Schweiz am Sonntag vom 02.08.2015
Gion Fadri Chande steht im Tor des Schweizer U17-Nationalteams und der U18-Equipe des FC Basel
Früh ist Gion Fadri Chande aus Graubünden weggezogen, um im FC Basel seinen Traum vom Fussballprofi zu verfolgen. Der mutmasslich hoffnungsvollste Bündner Nachwuchskicker hält den Ball trotz Einsätzen im U17-Nationalteam aber betont flach.
Von Johannes Kaufmann
Seit zwei Jahren ist Gion Fadri Chande dort, wo die meisten Schweizer Fussballer hinwollen: beim nationalen Branchenprimus FC Basel. Klar, der 17-Jährige aus Thusis gehört lediglich der Nachwuchsabteilung an. Und der Weg in das Profikader ist noch weit und voller Hindernisse. Chande macht sich in dieser Hinsicht nichts vor. «Im Fussball», sinniert er, «musst du immer auch das nötige Glück auf deiner Seite haben.» Wiederholt lässt der Torhüter im Gespräch eine gewisse Demut durchblicken. Es sind definitiv nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um in diesem Business bestehen zu können.
Immerhin durfte Chande vor zwei Jahren erleben, dass sich die Verantwortlichen des FCB mit vollstem Engagement für seine Verpflichtung einsetzten. Eigentlich fühlte sich Chande ja beim FC St. Gallen bestens aufgehoben. Früh war er nach den Anfängen im Stammverein FC Thusis-Cazis und einer Übergangsphase in den Nachwuchsequipen des Bündner Fussballverbandes (BFV) mit 13 Jahren zum Ostschweizer Branchenführer gewechselt.
Dem Lockruf des FCB leistete Chande dann trotzdem Folge. Er nennt die besseren Möglichkeiten, um den heiklen Spagat zwischen Schule und Spitzensport zu meistern. Der schweizerisch-portugiesische Doppelbürger besucht in Basel eine Sportlerklasse. Es ist kein Problem, den Stundenplan auf die Bedürfnisse eines Leistungssportlers auszurichten. Und Chande nennt noch weitere Gründe für den Tapetenwechsel. «Der FCB ist im Nachwuchsbereich im Vergleich zum FC St. Gallen eine Spur professioneller aufgestellt. Für meinen aktuellen Verein sprach auch die höhere Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs- und Profikader.» In der Tat schafften in der jüngeren Vergangenheit viele hauseigene FCB-Nachwuchskicker den Weg in die erste Mannschaft. Der auch im Ausbildungsbereich führende Schweizer Verein lässt beim Kampf um die besten Talente des Landes gerne die Muskeln spielen. Chande nennt Breel Embolo als grosse Motivation. Das FCB-Sturmjuwel bezeichnet der Thusner als Kollegen. Man kennt sich aus gemeinsamen Zeiten im Nachwuchs. «Embolo lebt vor, dass der vereinsinterne Aufstieg zu den Profis möglich ist», sagt Chande.
Als Torhüter hinkt Chande da folgerichtig etwas hinterher. Dies betrifft auch seine Körpergrösse, einen essenziellen Bereich für einen Schlussmann. Mit 1,79 Metern ist er in dieser Hinsicht benachteiligt. Ein Grund zur Beunruhigung? Nein, sagt Chande seelenruhig. «Der Arzt rechnete aus, dass ich dereinst 1,83 Meter gross werde. Vielleicht auch noch drei, vier Zentimeter grösser.» 1,83 Meter ist exakt die Länge seines grossen Vorbilds Yann Sommer. Chande durfte den früheren FCB-Stammtorhüter, der mittlerweile im Kasten von Borussia Mönchengladbach in der deutschen Bundesliga für Furore sorgt, in seinem ersten Jahr am Rheinknie noch hautnah beobachten. «Sommer war sehr umgänglich, er war spontan immer für einen verbalen Austausch unter Torhütern zu haben», erinnert sich Chande. Der zweite Grund für die Vorbildfunktion ist Sommers Torhüterstil. «Er besticht durch sein komplettes Repertoire, vor allem aber auch durch seine Persönlichkeit», urteilt Chande, dessen Name übrigens «Schand» ausgesprochen wird.
Als Unterjahrgang zählte Chande, dessen älterer Bruder Rui Chande bis 2013/14 bei Chur 97 ebenfalls als Torhüter engagiert war, bereits in der vergangenen Spielzeit zur U18-Equipe des FC Basel. Seine Einsätze bestritt er jedoch eine Stufe tiefer bei der U17, mit der er den Schweizer Meistertitel gewann. Ab dieser Saison zählt Chande fix zur von Raphael Wicky trainierten U18-Equipe. Natürlich lobt Chande den Walliser Ex-Internationalen als «sehr guten Trainer.» Es seit spürbar, dass Wicky seine Profilaufbahn erst vor wenigen Jahren abgeschlossen habe.
Chandes Perspektiven in der neuen Saison? «Mir wurde kommuniziert, dass ich die Nummer 1 im Tor bin», sagt er bestimmt. Ebenso hofft er, das nach Einsätzen fürs U17-Nationalteam in der nächsthöheren Stufe (U19) weitere Partien mit dem Schweizerkreuz auf der Brust hinzukommen. Zu verbessern gibt es derweil im Torhüterspiel einiges. Erste Trainingseinheiten mit dem Fanionteam, aber auch der hauseigenen U21-Equipe führten dies Chande klar vor Augen. In nahezu sämtlichen Bereichen ortet der Nachwuchskeeper beträchtliches Steigerungspotenzial. Er tut dies in Basel unter den Fittichen von Torhütertrainer Michaël Bauch, den Chande noch vor Wicky als wichtigste sportliche Bezugsperson bezeichnet. Trainiert wird im Verein und Nationalteam nach einheitlichen Kriterien. Dass die Schweizer Torhüterzunft dank Sommer, Roman Bürki, Marwin Hitz und Diego Benaglio aktuell für Aufsehen in der deutschen Bundesliga sorgt, ist für Chande kein Zufall. Er sagt: «Die Torhüterausbildung in der Schweiz ist vorbildhaft.»
Die Rahmenbedingungen passen. Jetzt liegt es also am Thusner Rohdiamanten und am gerade bei Torhütern essenziellen Schlachtenglück, ob er den Sprung in den Profifussball dereinst packt. Nach der Matura im kommenden Jahr will er voll auf die Karte Fussball setzen. Der mittelfristige Anspruch ist hoch: ein Platz in der Super League – in welchem Team auch immer – ist das Ziel. Für den Fall des Scheiterns ist Chande indes gewappnet. Fremdsprachen will er ohnehin erlernen neben dem Fussball. Dazu äussert er loses Interesse an einem Sportlehrerstudium. Nein, Gion Fadri Chande ist nicht bloss auf Fussball fixiert. Er sagt: «Es ist wichtig, einen Plan B zu haben.»