Presseschau

NZZ vom 24.05.2017

Letzter Fluch

Wie Bernhard Heusler und Georg Heitz den FC Basel so stark machten – und dennoch gegen ihren ureigenen Mythos anrennen

Benjamin Steffen

Es gibt auf jede Frage eine Antwort. Aber auch auf diese?

2013 verlor der FC Basel im Penaltyschiessen gegen GC.

2014 verlor der FCB in der Verlängerung gegen den FC Zürich.

2015 verlor der FCB ohne jede Chance gegen den FC Sion 0:3.

Drei Cup-Finals, drei Basler Niederlagen. Mysterien, Sagen und Geheimnisse. Wie kann es sein: dass der FCB so vieles schaffte in den letzten Jahren, aber im Cup-Final verlor er sooft?

Als wäre ein Final mit dem FC Sion nicht mysteriös genug, machen ihn die Basler noch einmal sagenhafter und schleppen eine seltsame Verwundbarkeit mit. Und ganz speziell wird die Konstellation dadurch, dass es das letzte grosse Spiel der abtretenden Führung ist, des Präsidenten Bernhard Heusler und des Sportdirektors Georg Heitz, die den FCB seit 2009 zu acht Meistertiteln führten. Zwei bedeutungslose Ligaspiele stehen nach dem Cup-Final noch an, danach gibt's am 3. Juni einen grossen Umzug, FCB total, ein «Cortège» durch die Innenstadt, alle Geschäfte sollen ihre Schaufenster rot-blau verkleiden – und alle wissen, dass alles noch ein wenig schöner würde, wenn der FCB an Auffahrt dieses Spiel gegen den Fluch gewänne; wenn Heusler und Heitz nicht mit einer grossen Niederlage abträten und mit den Schaufenstern nicht auch die vierte Finalniederlage verhüllt werden müsste; wenn die unbesiegbaren Walliser besiegt würden, denn wann sonst sollte es geschafft werden im Schweizer Fussball als in dieser unübertroffenen FCB-Ära?

Und so gibt's 1001 Gründe, dieses Fussballspiel mythisch aufzuladen und viel wichtiger zu machen, als es ist. Aber wenn etwas Zeit vergangen ist, werden sich die Leute nicht mehr daran erinnern, wie Heusler und Heitz gegangen sind, sondern: wie sie gewesen sind.

Vom Geschäft vereinnahmt

Denn mit ihnen verabschiedet sich ein Gespann, das bloss deshalb nicht mehr so untypisch wirkt, weil sich die Leute daran gewöhnt haben. Aber es hätte viel Mut gebraucht, um diesem Duo vor acht Jahren acht Meistertitel vorauszusagen.

Heusler, dem Wirtschaftsanwalt und Kanzleipartner, der die Karriere für den Fussball aufgab, ausgerechnet. Und Heitz, dem früheren Journalisten und Mitarbeiter des Weltverbands Fifa.

Heusler trug ab 2003 immer mehr Verantwortung im FCB, ab Anfang 2009 leitete er den Klub operativ. Ein halbes Jahr später stiess Heitz als sogenannter Sportkoordinator dazu, doch beim Umbau der Führung erregte eine andere Personalie Aufsehen: dass Adrian Knup im Verwaltungsrat Einsitz nahm, ein früherer Nationalspieler, «eine prominente Fussballkapazität», wie die «Basler Zeitung» schrieb. Heusler und Heitz waren weder das eine noch das andere: nicht prominent, keine Fussballkapazitäten.

Keiner war so richtig in der Wolle des Fussballs gefärbt, keiner hatte auf hohem Niveau gespielt und war von anderen Menschen bevorzugt oder enttäuscht worden – und darin lag ihr grosser Vorteil. Sie hatten einen anderen Zugang zur Branche, vielleicht einen intellektuelleren, sie waren Quereinsteiger mit einer anderen Sicht auf die Dinge und mit weniger Verbandelungen, die ihnen zum Verhängnis werden konnten.

Andere Sportchefs, die seit Jahrzehnten im Geschäft sind, mögen Transfers tätigen, die noch so gut gemeint sind und fern persönlicher Hintergedanken – sie bleiben angreifbar, der frühere FCZ- und YB-Sportchef Fredy Bickel ist das bekannteste Beispiel dafür. Auch Bickel war einst in der Medienwelt tätig, als Radiomoderator, aber diese Erinnerungen entstammen einer grauen Vorzeit, dem letzten Jahrtausend. Und so wird an Bickel offensichtlich, was das Geschäft aus einem macht: Es vereinnahmt einen Menschen so sehr, dass die anderen eines Tages denken, seine Wiege sei auf dem Fussballplatz gestanden.

Es gab Spieler, denen auch Heitz seit Jahren nahe war, etwa Marco Streller, der nun sein Nachfolger wird. Strellers Rückkehr als Spieler zum FCB 2007 fädelte Heitz mit ein, obwohl er noch kein offizielles Amt versah. Aber was immer den Baslern um die Ohren hätte gehauen werden können – der Erfolg erstickte es, er war das eine Gegenmittel.

Das andere: wie sehr der FCB Heitz in die Verantwortung nahm. Heitz erlebte einen Aufstieg wie zuletzt kaum ein Schweizer Fussballfunktionär: vom externen Berater über den Koordinator, von dem viele gar nicht wussten, dass er längst viel mehr machte, als bloss zu koordinieren – bis zum Sportdirektor mit Aktienanteil und Sitz im Verwaltungsrat. Diese Fülle an Macht und Einfluss ist untypisch für einen Sportchef; aber die Beförderung im Jahr 2012 verbildlichte die Loyalität zum Klub: dass Heitz aus wirtschaftlichen Gründen niemandem näherstehen sollte als dem Klub, schon gar nicht einem Trainer.

Die Respektlosigkeit

Jeder Trainer der letzten Jahre war irgendwie eine gute Wahl, jeder brachte den Titel. Aber Heitz wählte auffallend dezidierte Worte, als er dem «Walliser Boten» kürzlich sagte, der heutige Trainer Urs Fischer ticke anders als sein Vorgänger Paulo Sousa, Fischer habe den FCB «stets höher gestellt als sich selbst». Sousa war dieser Trainer, der den FCB im letzten Cup-Final betreut hatte, beim 0:3 gegen Sitten, als er im Trainingsanzug an der Linie stand, was die Basler noch heute als Respektlosigkeit verstehen. Sie sind überzeugt, dass Sousa damit den Willen zum Abschied manifestierte, und sie sehen darin einen Grund für die Schmach; «ein Team spürt, wenn der Trainer mit Herz und Kopf nicht mehr da ist. Die Spannung war komplett draussen», sagt Heitz.

Die Spannung scheint auch heuer wieder nachgelassen zu haben, Basel ist längst Meister, aus den letzten vier Partien resultierten nur drei Remis. Deshalb werden Heusler und Heitz das Team vor dem letzten grossen Spiel enger begleiten als vor zwei Jahren, sie wollen die Bedeutung des Anlasses verdeutlichen. Wie kann es sein: dass der FCB so vieles schaffte, aber im Cup-Final verlor er sooft? Es wäre sagenhaft, wenn Heusler und Heitz diese Antwort gefunden hätten; wenn sie, die den Gewinn des Meistertitels so geheimnisvoll berechenbar gemacht haben, auch noch den letzten Mythos des Cups stürzen würden.

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