Basler Zeitung vom 17.08.2013
Der BSC Old Boys hofft gegen den FCB auf ein tolles Fest – gibt sich aber ambitionslos
Von Adrien Reymond und Andreas W. Schmid
Basel. Die eingefleischten FCB-Fans haben jenes Spiel, das sich heute vor genau 22 Jahren ereignete, längst aus ihren Köpfen verbannt. Der FC Basel und die Old Boys trennten damals im Sommer 1991 noch nicht zwei Klassen wie heute, stattdessen begegneten sich die Stadtrivalen auf Augenhöhe – allerdings nur, was die Ligazugehörigkeit anbelangte. Spielerisch waren die Old Boys in jener Partie um mindestens eine Klasse besser, was sich auch im Resultat niederschlug: Gleich mit 4:0 fertigten die Gelbschwarzen Rotblau ab. Die FCB-Spieler und ihr Trainer Ernst-August Künnecke schlichen mit den Köpfen auf Knöchelhöhe von der Schützenmatte. Der Beste, so stand es damals in der BaZ, sei noch Massimo Ceccaroni gewesen.
Legendär auch das Duell zwischen den beiden Vereinen zwei Jahre später: Am 11. September 1993 erzielte besagter Ceccaroni beim 6:1 gegen OB kurz vor der Pause das 1:0 für den FCB: Mit einem fantastischen Schuss ins Lattendreieck fast von der Grundlinie aus, wie er – Zitat BaZ – «selbst famosen Technikern nur einmal auf tausend Versuche gelingt!» Da hatte auch Radio Luxemburg, das wegen des damaligen OB-Spielers und heutigen St.-Gallen-Trainers Jeff Saibene jene Partie live in die heimatlichen Stuben übertrug, seine besondere Story.
Heute Abend, wenn sich die beiden Clubs in der 1. Hauptrunde des Schweizer Cups um 18 Uhr auf der Schützenmatte gegenüberstehen, ist Radio Luxemburg natürlich nicht mehr dabei, stattdessen wird die Partie per Livestream (vgl. «Von Rot bis Blau» nebenan) übertragen. Letztmals trafen die Basler Traditionsvereine 2005 aufeinander: Der FCB gewann ebenfalls im Cup mit 6:1. Die Old Boys hatten nicht den Hauch einer Chance.
Spiel gegen den Lieblingsverein
Auch für das heutige Cup-Derby machen sich die Old Boys, die der 1. Liga Promotion angehören, keine allzu grossen Hoffnungen. Für sie geht es vielmehr ums Erlebnis, einmal gegen den Schweizer Krösus spielen zu dürfen. Die meisten OB-Akteure bezeichnen den FCB als ihren Lieblingsverein. Im Training spüre man die Anspannung und erhöhte Konzentration, da jeder spielen wolle, sagt Mittelfeldspieler und Teamstütze Patrik Breton. «Wir möchten unsere Haut zwar teuer verkaufen, und jeder wird das Allerbeste aus sich herausholen. Aber auch dann sind wir kein Champions-League-Teilnehmer», hält Trainer Roger Hegi den Ball flach. Kein Wort über allfällige Ambitionen, eine Runde weiterzukommen – auch wenn der FC Basel nicht in seiner Bestbesetzung aufläuft und FCB-Trainer Murat Yakin während der Partie in Bulgarien weilt. Patrik Breton sagt zwar, «dass es schlecht wäre, wenn ich sagen würde, dass wir nicht darüber sprechen», aber wirklich ein Thema sei eine mögliche Überraschung trotzdem nicht.
Die Statistik gibt auch keinen Anlass für eine andere Erwartungshaltung. Der FC Basel scheiterte als Vertreter der höchsten Schweizer Spielklasse letztmals gegen den FC Mendrisio in der Saison 1982/83 an einem drittklassigen Gegner im Schweizer Cup. Ansonsten löste er Aufgaben dieses Stärkeverhältnisses zumeist souverän.
Schleppender Vorverkauf
Obwohl die Partie vor allem aufgrund der einstigen Rivalität in den Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre ihren Reiz hat, verlief der Vorverkauf bisher schleppend. Bis gestern sah es jedenfalls nicht danach aus, als ob die Zuschauerzahl aus dem letzten Derby im Jahre 2005, als 6200 kamen, nochmals erreicht würde. Das könnte auch mit den Preisen zusammenhängen: Dass ein Besucher 22 Franken zahlen muss, um ein Stehplatzticket zu erstehen, sorgt vielerorts und insbesondere in den einschlägigen Fanforen für Kritik – Kritik, die bis zu Rafet Öztürk, dem Leiter der Geschäftsstelle von OB, durchdrang. Dieser gibt sich jedoch gelassen und erklärt, wie die Preise festgelegt wurden. «Es war nicht einfach, alle Interessen unter einem Hut zu bringen. Ticketcorner hat das Verkaufsmonopol, und wir haben recherchiert, was die FCB-Fans an Auswärtspartien in der Regel bezahlen», berichtet der Geschäftsstellenleiter, «und haben uns dann nach unten orientiert.»
Ein Blick auf die Homepage von Ticketcorner zeigt, dass sich die Billettpreise tatsächlich im durchschnittlichen Rahmen solcher Partien der 1. Cup-Hauptrunde befinden, an denen ein Super-League-Vertreter beteiligt ist. Im Übrigen kommt ein allfälliger Gewinn zum grössten Teil einer sinnvollen Sache, nämlich dem OB-Nachwuchs, zugute. Die meisten Junioren- und Seniorenteams der Old Boys haben denn auch eine Aufgabe zugeteilt bekommen. Damit das Spiel zwischen David und Goliath zu einem «echten Freudenfest für Fussball-Basel wird», wie Öztürk sagt.
Das sagen vier Old-Boys-Exponenten vor dem grossen Cupspiel
Patrik Breton: Ein teuer erkauftes Los
Mittelfeldmann Patrik Breton hat das Trikot aller drei grossen Stadtclubs getragen. Angefangen bei den Old Boys, fand er über Concordia und die U21 des FC Basel den Weg zurück auf die Schützenmatte. Er ist der dienstälteste Akteur des Teams und hofft, «dass für einmal mehr als 100 Leute kommen. Schliesslich haben wir viel bezahlt, damit wir den FC Basel zugelost bekommen», wie er scherzend erklärt. Das Weiterkommen sei für ihn kein Thema, gibt der 27-Jährige zu und hofft trotzdem, dass das Gefühl der Zuneigung zum FCB, das fast alle OB-Spieler haben, spätestens bei Anpfiff weg sein wird.
Roger Hegi: Plötzlich sind alle zurück
Könnte man im Cup mehr als bloss drei Ein- und Auswechslungen vornehmen, Roger Hegi würde heute von dieser Regel mit Bestimmtheit Gebrauch machen.
Pünktlich zur Vorbereitungswoche auf die herbeigesehnte Begegnung mit dem FCB haben sich sämtliche Akteure zurückgemeldet. Doch bloss 18 werden es auf das Matchblatt schaffen und maximal 14 werden eingesetzt. «Es wird einige Härtefälle geben», gibt Hegi zu. Der OB-Trainer kündigt auch an, dass sein Team nicht Beton mischen werde, «sonst wäre es nur eine Frage der Zeit, bis das Gegentor fällt. Wir wollen Chancen kreieren, das ist ganz wichtig.»
Dejan Jakovljevic: Einer, der weiss, wie es geht
Natürlich, Servette Genf kann man nicht mit dem FC Basel vergleichen. Trotzdem kann Dejan Jakovljevic von sich behaupten, Goliath schon einmal geschlagen zu haben. Letzte Saison traf Jakovljevic für den SC Cham in der 82. Minute zum 1:1-Ausgleich gegen den damaligen Super-League-Vertreter aus Genf und leitete damit den 2:1-Überraschungssieg in der 1. Cuprunde ein. Wie ist also der FCB zu schlagen? «Die erste halbe Stunde ohne Gegentor überstehen. Dann kommt das Selbstvertrauen und der Favorit könnte nervös werden. Wir werden uns nicht verstecken», sagt der 21-jährige Bosnier.
Rafet Öztürk: Grosse Freude und viel Arbeit
Bei Rafet Öztürk kommen alle Fäden der OB-Fussballabteilung zusammen. Seit Sommer ist er vollamtlicher Sportchef und Leiter der Geschäftsstelle bei den Old Boys und damit auch für die Organisation des Cupspiels verantwortlich. Er hat den gesamten Basler Sport-Club mobilisiert, um rund um die Partie genügend Manpower zur Verfügung zu haben, damit der Anlass reibungslos über die Bühne geht. Öztürk ist immer noch voller Freude über das Losglück, «aber im Lotto hat man ja auch praktisch keine Chance, und gewinnen tut trotzdem immer jemand. Jetzt waren wir es», sagt der Geschäftsstellenleiter.
ar