Presseschau

Basler Zeitung vom 02.01.2018

«Ich schaue mehr Fussball als früher»

Bernhard Heusler weiss nun, was es heisst, nicht mehr FCB-Präsident zu sein – und stellt fest, dass es auch ohne geht
Von Oliver Gut

Basel. Vor einem Jahr, da ging es für Bernhard Heusler darum, die Zukunft eines FC Basel ohne ihn als Präsidenten aufzugleisen. Morgen startet so richtig, was bereits im September publik wurde: HWH – ein Beratungsunternehmen, bestehend aus Heusler und seinen vormaligen FCB-Verwaltungsratskollegen Stephan Werthmüller und Georg Heitz. Ein Trio, das sein nicht zuletzt bei Rotblau erworbenes Wissen nun in Wirtschaft, Sport und Kultur nutzt.

Mit dem Fussball wird Heusler da weiter in Kontakt kommen – so, wie der 54-Jährige noch immer Ämter bei diversen Verbänden innehat. Klar ist aber auch: Das Leben ist ein anderes, als es das als FCB-Präsident war.

BaZ:

Bernhard Heusler, wenn Sie sich um ein Jahr zurückversetzen: Was für ein Bernhard Heusler wäre damals hier gesessen – und welcher sitzt jetzt hier?

Bernhard Heusler: Er ist der gleiche Mensch. Aber einer mit ganz anderen beruflichen Herausforderungen. Ich stehe unmittelbar davor, dass wir die Büros unseres Unternehmens HWH beziehen können. Es ist ein neuer Lebensabschnitt, weil ich erstmals so richtig selbstständig tätig sein werde.

Und vor einem Jahr?

Da war ich FCB-Präsident. Es ging darum, dass wir in der Winterpause alles unternehmen, damit wir im Frühjahr unseren Vorsprung in der Meisterschaft verteidigen. Und es stand die Frage nach der Ablösung im Raum, die wir schon angegangen waren und die in den ersten Januartagen mit dem Kontakt zu Bernhard Burgener vorangetrieben wurde.

Waren Sie damals anders angespannt?

Um diese Zeit war ich nie unter Hochspannung. Auch wenn wir oft Transfers tätigten. Aber klar: Der Schritt weg von der Verantwortung über einen ganzen Fussballclub und auch raus aus einer Anwaltskanzlei hin zu einem kleineren Unternehmen gibt einem das Gefühl, es sei alles überschaubarer, kontrollierbarer – und das empfinde ich als weniger belastend.

Fühlen Sie sich erholter?

Ich stelle einfach fest: Vor einem Jahr schleppte ich eine mehrwöchige Erkältung mit mir rum, was für uns Männer als schwere Erkrankung gilt. Und während der Ferien lag ich oft flach. Jetzt weiss ich nicht mal, wann das zum letzten Mal der Fall war.

Wie sehr war damals vorhersehbar, was das Jahr 2017 bringt?

Es war für mich absehbar, dass im Sommer der Besitzerwechsel beim FCB stattfindet – wenn alles so läuft, wie wir uns das vorstellten. Die Gespräche mit Marco Streller waren bereits angestossen worden. Und wenn das geschieht, dann weisst du, dass der Moment kommt, an dem du darüber die Kontrolle verlierst. Als im Februar dann die Gespräche publik wurden, war klar, dass man nicht mehr über ein Jahr lang warten kann.

Und wie wird das Jahr 2018?

Das ist viel schwieriger zu sagen. Das Spektrum an Möglichkeiten ist viel offener. Ich weiss, wo unsere Büros sind, wer meine Partner sind – und wir kennen unser Business.

Werden Sie 2018 zum neunten Mal in Folge Meister?

(überlegt) Sie sprechen mich auf mein neues Engagement beim Volleyballclub Sm’Aesch-Pfeffingen an?

Genau.

Ich weiss nicht, ob Sm’Aesch Meister wird. Das ist auch nicht die Frage, die mich da primär beschäftigt.

Was beschäftigt Sie dann?

Fragen der Strategie, der Positionierung, der Zielsetzung und des Überlebens des Clubs. Dabei geht es wie beim FCB darum, Realitäten zu sehen und keine Luftschlösser zu bauen.

Was genau ist Ihre Funktion?

Ich bin Teilinhaber, halte einen Drittel der Aktien. Und ich bin als solcher im Verwaltungsrat von Sm’Aesch.

Und das machen Sie als Privatperson.

Genau.

Warum machen Sie das?

Das war nicht geplant. Sm’Aesch-Präsident Werner Schmid kam auf mich und Marc Troxler zu. Ein ehrenamtliches Engagement im Sport fand ich richtig und die Zusammenarbeit mit Hochleistungsteams und talentierten Menschen reizt mich. Es ist für mich irgendwie eine Form des Zurückgebens. Dies, nachdem ich jahrelang jenem Club vorstehen durfte, der in dieser Region vieles dominiert und bei dem man viel Wertschätzung erfährt, während in anderen Sportclubs ganz viele Menschen Ähnliches leisten, ohne dieses Echo zu erhalten.

Wollten Sie auch aus finanzieller Sicht etwas zurückgeben, zumal bekannt ist, dass Sie durch die Übergabe der FCB-Aktien Geld verdient haben?

Im Vordergrund steht mein Engagement, nicht Geld. Ich wollte auch ein Zeichen setzen, nicht zuletzt an mich selbst: Einsatz für den Sport hängt nicht vom Scheinwerferlicht ab.

Wie sehr leiden Sie beim Volleyball mit?

Zunehmend. Aber es ist mehr ein Mitfiebern. Ganz besonders, wenn die Halle gut gefüllt ist. Weil man will, dass alle Freude haben und sehen, dass es sich lohnt, einen Match von Sm’Aesch zu besuchen. Gerade in Aesch und Pfeffingen sollte man sich noch mehr bewusst sein, wie aussergewöhnlich es ist, ein Team zu haben, das aktuell die Schweizer Meisterschaft anführt.

War das Mitleiden beim FCB denn in all den Jahren auch stets zunehmend?

Zumindest nahm es nie ab. Und das ist eine Feststellung, die mich überraschte, weil ich zuvor doch dachte, dass man mit den Erfolgen gelassener wird. Man denkt doch, man könne nach sieben Meistertiteln einfach auf den Barfi stehen, wenn es beim achten Mal nicht klappt und zu den Menschen sagen: Uns allen tut es gut, dass wir nun mal nicht Meister geworden sind. Aber wissen Sie was?

Was?

Vergessen Sies! Mit dem Erfolg steigt der Druck. Vor allem der Druck, den man sich selber macht. Und was ich auch feststellte: Ich kritisierte Menschen für zunehmende Intoleranz gegenüber Niederlagen, während ich mich selbst dabei ertappte, wie diese Intoleranz bei mir auch wuchs.

Auch der Präsident ist ein Mensch.

Du gewöhnst dich auch ans Gewinnen. Hinzu kommt: Fussball ist ein Spiel – und aus dem Spiel bezieht er seine Faszination. Nicht aus der Strategie, nicht aus den Budgets, die sich gegenüberstehen. Sondern aus dem Spiel und dessen Unberechenbarkeit. Wenn du aber in der Verantwortung stehst, dann hast du wahnsinnig viel Mühe, diesen Teil zu akzeptieren. Und je mehr Geld im Spiel ist, desto schwieriger wird das. Deshalb gibt es Dinge wie den Videobeweis.

Wie meinen Sie das?

Es geht um scheinbare Gerechtigkeit und Erhöhung der Berechenbarkeit.

Man will das korrekte Ergebnis.

Genau. Obwohl man sich im Grunde nach dem Unkorrekten sehnt. Man will genau das aus den 90 Minuten zurückerhalten, was man zuvor in Sachen Spieler, Material und Arbeit investiert hat. Der grosse Unterschied zu vielen Sportarten ist, dass im Fussball einzelne Spiele oder gar Szenen grosse wirtschaftliche Konsequenzen haben. So, dass bei einer Meisterschaft der Eindruck entsteht, dass nicht mehr der Titel im Vordergrund steht, sondern die damit verbundene Teilnahme an der äusserst lukrativen Champions League.

Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich urteile nicht, sondern stelle fest, dass der Fussball sich zu einem äusserst beliebten, globalen Entertainment-Segment entwickelt hat. Und wenn ich sage, dass wir uns alle nach dem Spiel und dessen Unberechenbarkeit sehnen, aber die Verantwortlichen gleichzeitig ein korrektes Ergebnis erwarten, dann liegt darin eine Diskrepanz, die für den Fussball eine Herausforderung darstellt. Aber wenn die Winde sich drehen, kannst du nicht dagegen ankämpfen, sondern nur die Segel anders setzen.

Also ist es einfach zu akzeptieren?

Darum geht es nicht. Es geht darum, sich richtig zu positionieren. Ich glaube, dass die Anhänger einen Weg finden, um weiterhin Freude am Fussball zu haben. Auch dann etwa, wenn es in Europa irgendwann zu einer Abspaltung der grossen Clubs kommen sollte, die nach den bisherigen Entwicklungen nicht völlig überraschend käme.

Viele sehen darin den Untergang.

Warum? Ich glaube nicht, dass der FCB-Fan dann nicht mehr FCB-Fan sein wird. Es ist nicht mein Verständnis vom Fan-Sein, dass sich dieses an der Grösse des Gegners bemisst.

Aber das gesamte Interesse gerade in den Ländern, in denen der Fussball traditionell verankert ist, würde dadurch doch insgesamt klar kleiner werden …

So sehe ich das nicht. Für mich sind Bequemlichkeit und eine gewisse Übersättigung durch Überangebote im TV die echten Gefahren für die Stimmung in den Stadien – ein Problem, mit dem zum Beispiel aktuell die US-Profiliga im American Football kämpft. Es geht um das 13-Schritte-Syndrom: Was muss man den Menschen im und ums Stadion bieten, damit sie weg von Fernseher, Sofa, Kühlschrank und Bett kommen – also dass sie wieder bereit sind, mehr als ihre jeweils 13 Schritte zu tun? Sollte sich dem Fussball diese Frage stellen, wäre es aber aktuell noch weniger ein Problem der grössten Clubs. Sondern für jene schwierig, die primär von den Zuschauer- und nicht von den TV-Einnahmen leben.

Wie etwa der FCB … Haben Sie als Präsident den Absprung folglich gerade noch zum richtigen Zeitpunkt geschafft?

Nein, das ist der falsche Schluss daraus. Denn ich glaube nicht an Untergangsszenarien. Für einen Club wie den FCB ist es einfach wichtig, dass er sich auch in Zukunft richtig positioniert. Auch dann, wenn für ihn aufgrund der internationalen Entwicklung Spiele gegen Real Madrid gar nicht mehr möglich sein sollten.

Welches Gefühl war vorherrschend nach dem Ende beim FCB: das der abfallenden Last oder das der Wehmut?

Da das Ende mit dem Double-Gewinn, den Verabschiedungen und der Parade in der Stadt ja ein sehr positives, hochemotionales war, fragte ich mich schon mehr, ob ich ohne all das sein kann. Ich merkte dann, dass das geht – und ich merkte auch, dass zuvor an den Wochenenden die ganzen 48 Stunden unter dem Eindruck jener 90 Minuten FCB-Fussball standen. Sie haben alles bestimmt.

Sie verspürten in der Folge nie Leere?

Nein. Habe ich Zeit, unternehme ich etwas. Ich kann etwas Zusätzliches für HWH erledigen oder Freunde treffen. Oder ich treibe Sport. Und ich schaue mehr Fussball als früher.

Mehr?

Ja. Pro Wochenende sind das wohl drei Partien. Früher ging das nicht so gut. Also wenn der FCB nicht gewann, dann ging es gar nicht, da hatte ich jeweils keine Lust mehr auf Fussball.

Sehen Sie FCB-Spiele nun anders?

Ja, sicher. Ich kann wieder sagen: Die anderen haben gut gespielt, nun haben wir halt verloren. Aber ich sehe ein Spiel natürlich noch nicht mit den Augen eines Fans – und das werde ich wohl auch nie mehr ganz.

Warum nicht?

Weil ich nun weiss, was dahintersteckt, welche Mechanismen spielen. Fan zu sein, hat etwas Mystisches. Dieses Mystische wird für mich der Fussball kaum mehr haben.

Haben Sie im Stadion immer noch die emotionale Handbremse dabei, weil Sie beobachtet werden?

Von einer Handbremse würde ich nicht reden. Ich kann an einem Match ziemlich ich sein.

Wenn nun die neue Führung in der Champions League mit zwölf Punkten einen Rekord aufstellt: Trifft Sie das?

Überhaupt nicht. Das verletzt ja die eigene Ehre nicht. Und man hat zuvor in diesem Geschäft gelernt, dass ein Rekord – anders als etwa im Hochsprung – nicht exakt vergleichbar ist. Ausserdem gibt es da einen Punkt, der zusätzlich Freude bereitet …

Welchen?

Damit sind all jene Stimmen widerlegt, die meinten, wir von der früheren Führung seien gegangen, weil wir clever sahen, dass es mit dem Club nur noch bergab gehen kann. Oder jene, die uns für die Nachfolgewahl kritisierten. Das ist nun erledigt.

Welcher Bernhard Heusler wird in einem Jahr hier sitzen?

Wer weiss? Hoffentlich ein gesunder.

Auch einer, der noch weiter weg vom FCB, noch entspannter ist?

Weiter weg werde ich wohl sein, weil die Spieler weniger sind, denen man persönlich verbunden ist. Und vielleicht bin ich noch selbstbestimmter. Aber entspannter? Ich war immer der Typ, der alles, was er tat, kompetitiv tat. Ob ich arbeite, spiele oder schwimme – ich mache irgendwie stets einen Wettkampf daraus. Das wird sich kaum ändern.

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