Presseschau

Sonntagsblick vom 16.11.2008

Wer spielt für die schönere Stadt?

VON HEIKO OSTENDORP , THOMAS RENGGLI UND ROLF TRIULZI

TREFFEN

Basel gegen Zürich. Das ist heute um 14.15 Uhr (SF 2 live) nicht nur das heisseste Duell der Super League, sondern auch eine lang gewachsene Rivalität zweier Städte. Exklusiv für SonntagsBlick stellen Valentin Stocker und Florian Stahel ihre Arbeitsorte vor.

Pünktlich um 9 Uhr kommt Stocker (19) zum Treffpunkt an der FCB-Geschäftsstelle. «Ganz schön kalt geworden», murmelt er. Stimmt, noch ist es recht kühl vorm Joggeli: 4 Grad. Heute aber wird es richtig heiss hergehen. Denn der FC Zürich kommt nach Basel. Es ist das Duell des Leaders gegen den Top-Verfolger.

Stocker kam im Dezember 2005 zum FCB. «Mittlerweile fühle ich mich voll und ganz als Basler», sagt der Luzerner. Als er sich auf die Brüstung der Wettsteinbrücke setzt, leuchten seine Augen. Er zeigt auf das Basler Münster und schwärmt: «Basel ist wirklich eine tolle Stadt, ich fühle mich hier richtig wohl.»

In Zürich wachsen die Bäume zwar nicht immer in den Himmel. Doch für Florian Stahel, den 23-jährigen FCZ-Aussenverteidiger mit Wurzeln in Oerlikon, ist eine Brücke als Aussichtsplattform definitiv zu wenig: «Zürich ist die schönste Stadt der Welt. Und das sieht man von nirgendwo besser als vom Turm des Grossmünsters.» 62 Höhenmeter später sieht sich Stahel in seiner Meinung bestätigt: «Nur schon unser See ist doch wunderschön. In Basel haben sie bloss einen Fluss und die Kamine der Chemiefabriken.»

Das sieht Stocker etwas anders. Gerne zieht es ihn in die Altstadt -zu seinem Lieblingscafé «Starbucks». «Hier bin ich fast jeden Tag. Cooler Laden, nette Leute.» Am liebsten trinkt Stocker hier Caramel Macchiato. Der würde ihm zwar auch in Zürich schmecken, «aber so oft bin ich dort nicht. Höchstens mal zum Einkaufen.» Und einen Wechsel zum Konkurrenten kann sich Stocker schon gar nicht vorstellen: «Zum FCZ würde ich niemals gehen. Wenn ich den FCB irgendwann mal verlassen sollte, dann sicher nicht, um einen Schritt zurück oder zur Seite zu machen.»

Stahel teilt diese Meinung -wenn auch aus anderer Perspektive: «Ich bin in Zürich zu Hause. Hier habe ich meine Familie, Kollegen und meine Freundin. Ich reise zwar gerne. Doch jedes Mal, wenn ich aus den Ferien zurückkomme, bin ich froh, wieder in Zürich zu sein.» Schliesslich gibt es hier auch nach der Dämmerung genügend Unterhaltungsmöglichkeiten. «Das Niederdorf ist immer einen Besuch wert. Wenn das Lokal dann sogar noch Züri Bar heisst, umso besser.» Beim Ausgang setzt sich Stahel aber strikte Richtlinien: «Ab zwei Tage vor dem Spiel läuft gar nichts mehr. Aber an unseren Freitagen unternehmen wir auch im Mannschaftskreis schon mal etwas.» Und wohin führt er seine Freundin aus, wenn ein romantisches Abendessen angesagt ist? «Was ich empfehlen kann, ist das Uto-Kulm auf dem Uetliberg. Dort hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt. Doch ich fühle mich auch in einem weniger noblen Ambiente wohl.»

Stahel weiss, wovon er spricht. Denn schliesslich spielt er für den Zürcher Arbeiterklub: «Natürlich ist auch unser Budget längst im zweistelligen Millionenbereich. Doch der FCZ verkörpert weiterhin die Arbeiterklasse». Auch deshalb bezeichnet er den Helvetiaplatz im Herzen des Kreises 4 als seinen Lieblingsplatz: «Das ist ein echter FCZ-Platz, ein Symbol der Arbeiterbewegung. Deshalb haben wir hier unsere beiden Meistertitel gefeiert.»

An seinen ersten Meistertitel erinnert sich auch Valentin Stocker gerne. Spätestens seit seinem Tor gegen YB zum Titelgewinn im vergangenen Sommer ist er in Basel ein Held. Und zwei Mal durfte er schon auf dem Balkon am Barfüsser-Platz stehen. Zur Meisterfeier und zum Cup-Sieg. Jetzt steht er dort wieder und schwelgt in seinen Erinnerungen: «Das war unglaublich. Wir sind mit dem Bus durch die Gassen gefahren, überall waren Menschen. Insgesamt waren, glaube ich, fast 40 000 dort. Natürlich will ich dort nächsten Sommer wieder stehen.»

Dazu sollte der FCB den FCZ heute schlagen. Auch wenn Stocker meint: «Das Spiel ist wichtig, wir wollen unbedingt gewinnen. Aber auch bei einer Niederlage geht die Welt nicht unter.»

Vor oder nach den Spielen schlendert er gerne mit seiner Freundin (natürlich eine Baslerin) am Rhein entlang. Mit Blick aufs Wasser an der Schiffslände fällt Stocker plötzlich ein: «Hier sind wir mit dem FCB doch schon mal auf dem Boot gewesen.» Überhaupt spielt sich das Leben des Überfliegers fast nur beim, mit und um den FCB ab. «Mit Ausgang habe ich nicht viel am Hut, ehrlich.»

Dafür bleibt neben Super League, Cup-Matches, Champions League und Nati wenig Zeit. Mittwoch muss Stocker mal wieder mit der U21 in Athen gegen Griechenland ran.

Auf dem Weg zu seinem Lieblingsplatz kommen wir am Tinguely-Brunnen vorbei. Im Hintergrund lacht die Sonne über den Dächern von Basel. Eine Gruppe von Passanten hat Stocker erkannt, die Leute tuscheln hinter vorgehaltener Hand. Kommt es häufig vor, dass Sie angesprochen werden? Der Flügelflitzer: «Klar kommt es öfter mal vor, aber das gehört dazu. Ich gebe gerne Autogramme oder bin zu einem Foto bereit. Solange es sich in Grenzen hält.»

Gut 80 Kilometer entfernt von der Basler Stadtgrenze macht Stahel den «Touristen-Führer». Dabei sind Denkmäler nicht unbedingt seine Sache. Doch an Huldrych Zwingli kommt auch der Aussenverteidiger nicht vorbei. Leicht belustigt blickt er ins steinerne Gesichts des gestrengen Reformators. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Zwingli ein FCZ-Fan gewesen wäre. In der Südkurve hätte er sich kaum wohl gefühlt. Und Pyros wären garantiert nicht sein Ding gewesen.»

Eine aufgeheizte Stimmung, hoffentlich ohne Pyros, wird es auch heute im Joggeli geben. Auch bei Stocker, der sich die Füsse mittlerweile warm gelaufen hat, steigt die Vorfreude auf den Spitzenkampf: «Das wird ein Spiel voller Emotionen. Zu Hause gegen den FCZ ist es immer sehr speziell.»

Vor zwei Jahren sass Valentin noch zu Hause vor dem TV, als es im Joggeli knallte, der Match zur «Schande von Basel» wurde. «Das war erschreckend, schlimm», sagt Stocker. «Bei aller Rivalität darf so etwas nie passieren, dass man als Fussballer Angst haben muss.»

In Zürich endetder Stadtrundgang an der Seepromenade, einem Ort den es so in Basel nicht gibt. «Ich könnte mir wirklich nie vorstellen, in Basel zu leben. Zürich ist eine Weltstadt und hier gehöre ich hin», sagt Stahel voller Überzeugung. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch die Frage nach seinem Lieblingsort in Basel. Denn die Antwort kennt jeder Zürcher ganz genau: Der Bahnhof SBB, der Ort, von dem die Züge nach Zürich zurückfahren.

FCB-Stocker

DIE STADT IM HINTERGRUND

Valentin Stocker auf der Wettsteinbrücke in Basel - Florian Stahel auf dem Turm des Grossmünsters in Zürich (rechts).

Das Denkmal

DER KÜNSTLER

Der Basler Flügelflitzer mit einer Einlage als Kunstturner beim Tinguely-Brunnen.

DER REFORMATOR

«Ich kann mir nicht vorstellen, dass Zwingli ein FCZ-Fan gewesen wäre.»

Fotos: Kathi Bettels (Basel) , Eddy Risch (Zürich)

FCZ-Stahel

Der Lieblingsplatz

BARFÜSSERPLATZ

Schon zwei Mal konnte sich Stocker hier von den FCB-Fans bejubeln lassen -als Meister und Cupsieger.

HELVETIAPLATZ

Das Zentrum der Arbeiterbewegung ist perfekt für die Meisterfeiern des Zürcher Arbeiterklubs.

Der Ausgang

CARAMEL MACCHIATO

«Cooler Laden, nette Leute. Ich bin fast jeden Tag hier.»

DER NAME KLINGT WIE MUSIK

«Die Züri Bar im Niederdorf ist immer einen Besuch wert.

Das Wasser

LOBLIED AUF BASEL

«Mittlerweile fühle ich mich ganz und gar als Basler. Das ist eine tolle Stadt. Zum FCZ würde ich niemals gehen.»

LOBLIED AUF ZÜRICH

«Der See in Zürich ist wunderschön. In Basel haben sie bloss einen Fluss und die Kamine der Chemiefabriken.»

Zurück