Basler Zeitung vom 23.01.2016
Nach zehn Trainingslager-Tagen in Marbella spricht Urs Fischer über Zugänge, Abgänge, Verletzte und Kritik
Von Tilman Pauls, Marbella
Den letzten Tag in der spanischen Sonne nutzt Urs Fischer in vollen Zügen aus. Morgens zwei Stunden auf dem Rasen, nachmittags zwei Stunden auf dem Rasen – so wie das eigentlich die ganze Woche über der Fall war, wenn der FC Basel im Football Center von Marbella geschwitzt und trainiert hat.
Heute reist die Mannschaft wieder zurück in die Schweiz, wo sie in der nächsten Woche den letzten Teil der Vorbereitung in Angriff nehmen wird. Ein Testspiel gegen Austria Wien steht noch auf dem Programm, eines gegen Xamax – und dann startet die Super League am 7. Februar schon wieder mit dem Heimspiel gegen den FC Luzern.
Vor der letzten Einheit in Spanien hat sich der Trainer des FCB noch mal Zeit genommen, um über das Trainingslager, seine erste Halbserie in Rotblau, den Zugang von Renato Steffen und den Abgang von Zdravko Kuzmanovic zu sprechen. Urs Fischer über …
… das Trainingslager in Marbella
Die zehn Tage in Spanien waren durchs Band positiv. Wir hatten zwar ein sehr hartes Programm, eine hohe Intensität. Aber das Team hat sich von seiner besten Seite gezeigt – auch neben dem Rasen. Der Teamgeist ist super, die neuen Spieler wurden gut integriert. Ich könnte bei den Bedingungen noch zehn Tage anhängen, kein Problem. Ich bin jeden Tag gegen 7.15 Uhr aufgestanden und um Mitternacht ins Bett – aber nicht etwa, weil wir stundenlang um die Häuser zogen (schmunzelt). Sie sehen: Wir arbeiten hier tatsächlich. Aber ich freue mich jetzt, meine Familie wiederzusehen. Es gibt nichts Schöneres als das eigene Zuhause.
… die beiden Testspiele
Die Begegnung gegen Augsburg war okay, aber das Ergebnis entspricht nicht dem, was man auf dem Platz gesehen hat. Und mit dem 1:1 gegen Freiburg war ich mit allem sehr zufrieden bis auf einen Punkt: Wenn du aus 22 Aktionen, in denen du zum Abschluss kommen kannst, kein Tor erzielst, dann läuft was grundlegend falsch. So was regt mich auf, und das habe ich den Spielern auch klar und deutlich mitgeteilt.
… die Neuzugänge:
Nach den paar Tagen kann ich noch kein abschliessendes Fazit ziehen, erst recht nicht bei Alexander Fransson, der direkt aus einem Trainingslager zu uns in ein neues Umfeld gekommen ist. Er ist jung, hat Potenzial, das konnte man gegen Freiburg ja erkennen. Aber man hat auch gesehen, dass er müde ist und seine Zeit braucht. Bei Andraz Sporar und Renato Steffen ist das ein wenig anders, Andraz trainiert schon länger mit uns und hat sich sehr gut eingefügt. Schade ist, dass Dereck Kutesa wegen seiner Verletzung nicht mit der Mannschaft trainieren und nur Einzeltrainings absolvieren konnte.
… Renato Steffen und die Kritik
Für Renato gilt das Gleiche wie für die anderen: Er ist gut aufgenommen worden, da gibt es überhaupt keine Probleme mit den Mitspielern. Ich kenne ihn ja schon aus Thun, er ist ein offener «Burscht». Er wusste, was ihn in Basel erwarten würde, und hat sich entsprechend auf die Reaktionen eingestellt. Er ist mit der Situation und der Kritik gut umgegangen, denke ich. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass ihn etwas belastet oder dass er mit dem Kopf nicht ganz bei der Sache ist.
… Kuzmanovics Abgang
Dass ein Spieler einen Club während der Winterpause verlässt, ist «part of the game». Wenn es der ausdrückliche Wunsch eines Spielers ist, was können wir da noch machen? Zdravko ist ein spezieller Spieler, auf seine ganz eigene Art. Und wenn er sich nicht mehr mit unseren Saisonzielen und unserer Philosophie identifizieren kann, dann muss man das respektieren. Ich habe mich während der Hinrunde mehr als einmal mit ihm zusammengesetzt und mit ihm gesprochen, ihm meine Sichtweise erklärt.
… das erste FCB-Halbjahr
Die Frage ist ja immer, ist das Glas jetzt halb voll oder halb leer? Ich kann verstehen, wenn man sagt, es ist halb leer. Wir sind im Cup ausgeschieden und wir haben die Champions League verpasst. Sie können mir glauben: Das stinkt mir nach wie vor – und dann werde ich ja von den Medien netterweise auch regelmässig noch an die beiden Spiele gegen Maccabi Tel Aviv erinnert (schmunzelt). Aber man kann auch sagen, dass das Glas halb voll ist. Weil wir doch immerhin zehn Punkte Vorsprung in der Meisterschaft haben. Weil wir als erster Schweizer Club eine Gruppenphase in der Europa League gewonnen haben. Und weil wir doch das ein oder andere attraktive Spiel gezeigt haben, denke ich.
… die Kritik des Publikums
Ich kann nicht sagen, dass das alles an mir abgeperlt ist, natürlich bekomme ich das mit. Aber 35 000 Ansprüche in einem Stadion kann niemand zufriedenstellen. Aber in der Europa League gewinnst du heute nicht mehr 5:0, die Zeiten sind vorbei. Ich habe ja schon häufiger gesagt, dass ich mit unserem Spiel in den letzten 30 Metern, da, wo man Torchancen kreiert, und in der Rückwärtsbewegung, noch nicht zufrieden bin. Und da kann ich irgendwo auch nachvollziehen, dass das Publikum Kritik äussert. Andererseits muss ich sagen: Alles haben wir ja schon nicht falsch gemacht.
… die Fragen nach den Verletzten
Ich hätte ab und zu schon gerne öfter über Fussball geredet. Ich verstehe, dass man bei so vielen Verletzten häufig auf das Thema angesprochen wird, aber irgendwann bekommt es einen provokativen Unterton – auch wenn die Journalisten das gar nicht so meinen. Ich habe mich in gewissen Momenten aufgeregt, wenn ich pausenlos die gleichen Antworten geben musste. Da fragst du dich: Wofür sitze ich hier überhaupt, wenn es ums Spiel geht, aber ich zu den Verletzten schon alles gesagt habe? Da musst du als Trainer auch mal auf die Zähne beissen. Ich kann die Reaktion von Kollegen durchaus nachvollziehen, wenn da mal einer ausflippt – das ist mir auch schon passiert.
… den weiteren Fahrplan
Jetzt werden wir im letzten Teil der Vorbereitung die Intensität erhöhen, kurze Einheiten, kurze Läufe. Und dann kommen gleich wichtige Spiele. Der Trainerstab hat schon ein paar Videos von St-Etienne gesehen. Das ist eine Mannschaft, die nicht sehr viele Tore schiesst, aber auch kaum Gegentore erhält. Sie stehen ganz giftig auf dem Platz, sehr kompakt, und warten auf Fehler. Das ist eine Aufgabe, die man in zwei Spielen lösen kann. Aber wir müssen unser Potenzial abrufen.