Presseschau

Walliser Bote vom 19.05.2016

«Hier ist es schwieriger»

Raphael Wicky | Neuer U21-Trainer des FC Basel

Raphael Wicky (39) wird beim FC Basel neuer U21-Trainer. Für den Ex-Bundesliga-Profi ein neues Kapitel, für die Nachwuchsspieler sieht er beim Schweizer Primus keinen Vorteil: «Hier ist es für sie schwieriger als anderswo, um nach oben zu kommen.»

Hans-peter Berchtold

Yan Sommer, die Gebrüder Xhaka, Xherdan Shaqiri, Fabian Frei oder zuletzt Breel Embolo: Der FC Basel verfügt mit diesen Namen über einen eindrücklichen Leistungsausweis der eigenen Nachwuchsabteilung, die man sich mittlerweile rund 6 Millionen Franken pro Jahr im modernen Campus kosten lässt. Nur - die meisten von ihnen schafften den Sprung ins Profikader erst nach einem Umweg, einer Ausleihe in die Challenge League oder an einen anderen Super-Ligisten.

«Das heutige Profikader», so Raphael Wicky, «ist auf die Champions League ausgerichtet und mit 20 National spielern bestückt. Da ist es schwierig für jeden eigenen Nachwuchsspieler, hier Fuss zu fassen.» Er befasst sich seit drei Jahren mit der Ausbildung der FCB-Junioren, 2013 stieg der Steger hier als U18-Trainer ein. Er erinnert sich zurück: Damals stand ein gewisser Breel Embolo bei ihm im Kader. Überdurchschnittlich begabt, mit einer tollen Mentalität und taktisch reif. Trotzdem degradierte ihn Trainer Wicky für ein Spiel zurück in die U17, «weil unsere Regeln für alle galten». Nach dieser Strafaktion gab es mit dem Talent keine Probleme mehr. Nach einem halben Jahr ging es für Embolo bereits in die U21 und kurz darauf weiter ins Profikader. Dazwischen fragte er schon mal selbst nach, ob er noch das eine oder andere Mal bei der U18 aushelfen dürfe.

Als Embolo die Kabine aufräumte

Das hat Eindruck hinterlassen. Noch mehr die Geste, als er bereits als gestandener FCB-Profi bei einem U18-Turnier als Zuschauer dabei war, nach Spielschluss in der Kabine auftauchte und diese erst noch ohne Aufforderung aufräumte.

In seinen bisher drei Jahren als FCB-Nachwuchstrainer hat Wicky verschiedene Talente begleitet und ausgebildet. «Wir müssen den Spielern frühzeitig den für sie besten Weg aufzeigen, um nach oben zu kommen.» Neben der Spielintelligenz sei die Mentalität, so Wicky, dafür die wichtigste Voraussetzung. Noch bedeutender als Talent oder technische Fertigkeiten. «Ich habe in meiner Zeit als Bundesliga-Spieler viele Typen kennengelernt, die allein dank ihrem Willen eine beachtliche Karriere hingelegt haben. Ohne als Toptalent gegolten zu haben.»

Wenn er es mit der eigenen Karriere damals vergleicht: Das Umfeld für die jungen Spieler mit ungeduldigen Eltern und teils diffusen Beratern sei schwieriger geworden. «Wenn einer hier nach einem Jahr in der U21 keinen Profivertrag erhält, will er schon etwas verändern. Da müssen wir als Trainer versuchen, Einfluss zu nehmen.» Was die Philosophie anbelangt, hat der FCB eine Korrektur vorgenommen: Früher gab es bereits für U14-Spieler bindende und lukrative Verträge, heute wird vor der U18 kein Kontrakt mehr auf den Tisch gelegt. Ausser bei Wunschspielern, die von auswärts engagiert werden.

Ein Nachwuchstrainer im U-Bereich wird danach beurteilt, wieviele Spieler er in die nächsthöhere Stufe bringt. Doch ein Verein wie der FC Basel schaut neben der Ausbildung auch auf die Resultate. Wicky erreichte mit seinem U18-Team in den letzten zwei Jahren jeweils Rang 3. Derzeit steht er in der aktuellen Meisterschaft an der Spitze, nach der Quali fikation kommt es zu Playoffs unter den ersten sechs. Zudem hat sich Basels U18 gegen GC für den Schweizer Cupfinal qualifiziert.

Basel oder Mainz

Seine Referenzen haben dem Oberwalliser den Vorschlag eingebracht, ab dem Sommer die U21 in der Promotion League zu übernehmen. Zudem wird er als Verantwortlicher für die U19-Auswahl fungieren, die in der Youth-Champions League engagiert ist. Die höchste Nachwuchsmannschaft des Meisters hat eine turbulente Saison hinter sich. Unter Trainer Joël Magnin geriet man in Abstiegsgefahr, nach dessen Entlassung erlebte die U21 unter der Leitung von Nachwuchschef Massimo Ceccaroni einen unerwarteten Höhenflug mit dem Vorstoss in die Spitzengruppe. Für Raphael Wicky bedeutet die Beförderung einen weiteren Schritt in seiner Trainer-Karriere, im Sommer schliesst er seine Ausbildung mit dem UEFA-Pro-Diplom ab.

Vor einem Jahr musste er bereits einen Grundsatzentscheid fällen, ein Angebot des Bundesligisten Mainz 05 als Assistenztrainer von Martin Schmidt lag auf dem Tisch. Das wäre durchaus reizvoll gewesen für seine Weiterbildung im Trainergeschäft, doch Wicky lehnte ab und blieb in Basel. Weil er hier seinen eigenen Weg gehen will.

Das Interesse von Schweizer Profivereinen

Seine Spielphilosophie von Ballbesitz und schnellem Umschalten nach vorne wie nach hinten will er in der U21 beibehalten, wo erstmals auf der Gegenseite Aktivteams stehen. «Ich will auch auf dieser Stufe mich als Trainer und jeden einzelnen Spieler weiterbringen.» Die eigene Karriereplanung sieht dereinst den Schritt ins Profi geschäft vor, überstürzen will Raphael Wicky dabei indes nichts.

Bereits während der laufenden Meisterschaft hätte er bei einem Super-Ligisten als Chefcoach einsteigen können, auf die nächste Saison hin wollten ihn zwei Vereine aus der Challenge League verpflichten. Trotz aller Ungewissheiten im Trainer-Metier und der damit verbundenen heiklen Planbarkeit hegt er einen Trainer-Traum: «Einmal in den USA Trainer eines MLS-Vereins zu sein, das wärs doch!» Seine letzte Spielerstation bei den CD Chivas bleibt unvergesslich.

Eine wohnliche Unterbringung wäre garantiert, Raphael Wicky besitzt in Los Angeles immer noch ein eigenes Haus.

Zurück