Presseschau

Schweiz am Sonntag vom 17.07.2016

Der schüchterne Paraguayer

Der 18-jährige Aussenverteidiger Blas Riveros hatte Angebote aus ganz Europa und entschied sich trotzdem für Basel.

Céline Feller

Es ist kaum vorstellbar, dass Blas Riveros beim FC Basel auch nur eine Sekunde allein verbracht hat. Oder besser: allein verbringen musste. Denn auch zu unserem Gespräch erscheint er nicht alleine. Matías Delgado begleitet ihn. «Ich höre einfach nur zu, und wenn etwas ist, helfe ich», sagt der Captain des FC Basel und setzt sich. Nicht, dass er Riveros reinreden will, er will ihm einfach nur helfen.

Schon im Vorfeld sagt Delgado immer wieder, Riveros sei nicht unhöflich, wenn er wenig sage, er sei einfach nur sehr schüchtern. Und das bestätigt sich auch beim Treffen. Teilweise zumindest. Nach einem leisen «Ola» setzt er sich. Noch bevor das Gespräch anfängt, macht er das, was er in den nächsten dreissig Minuten immer wieder tun wird: Er befeuchtet sich die Lippen, senkt den Blick und schaut nach Sicherheit suchend immer wieder zu Delgado. Aber dieser lässt ihn – vielleicht zum ersten Mal, seit er hier ist – allein, obwohl er daneben sitzt. Riveros wirkt etwas unbehaglich, betont aber, dass er sich in der Schweiz und beim FC Basel in diesen ersten Wochen sehr wohl fühle. Der erst 18-jährige Paraguayer war erst Anfang Juli zur Mannschaft gestossen, weil er mit der Nationalmannschaft an der Copa América in den USA teilnehmen durfte. Obwohl er nur zu einem Einsatz kam, sei es eine unglaubliche Erfahrung gewesen. «Das ist das absolute Maximum, wenn man mit der Nationalmannschaft mitreisen darf. Auch wenn es resultatmässig nicht so gut lief (Paraguay schied bereits in der Gruppenphase aus, Anm. d. Red.).»

Und er traf in der Nationalmannschaft auch auf einen, den er über den FC Basel ausfragen konnte: Derlis González. Sein Vorgänger, was die Trikot-Nummer 25 bei Basel angeht, habe ihm ein bisschen etwas über die Stadt erzählen können. «Hoffentlich nur Gutes», wendet Delgado ein und fügt lachend an: «Sonst gehe ich in die Ukraine und haue ihn (González spielt mittlerweile bei Dynamo Kiew, Anm. d. Red.).» Aber González habe Riveros ohnehin nur noch darin bekräftigt, dass sein Entscheid, zum FCB zu kommen, richtig war. «Die Mannschaft hier ist toll, und sie helfen mir viel», sagt Riveros, befeuchtet seine Lippen und schaut einmal mehr zu Delgado. «Vor allem Mati. Er hat mir vom ersten Moment bei meiner Ankunft gesagt, dass ich bei jeglichen Sorgen oder Problemen zu ihm kommen kann.» Der stolze Ersatzvater und Zimmerkamerad, der in den Trainings auch Dolmetscher ist, lächelt zufrieden.

Dass Riveros an diesem Tag neben uns in der Lobby des Teamhotels des FC Basel sitzt, ist aber nicht selbstverständlich. Er, den sie in seinem Heimatland den Roberto Carlos von Paraguay nennen, hatte noch andere Interessenten. Barcelona. Manchester United. Benfica Lissabon. In einem Interview sagte er, er wolle für Benfica spielen. Gelandet ist er in Basel. Wo er sich vor allem auf eines freut: die Champions League. Bei Benfica hätte er dort auch spielen können. «Aber als das Angebot aus der Schweiz kam, war mir klar, dass das eine grosse Chance ist.» Er sei glücklich. Und er habe es Gott zu verdanken. Immer wieder fügt er seinen Sätzen ein «gracias a dios» – Gott sei Dank – an. Gott sei es auch zu verdanken, dass er bereits mit 18 Jahren den Schritt nach Europa machen konnte, sagt Riveros scheinbar immer noch etwas ungläubig, dass er das wirklich geschafft hat. «Das ist ein wichtiger Schritt in meiner Karriere.»

Aus Not zum Verteidiger umfunktioniert

Wenn er über Fussball spricht, blüht er auf. Er blickt zwar immer noch ab und an zu Delgado, aber es sprudelt für seine Ver hältnisse aus ihm heraus. «Ich wollte schon immer Fussballer werden. Ich liebe es einfach, zu spielen.» Mit neun Jahren hatte er in seiner Heimatstadt Itauguá zu spielen begonnen, bevor er von Olimpia Asunción entdeckt und in die Akademie geholt wurde. Als Stürmer. «Ja, das stimmt, ich war zu Beginn Stürmer. In einem Spiel hat uns ein Linksverteidiger gefehlt, und dann habe ich auf Bitte des Trainers dort ausgeholfen.» Die Trainer seien dann so begeistert gewesen, dass er fortan immer dort gespielt habe. «Heute gefällt es mir besser auf dieser Position. Und viele gute Linksverteidiger gibt es nicht, das spornt mich an.»

Wenn der kleine Blas nicht gerade Fussball spielte in seiner Freizeit, kamen die Hausaufgaben dennoch zu kurz: «Die Schule hat mir nie wirklich gefallen. Aber die habe ich jetzt ja auch beendet», sagt er und lacht. Zum ersten Mal herzhaft. «Ich bin viel lieber zu meiner Tante nach Hause gegangen und habe dort gearbeitet. Sie hat eine Farm mit Kühen, Schafen, Schweinen und vielen anderen Tieren.» Er habe viel Zeit dort verbracht. Die Familie – sie bedeutet Riveros ohnehin alles. Einer seiner Antriebe, besser zu werden, sei die Möglichkeit, seiner Familie zu helfen. «Ich spiele für sie. Meine Eltern haben so viel geopfert und mich so sehr unterstützt, obwohl wir nicht viel hatten, nur damit ich mir diesen Traum erfüllen kann. Also tue ich jetzt alles für sie.» Für seine Eltern, seine Tante und seine kleine achtjährige Schwester. Wenn er über seine Familie spricht, klingt er fast schon erwachsen. Für einen kurzen Moment. Als sich das Gespräch langsam dem Ende zuneigt, fordert Delgado ihn auf, das einzige deutsche Wort, das er ihm bislang beigebracht habe, zum Besten zu geben. Und plötzlich ist Riveros wieder ein Kind. Genauso schüchtern, wie er angekündigt wurde. Der Blick senkt sich auf den Boden, Riveros befeuchtet seine Lippen und schaut zu Delgado. «Komm schon, du kannst es!», sagt dieser. Und mit allem Mut, den der Zweitjüngste im Team hat, sagt er ein leises «Danke», steht auf und geht. Begleitet von Delgado.

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