Presseschau

Basler Zeitung vom 21.09.2018

…und der FCB kommt ja auch noch

Jahrelang war es für YB das Grösste, gegen Basel zu spielen – plötzlich ist es anders

Von Oliver Gut, Bern

Es ist fast Mitternacht, als der BSC Young Boys zum letzten Mal auf dem falschen Fuss erwischt wird. Vorher, da sind es Paul Pogba, dessen Kollegen und beim Elfmeterpfiff auch noch Schiedsrichter Denis Aytekin gewesen, welche die Berner in den entscheidenden Momenten ins Leere haben laufen lassen. Nun ist es die letzte Frage eines ernüchternden Mittwochabends: «Gerardo Seoane, wann haben Sie das letzte Mal das Wort FC Basel in den Mund genommen oder gehört?»

Zuvor, da hat der YB-Trainer präzise erklärt, warum es für seine Mannschaft bei der Königsklasse-Premiere gegen Manchester United trotz einer euphorischen, mutigen, starken halben Stunde zu Beginn eben doch nichts zu holen gab. Nun hält er einen Moment lang inne, bevor er eine Antwort gibt, welche die Vermutung nahe legt, er habe nicht damit gerechnet, auf höchster europäischer Ebene mit dem nächsten Gegner in der vergleichsweise bescheidenen heimischen Liga konfrontiert zu werden. «In der Regel reden wir nicht über den Gegner», sagt Seoane irgendwie ratlos, um nachzuschieben, dass man wisse, dass der FC Basel immer ein Titelkandidat sei. «Jetzt gilt der Fokus dem Spitzenspiel. Wir müssen nun möglichst gut regenerieren, um am Sonntag wieder Leistung abzuliefern.»

Zu verdenken ist Seoane nicht, dass zum FCB noch nicht mehr zu vernehmen ist. Aber das Beispiel zeigt schön, wie stark der Glanz der Champions-League-Sterne und eines Gegners aus der Bel Etage des Weltfussballs alles andere überstrahlt.

Weniger Plätze als Journalisten

Spitzenspiel gegen den FC Basel im Stade de Suisse? Jahrelang war das für den BSC Young Boys das höchste der Gefühle. Und dies, obwohl meist klar war, dass weder unmittelbar danach noch ganz am Schluss Gelbschwarz an dieser Spitze steht. Der letzte Besuch des FCB in Bern war an Ostern sogar das grosse nationale Sport-Thema, weil man trotz grossen Vorsprungs den Gewinn des ersten Meistertitels nach 32 Jahren an diese eine Partie knüpfte.

Ein halbes Jahr später ist alles anders. Ist YB Meister. Schon wieder Tabellenführer. Und zeigt sich im ganz grossen Schaufenster. Alle nationalen Medien sind da und berichten lang und breit über die Premiere. Während der 90 Minuten gegen die United sind mehr Journalisten im Stadion, als es für sie Plätze hat. Und am Ende, als dann Basel aufs Tapet gebracht wird, da wirkt dies so, als ob man gerade an etwas erinnert wird, das man bei all dem Sternenliga-Tamtam vergessen hat: Stimmt … und der FCB kommt ja auch noch.

In den vergangenen Jahren ist es immer umgekehrt gewesen. Waren es die Basler, die nebenbei im Herbst auch noch ein bisschen Super League spielten. Nun sind die Rotblauen diejenigen, die dem Sonntag entgegenfiebern. Sie sind es, die hoffen, dass YB seiner emotionalen Premiere in der Champions League Tribut zollt. Denn sie sind es, die bereits satte neun Zähler Rückstand haben. Der FCB will dieses Spitzenspiel nutzen, um ein Zeichen zu setzen – wissend, dass er auch mit einem Sieg nicht an der Spitze steht.

Gerardo Seoane mag am Mittwoch gegen Mitternacht nicht auf die Frage vorbereitet gewesen sein. Vergessen, dass er am Sonntag gegen Basel spielt, hat er aber nicht: Als Manchester United 3:0 führt und die Lektion in Sachen Effizienz und Durchschlagskraft erteilt ist, nimmt er mit Guillaume Hoarau seinen wichtigsten Spieler raus. Ein Ehrentreffer wäre schön – ein etwas frischerer Hoarau könnte am Sonntag aber Gold wert sein. Schliesslich hat YB kein Interesse daran, Rotblau dabei behilflich zu sein, zurück in die Spur zu finden. Die bisherige Krise am Rheinknie darf ruhig anhalten, damit man die Nächte in der Champions League voll auskosten kann.

Weniger Nervosität als Fassnacht

Und wer weiss – vielleicht liegt ja für YB in dieser schwierigen Gruppe sogar etwas drin? Die erste halbe Stunde hat gezeigt, dass Punkte gegen Grosse auch für Berner nicht unerreichbar sind – so, wie der Rest gezeigt hat, dass es dazu mehr als eine starke halbe Stunde und viel weniger Nervosität braucht: Wie Christian Fassnacht überhastet mit den beiden grössten Berner Chancen auf die Führung umging, hatte etwas von Angst vor der eigenen Courage.

Wie viel Energie der erste Auftritt auf grösster Bühne bereits gekostet hat, wird man übermorgen sehen. Dann, wenn das nationale Spitzenspiel ansteht. Dann, wenn das für YB für einmal nicht der Höhepunkt einer Saison ist. Sondern nur die Rückkehr in die Normalität bedeutet.

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