Sturm-und-Drang-Phase hat Kuzmanovic überwunden

Passend zu jener Sturm-und-Drang-Phase kam der Entscheid, für die serbische Nationalmannschaft spielen zu wollen. Und nicht für die Schweiz. Mit 19 schon debütierte er für Serbien, 51 Länderspiele hat er seither bestritten. Gut möglich, dass keine weiteren ­Partien dazukommen.

«Ich habe viel erlebt», sagt ­Kuzmanovic, «es gab viele Trainerwechsel und wenig Kontinuität. So wird es schwierig.» Die EM wird Serbien verpassen – grosse Lust auf die WM 2018 ist nicht zu spüren: «Dann wäre ich schon 30. Jetzt zählt für mich bloss der FCB.»

Spricht Kuzmanovic über die letzten acht Jahre, dann wird klar: Den Sturm und den Drang – er hat sie hinter sich gelassen. Abgeklärt wirkt er nun, in sich ruhend. Wie einer, der wissen wollte, wie weit er es bringen kann. Und der damit im ­Reinen ist, was er erreicht hat. «Was ist schon ein Stammspieler?», fragt er einmal von sich aus rhe­torisch. Als hätte er das Gefühl, seine Auslandsjahre könnten nicht als Erfolg gewertet werden. Und dann kommen die Stationen und die dazugehörigen Zahlen, als unaufgeforderter Gegenbeweis. Auf die Begegnung genau hat er sie im Kopf: Fiorentina, 93 Einsätze, VfB Stuttgart, 127 Einsätze, Inter Mailand, 55 Einsätze.

«Du musst beissen – es ist ein brutaler Überlebenskampf»

Gelernt hat er vieles in diesen Clubs, geschenkt worden ist ihm nichts. Mit 19 wurde er in Florenz im Schnelldurchlauf erwachsen, in jenem ersten Halbjahr ohne Freunde, Sprache und Einsätze. «Da habe ich mich gefragt, ob ich aufgebe», erzählt er, «aber ich habe entschieden, mich durchzubeissen.»

Auch darum kann er für den FCB so wertvoll werden: Weil er den jungen Basler Shootingstars erzählen kann, wie es ist, wenn man sich in einer grossen Liga durchsetzen muss. «Es ist ein brutaler Überlebenskampf», nimmt er dem Traum vom Profileben im Ausland einiges an Romantik.

Er selbst hat den Kampf an­genommen. Immer mit dem Ziel, einmal bei einem richtig grossen ­Verein unterschreiben zu können. Nach seiner Sicht ist ihm das bei Inter gelungen: «Für mich einer der zehn grössten Clubs der Welt.» Und weil klar war, dass danach nicht Real Madrid oder Barcelona anklopfen würde, erklärte er die Reise für sich als beendet: «Noch einmal in der Bundesliga um Platz zehn spielen? Das hätte ich mir nicht mehr vorstellen können.»

Zdravko Kuzmanovic ist einst ausgezogen, um die grosse, weite Fussballwelt zu erobern. Jetzt scheint er angekommen. In Basel. Und bei sich selbst.

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