Presseschau

Aargauer Zeitung vom 03.12.2016

Doumbia und die verlorene Liebe

Fussball · Seydou Doumbia kehrt mit dem FCB nach Bern zurück, wo er einst vergöttert wurde

Sébastian Lavoyer

Ein verregneter Sommertag Anfang Juni gleich neben dem Bahnhof Wankdorf in unmittelbarer Nähe des Stade de Suisse: Rund zwei Dutzend Dosen-Künstler wuseln über den Kiesplatz vor der rund 60 Meter breiten und 6 Meter hohen Wand auf der Rückseite des Gebäudes von Baustoffhändler Urs Bridevaux. Inmitten farbiger Schriftzüge entsteht ein Bild von Seydou Doumbia. Über die ganze Höhe der Wand. Der YB-Kultstürmer in Jubelpose. Er, immer noch er, der Lord, die Tormaschine mit dem Schmetterantritt. Zwar stürmt der Franzose Guillaume Hoarau seit einer Saison für die Berner, doch an Doumbia kommt er noch lange nicht heran.

In 64 Meisterschaftsspielen für die Young Boys hat er 50 Tore erzielt. «Ein Riesenwert für einen Stürmer», sagt Marco Schneuwly, heute in Diensten des FC Luzern, damals Doumbias Partner im YB-Sturm. Die Fans der Berner vergöttern ihn, widmen ihm einen eigenen Song, «Doumbia, my lord», angelehnt an den Gospel-Song «Kumbaya, my lord». «Er war der absolute Liebling der Fans. Das war schon sehr speziell», sagt David Degen, der zeitgleich mit Doumbia im Sommer 2008 zu YB stiess. Und das, obschon auch er den Bernern keinen Titel bescherte. Da genügten selbst 13 Punkte Vorsprung in der Winterpause 2010 und 30 Doumbia-Tore in dieser Saison nicht. Basel fing YB auf der Zielgeraden ab, gewann die Finalissima im Stade de Suisse mit 2:0 und feierte den 13. Meistertitel vor den am Boden zerstörten YB-Anhängern.

«Respekt für YB ist immens»

Als Doumbia die Young Boys im Sommer 2010 verlässt, ist er 22 Jahre alt. Trotz seiner Hammer-Statistiken bringt auch er den Bernern keinen Titel. Dafür spült sein Transfer zu ZSKA Moskau rund 15 Millionen Franken in die Klubkassen. Bis heute Rekord für die Berner. In Moskau wirbelt Doumbia weiter, wird zweimal Torschützenkönig in Russland. Im Sommer 2015 der Wechsel zur AS Roma. Doumbias Karriere gerät ins Stocken. Die Römer leihen ihn erst zu ZSKA aus, dann im Februar 2016 zu Tottenham in die Premier League. Doumbia spielt kaum. Der Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petkovic, zu Doumbias YB-Zeiten Trainer der Berner, sagt gegenüber der «Nordwestschweiz»: «Doumbia hätte aus seiner Karriere nach der Zeit bei YB wohl noch mehr machen können. Sein Potenzial war enorm. Aber er hat leider einiges Verletzungspech gehabt; das hat seine Entwicklung beeinflusst.»

Um wieder Schwung in die Karriere zu bringen, entscheidet sich der 28-jährige Ivorer, einen Schritt zurückzumachen. Am 28. Juni wird sein Wechsel zum FCB bekannt. Noch am gleichen Tag zerstört der Künstler des Doumbia-Graffitos beim Bahnhof Wankdorf sein eigenes Werk. Eine Woche später schaut an selber Stelle Guillaume Hoarau von der Wand. Die Liebe der Berner Fans ist erloschen. Ein Wechsel zu Basel, zum Erzrivalen, das konnten sie selbst Halbgott Doumbia nicht verzeihen.

Heute kehrt Seydou Doumbia zurück, zurück an seine alte Wirkungsstätte, zurück ins Stade de Suisse. In Rot-Blau. So ändern sich die Zeiten. Als Mensch hat sich Doumbia nicht gross verändert. Er ist kein Mann der grossen Worte, doch sein Lachen ist ansteckend, genauso wie seine fast immer gute Laune. Für Skandale hat er nie gesorgt, auch vergass er nie, woher er kommt und was ihn ausmacht. Als er im Sommer nach YB, der verflossenen Liebe gefragt wurde, sagte er: «Die Young Boys liegen mit immer noch sehr am Herzen. Mein Respekt für diesen Klub ist immens.» Kaum zu glauben, dass er heute jubeln würde, sollte er ein Tor erzielen. Und wie die Fans wohl reagieren werden? «Ich denke, dass er nicht ausgepfiffen wird», sagt Marco Schneuwly, «die Fans wissen, was er geleistet hat.»

Doumbia, der Strafraumstürmer

Als Mensch der Gleiche, als Fussballer aber ist Doumbia definitiv ein anderer. Vladimir Petkovic sagt: «Im Vergleich zur YB-Zeit läuft Doumbia heute etwas weniger. Er ist vom Stoss-Stürmer zum Strafraum-Stürmer geworden. Aber er ist torgefährlich geblieben. Seine fussballerischen Qualitäten sind nach wie vor aussergewöhnlich.» Da pflichtet ihm auch Marco Schneuwly bei: «Er hat alles, kann mit links, rechts und dem Kopf Tore schiessen. Das macht ihn so unberechenbar.» Neun Mal traf er für Basel bis jetzt. Vielleicht bessert er sein Skore heute weiter auf. Es wäre ein Stich ins Herz aller YB-Fans – und eine Genugtuung für alle Basler.

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