Presseschau

Basler Zeitung vom 09.03.2016

«Ich habe keinen Franken verdient»

Präsident Bernhard Heusler sagt, wem der FC Basel gehört und warum er einen
Teil seiner Aktien verkauft hat

Von Oliver Gut und Tilman Pauls

Basel. Im Büro von Bernhard Heusler herrscht freundliches Chaos. Am Regal hinter seinem Schreibtisch baumeln die Wimpel der magischen Nächte, die der FC Basel erleben durfte: Manchester. München. Chelsea. In der anderen Ecke des Raumes liegen Trikots der Gegner. Auf dem Tisch stehen der Basler Sportpreis und zwei Weinflaschen, die Paulo Sousa als Geschenk mitgebracht hat.

Doch dafür ist keine Zeit, weil der 52-jährige FCB-Präsident etwas erklären muss. Auf einem Blatt Papier zeichnet Heusler die Konstruktion des FCB auf, damit auch die Nicht-Juristen am Tisch verstehen, worum es geht: Die Besitzverhältnisse beim FC Basel. Die Schweiz am Sonntag hatte bekannt gemacht, dass Heusler einen Teil seiner Holding-Aktien abgegeben hat. Aber warum?

BaZ:

Bernhard Heusler, wem gehört der FC Basel?

Bernhard Heusler:

Die FC Basel AG gehört seit zehn Jahren zu 75 Prozent der Holding AG und zu 25 Prozent dem Verein FC Basel 1893.

Zu lesen war, dass Sie einen Anteil Ihrer Aktien verkauft haben und nur noch eine Minderheit an der Holding halten. Ändert das nichts an den Besitzverhältnissen?

Es ist korrekt, dass ich meine Aktien auf andere Mitglieder des Verwaltungsrates der Holding AG überschrieben habe. Aber das hat keinen Einfluss auf den Besitz der Profi-AG oder die Führung des FCB. Diese geschieht unverändert durch Club­leitung, Technikkommission und Geschäftsleitung. Überall wird nach Köpfen abgestimmt, nicht nach Anteilen.

Aber wem die Holding gehört, dem gehört doch auch der FCB. Oder nicht?

Das stimmt vielleicht theoretisch. Als wir 2006 die AG-Struktur einführen mussten, wollten wir den Verein nicht bedeutungslos machen. Durch eine Vereinbarung mit der Holding wurden dem Verein Schutzrechte garantiert. So können Logo und Vereinsfarben nicht geändert werden ohne Zustimmung des Vereins. Zudem wird über jedes Traktandum in der AG an der Vereinsversammlung Beschluss gefasst. Und der Verein hat ein Vorkaufsrecht. Damit kann er alle FCB-AG-Aktien zu dem Preis zu sich nehmen, der von einem Dritten geboten wird. Dies ist im Schweizer Profi-Fussball einmalig. So kann verhindert werden, dass in schweren Zeiten ein unseriöser Investor den Club für wenig Geld an sich reissen kann.

Aber wenn ein Investor die Holding und mit ihr auch die 75 Prozent der FCB AG übernähme? Dann hätten die Mitglieder doch keine Chance, sich zu wehren …

Das stimmt. Klar ist auch, dass bei einer hohen Übernahmeofferte der Verein kaum die Mittel hat, dies zu verhindern. Nur: Was wäre das für ein Schicksal eines vom Verein nicht akzeptierten Inhabers? Wie sollte er den Club führen, ohne die Mitglieder hinter sich zu haben? Jeder potenzielle Interessent, der eins und eins zusammenzählen kann, würde sich das sehr gut überlegen, bevor er den Club unfreundlich übernimmt.

Wem gehört nun die Holding?

Nach den Übertragungen der letzten Jahre halte ich noch rund 44 Prozent der Aktien. 25 Prozent liegen bei Georg Heitz, zehn bei Adrian Knup und je fünf Prozent bei Stephan ­Werthmüller und René Kamm.

Das macht knapp 90 Prozent.

Ja, das entspricht dem Anteil, den Gigi Oeri mir überschrieben hat. Etwas mehr als zehn Prozent liegen dann noch bei jenen Aktionären, die schon seit längerer Zeit dabei sind.

Wann haben Sie Ihre Aktien übertragen?

2015 fanden die letzten Übertragungen statt, andere bereits 2014 oder 2013. Darüber haben wir jeweils an der GV der Holding informiert.

Seit wann liegt die Mehrheit der Aktien nicht mehr in Ihren Händen?

Seit dem letzten Jahr.

Was kostet eine dieser Aktien?

Schon als das Aktienpaket von Gigi Oeri auf mich übertragen wurde, erfolgte das nach Steuerwert. Und zum unveränderten Steuerwert ist das auch jetzt geschehen. Ich habe also keinen Franken zulasten meiner Kollegen verdient.

Zu Ihrer Übernahme der Aktienmehrheit von Gigi Oeri gibt es mehrere Legenden. Manche sagen, Sie hätten damals einen symbolischen Franken gezahlt. Andere behaupten, es sei mehr als eine Million Franken gewesen. Was ist wahr?

Die Antwort lautet: der Steuerwert. Also zum Wert, der amtlich aufgrund der Wegleitung der Eidgenössischen Steuerbehörde festgelegt wird.

Aber reden wir hier von einem siebenstelligen Betrag?

Nochmals: Es ist nicht so, dass ich für meine Aktien heute mehr erhalten habe, als ich damals gezahlt habe.

Aber warum haben Sie Ihre Mehrheit, Ihre Macht, überhaupt abgetreten?

Ich übernahm die Aktien nie mit dem Gefühl, dass ich von nun an die Macht besitze. Es war für mich vielmehr ein Teil der Führungsverantwortung, die ich übernahm. In der ersten Phase lagen sowohl Risiko und Letztverantwortung bei mir allein. Dass ich später Teile der Aktien abtreten konnte an Personen, die entscheidend dazu beigetragen hatten, dass uns die Risiken nicht einholten, war für mich Bestätigung und Befreiung zugleich. Es ist vielleicht auch ein symbolisches Zeichen, dass Bernhard Heusler nicht der Alleinherrscher des FCB ist.

Hat das auch steuerliche Vorteile?

Nein, aber auch keine Nachteile.

Warum haben Sie Ihre Anteile nach und nach abgetreten und nicht gleich nach der Übernahme von Gigi Oeri?

Zu Beginn überwogen die Risiken. Die Gefahr des Scheiterns ohne einen Geldgeber war konkret vorhanden. Als wir in der Saison 2009/2010 die operative Leitung neu organisierten, konnte niemand erahnen, wie sich der Club entwickeln würde. Die Lage war doch so, dass sich der strukturell defizitäre Club entweder ab sofort selber trägt oder eine finanzstarke Person hätte gefunden werden müssen, welche in Gigi Oeris Fussstapfen getreten wäre. In diesem Fall hätte diese Person auch die Mehrheit der Aktien verlangt, wenn nicht sogar die Transferrechte am Profikader. Das Letztere aber war für mich kein überlebensfähiges Konzept für den FCB als Schweizer Spitzenclub. Ich war Gigi Oeri enorm dankbar, dass sie 2006 auf diese Sicherheit verzichtete, also der Integration aller Transferrechte in die Profi-AG zugestimmt hatte. Dies wollte ich im Interesse des FCB keinesfalls rückgängig machen.

Deswegen ist die Mehrheit vorerst bei Ihnen geblieben?

Genau. Wäre es mit den sportlichen Erfolgen, der Personalpolitik und der Übernahme der Vermarktungsrechte im Stadion nicht nacheinander aufgegangen, dann hätten wir schon bald jemanden finden müssen, der dem Club finanziell in einem schlechten Jahr helfen kann. Aber der Tanz auf der Rasierklinge ist uns gelungen, so- dass es ab 2013 nicht mehr erste Priorität war, einen Geldgeber zu finden.

Es hat also nichts damit zu tun, dass Sie allmählich müde sind und langsam Ihren Abgang vorbereiten?

Nein. Das Halten von Aktien macht nicht müde, eher die Arbeit im Tagesgeschäft. Und da bin ich – ob in der Vertretung des Clubs nach aussen, der Führung im Innern, oder der ­Mitarbeit in der Technikkommission oder Club­leitung – voll dabei.

Und trotzdem wird immer wieder die Frage gestellt: Wie lange noch?

Ja, stimmt. Aber diese Frage müssen wir uns seit dem ersten Tag stellen. Das ist Teil unserer Verantwortung. Aber wir sind gerade an einem Punkt, an dem wir alle Energie brauchen, um die aktuellen Aufgaben der Saison anzugehen. Und dann geht es in der Technikkommission darum, die nächste Saison vorzubereiten.

Wie stellen Sie sich die Übergabe vor?

Ich will nicht nebenbei öffentlich darüber fabulieren. Natürlich wollen wir den FCB dereinst verantwortungsvoll übergeben. Wir streben bestimmt keine Nachfolge an, die von Anfang an die 25 Prozent des Vereins gegen sich hat. Wichtig ist aber vor allem, dass wir uns klar sind, wie sich der FCB in einem anspruchsvollen, zunehmend schwierigeren Umfeld weiter positionieren und entwickeln soll.

«Wo wänn mir ane»?

Ja. Diese komplexen und existenziellen Fragen hat die Muttenzer Kurve zum Rückrunden-Start ziemlich genau auf den Punkt gebracht.

Wohin wollen Sie denn?

Ich knüpfe meine Vorstellungen nicht an sportliche Ziele. Meine Vision ist, dass wir einen FC Basel der Stadt und Region erhalten können, der der Anhängerschaft Freude bereitet. Und das ist bereits eine Vision, die ziemlich anspruchsvoll ist.

Einigen Fans jedenfalls scheint die Vision des Clubs in Sachen Transferpolitik aktuell nicht zu gefallen.

«Personalpolitik» stand sicher auch auf dem Transparent, weil einige mit der Übernahme von Spielern der Konkurrenz, zuletzt Renato Steffen, nicht zufrieden waren. Das müssen wir akzeptieren – wie auch, dass andere im Stadion den Anspruch haben, dass wir national unsere Dominanz ausspielen und dass die besten Fussballer aus der Schweiz beim FCB spielen. Oder dass es wiederum Anhänger gibt, die sich fünf Basler im Team wünschen – selbst wenn man dann mal nur im Mittelfeld der Tabelle landet. Auch akzeptiert werden muss aber, dass es aus meiner Perspektive als Präsident etwas anders aussieht, wenn ich den Lohn von 250 Mitarbeitern, Stadionmiete und Betriebskosten irgendwie decken muss. Und schliesslich wollen wir diese Einnahmen nicht mit überhöhten Eintrittspreisen generieren.

Ein anderes Thema ist das Marketing, weil viele Fans den Eindruck gewinnen, dass sich der Club von ihnen entfernt.

An diesem Punkt reagiere ich empfindlich, weil ich weiss, wie viele Zugeständnisse wir für die Basis an Stellen machen, wo man auch dem Geld den Vorrang geben könnte. Allerdings können wir uns das vielleicht besser leisten als andere. Wir wollen den Besuchern die Vermarktung nicht so aufzwingen, dass sie das Gefühl haben, daran zu ersticken. Aber das Marketing ist auch ein Mittel, um einen basisnahen Club führen zu können. Unsere Preispolitik etwa können wir nur halten, weil wir Einnahmen über die Vermarktung erwirtschaften. Sonst müssten wir, wenn wir in der Champions League stehen, vielleicht sagen: Gegen Real Madrid kommen nur die 30?000 ins Stadion, die am meisten bezahlen wollen.

Ist es ein Luxusproblem?

Nein, wir müssen das ernst nehmen. Wir haben hier ja nicht eine Kommando-Einheit, der alle hinterherlaufen müssen. Und vielleicht ist das ja eines der Geheimnisse des Erfolgs, dass wir uns ständig hinterfragen müssen.

Aber machen es solche Diskussionen denn nicht schwieriger, sich selber die Freude zu bewahren?

Nein, ich habe immer noch grosse Freude. Man muss ja aufpassen, denn diejenigen, die sich freuen, die melden sich ja in der Regel gar nicht, sondern nur die, die sich beschweren.

So, wie man Coop nur schreibt, wenn ausnahmsweise ein Joghurt ranzig ist – aber nie, um das frische Gemüse zu loben, das man wöchentlich einkauft …

Genau. Deshalb war es für mich auch befreiend, einen Teil meiner Aktien abzutreten. Denn ich bin nur einer von vielen. Sind die Leute mit mir unzufrieden, ist das noch lange kein Grund, mit dem FC Basel zu brechen.

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