Presseschau

Aargauer Zeitung vom 27.09.2016

Die Leichtigkeit ist zurück bei den Xhakas

Fussball · FCB gegen Arsenal, das ist Taulant gegen Granit Xhaka, das Duell der Brüder. Dieses Mal freuen sie sich

Sébastian Lavoyer

Früher, da war alles leicht und unbeschwert. Da rannten Taulant und Granit Xhaka auf der Basler Volta-Matte – unweit der Grenze zu Deutschland und Frankreich – dem Ball hinterher. Kinder halt. Es ging um den Spass am Spiel, das Treffen mit den Freunden. Sie waren fünf und sechs Jahre alt, als sie bei Concordia erstmals ein richtiges Training bestritten. Taulant erinnert sich: «Wir haben praktisch jede freie Minute zusammen verbracht. Nach der Schule gingen wir auf den Fussballplatz und kickten mit unseren Freunden.» Bis es dunkel wurde. Mutter Eli liess sie machen – solange sie ihre Leistung in der Schule brachten. «Sonst gab es Stress daheim», sagt Taulant.

Die Zeiten sind längst vorbei. Stress mit den Eltern dürften die Xhaka-Brüder kaum noch haben. Beide haben sich glänzend entwickelt. Granit wechselte im Sommer von Borussia Mönchengladbach zu Arsenal nach London, wurde zum teuersten Schweizer Fussballer der Geschichte. Taulant hat nach einem Umweg über GC den Durchbruch beim FC Basel geschafft, ist unter Trainer Urs Fischer eine feste Grösse im rot-blauen Kollektiv.

Die innere Zerrissenheit

Der Zufall in Gestalt von HollandLegende Ruud van Nistelrooy wollte es, dass sie am Mittwoch mit ihren jeweiligen Vereinen in der zweiten Runde der Gruppenphase der Champions League erneut aufeinandertreffen. Es ist die dritte Ausgabe des Bruderduells. Nur 109 Tage nach dem letzten, dem emotionalsten, dem historischen Duell an der Europameisterschaft in Frankreich. Gleich zum Auftakt traf die Schweiz dort auf Albanien, traf Granit auf seinen älteren Bruder Taulant. Es war das erste Aufeinandertreffen zweier Brüder bei einer EM.

Ganz Europa schaute auf die zwei Brüder, beide mit zwei Seelen in der Brust, beide aufs Engste verbunden mit ihrer Heimat, der Schweiz, und ihren Wurzeln in Albanien. Granit machte kein Geheimnis daraus, dass er sich nichts weniger wünschte als dieses Duell. Die Leichtigkeit, die Unbeschwertheit, die ihn sonst auszeichnen, waren plötzlich weg. Er litt, das merkte man ihm an. Und auch Taulant, der sonst nie um eine Grätsche verlegen ist, fürchtete sich vor dem Aufeinandertreffen, vor der Möglichkeit, dass er seinen Bruder verletzen könnte.

Für beide war es eines der schwierigsten Spiele ihrer Karriere. Der Gefühle wegen. Nicht der Liebe zum Bruder war das geschuldet, sondern dem ganzen Ballast, der diese Begegnung mit sich trug. Die Zerrissenheit aller albanischen Einwanderer, dem Stolz auf die Wurzeln, der Dankbarkeit gegenüber der neuen Heimat. Taulant lief in Lens hängenden Kopfes als Verlierer vom Platz. Alle Secondos, ob auf der Seite der Schweiz oder Albaniens, waren in erster Linie froh, dass es vorbei war.

Doch die Niederlage hat Taulant nicht vergessen, sagt: «Es ist schon sehr speziell, noch einmal gegen Granit zu spielen. Aber ich freue mich darauf und gehe diesmal hoffentlich als Sieger vom Platz.» Natürlich will er den Bruder auch jetzt nicht verletzen, wie er sowieso keinen Gegner verletzen will. Aber er gibt sich angriffig: «Ich werde jeden Zweikampf annehmen, nicht zurückziehen. Genau wie Granit auch. Wir werden beide unseren Job machen.»

Granits Geburtstag

Und das wird ein ganz harter Brocken für den FC Basel, obwohl er mit neun Siegen in Serie in die Meisterschaft gestartet ist. Denn auch Arsenal ist – nach leichten Startschwierigkeiten und einer Auftaktniederlage gegen Liverpool – bestens in Form, hat am Wochenende Stadt-Konkurrent Chelsea mit 3:0 vom Platz gefegt. Diesem Spiel ist es auch geschuldet, dass Granit gegen seine alte Liebe in der Startformation stehen dürfte. Denn bisher musste sich der Ex-Basler in Geduld üben. Oft sass er auf der Bank, weil Arsène Wenger dem Spanier Santi Cazorla und dem Franzosen Francis Coquelin den Vorzug gab. Doch Coquelin verletzte sich am Samstag, musste nach einer halben Stunde mit dick einbandagiertem Knie den Platz räumen. Wie lange er ausfällt, ist noch unklar. Sicher ist: Es ist die grosse Chance für Granit.

Geduld hat er gelernt. In Gladbach musste er anfangs hartes Brot essen, wurde von Lucien Favre nach dürftigem Start in die Saison 2012/13 auf die Bank verbannt. Granit begehrte auf, riskierte eine grosse Klappe. Aber letztlich setzte er sich durch, verliess die Fohlen letzte Saison als Captain, als prägende Figur. «Er hat viel daraus gelernt», sagt Taulant, der grosse Bruder (1,75 m), der längst kleiner ist als Granit (1,85 m). Der grosse Bruder, der einst zuschauen musste, wie die Eltern dem Kleinen den Schlüssel umhängten und nicht ihm. «Nicht weil er nicht zuverlässig wäre, sondern weil er einfach immer alles verlor», so Granit.

Wenn sie morgen auf den Platz laufen, die beiden Brüder, werden sie sich freuen auf das Aufeinandertreffen. Die Leichtigkeit ist zurück. Und ihre Familie ist dabei. Seit Sonntag weilen Vater Ragip und Mutter Eli im Haus von Granit und seiner Verlobten Leonita Lekaj unweit des Emirates Stadiums im Norden Londons. Heute feiert der jüngere Xhaka seinen 24. Geburtstag, am Mittwoch trifft er auf seinen Bruder Taulant (25). Von ihm wirds keine Geschenke geben – wenigstens nicht auf dem Platz.

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