Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 16.05.2018

Gemischte Gefühle

Fussball Für Dimitri Oberlin und Albian AJeti gibt es Grund zur Freude – bei Valentin Stocker hingegen Grund für Frust

Céline Feller

Diese zwölf Sekunden werden bis zu seinem Karriereende mit ihm Verbindung gebracht werden. Zwölf Sekunden, in denen Dimitri Oberlin 90 Meter auf einem Fussballfeld hinter sich lässt und vom Retter in der Defensive zum Skorer in der Offensive wird.

Abgespielt hat sich diese Szene am 27. September im Spiel des FC Basel gegen Benfica Lissabon, das in einem sensationellen 5:0 endete. Oberlin klärt den Ball am eigenen Strafraum, köpft ihn zu Renato Steffen, sprintet mit einer Geschwindigkeit von 38 Stundenkilometern an den gegnerischen Strafraum, bekommt dort den Ball von Steffen zurück und erzielt das 2:0. Es ist der grösste Abend «eines der grössten Talente Europas», wie FCB-Sportchef Marco Streller Dimitri Oberlin nach dessen Verpflichtung im Juli letzten Jahres angepriesen hatte.

Wie talentiert dieser erst 20-jährige Schweizer Nationalspieler mit kamerunischen Wurzeln tatsächlich ist, hat man nicht nur in dieser Szene gesehen. Immer wieder blitzt sein Genie auf. In der Champions-League-Kampagne glänzte er mit starken Auftritten und vier Toren in acht Spielen. Die grosse Bühne behagt ihm. In der Liga aber zeigt Oberlin jeweils sein anderes Gesicht. Jenes, das bei der Frage nach dem Sinn einer fixen Verpflichtung stets eine grosse Rolle gespielt hat. Bislang war Oberlin nämlich nur von RB Salzburg ausgeliehen, nun aber hat der FCB die Kaufoption gezogen, gestern wurde die definitive Übernahme verkündet. Bis 2022 hat man ihn vertraglich an Basel gebunden. Die Frage, ob der FCB ihn behalten will, ist also geklärt. Die Sinnfrage, die bleibt aber weiter offen. Denn Dimitri Oberlins zweites Gesicht, jenes der Super League, ist eines, das nicht überzeugt. Zu wirr, zu unklar, zu technisch unsicher wirkt er meist. Es ist keine Seltenheit, wenn er den Ball in der Vorwärtsbewegung vergisst oder im entscheidenden Moment die falsche Entscheidung vor dem Tor trifft. Das streitet auch sein Trainer nicht ab, sagt, man müsse genau daran noch mit ihm arbeiten.

Noch keine Angebote

Entscheidend verbessern konnte sich Oberlin seit seiner Ankunft in Basel aber noch nicht. Auch deshalb hat er zuletzt weniger Einsatzzeiten aufzuweisen. Seit der Nati-Pause im März ist er gar etwas zur Randfigur verkommen, sein längster Einsatz dauerte gerade mal 36 Minuten. Drei Mal schmorte er gar 90 Minuten auf der Bank. Betrachtet man diese Statistiken und die letzten Auftritte – das Tor gegen YB hin oder her – ist der Transfer unverständlich und riskant. Es ist aber auch ein Risiko, das sich auszahlen kann. Denn Oberlin soll dereinst für mehr als die investierten kolportierten 5,4 Millionen Euro weiterkauft werden. Das könnte gar schon diesen Sommer passieren. Stand gestern hatte der FCB zwar noch kein Angebot für ihn auf dem Tisch liegen, wie auf Anfrage erklärt wird. Man geht also davon aus, dass er nicht gleich wieder weg ist, kaum ist er definitiv verpflichtet. Nur: Das Transferfenster öffnet erst morgen. Und erst dann kommt wirklich Bewegung in den Markt. Dass jetzt noch nichts vorliegt, heisst gar nichts. Rund um seine starken Champions-League-Auftritte wurde er mit diversen Klubs in den führenden Ligen in Verbindung gebracht. Und für FCB-Präsident Bernhard Burgener ist sowieso klar, wo Oberlins Entwicklung hinführt, schliesslich zog er zuletzt einen Vergleich zu Mohamed Salah. Wie realistischer dieser ist, sei dahin gestellt.

Oberlin ist mit Sicherheit auch ein Spektakel-Spieler. Das hat er bewiesen – leider nur zu selten. Will er sich beim FCB wieder in die Stammelf und auf den Radar grosser Klubs spielen, muss er zwingend konstanter und klarer werden. Dann ist er entweder auf dem Platz wieder jener Gewinn, der er sein soll. Oder er sorgt für einen finanziellen Gewinn. Gelingt ihm das nicht, ist er ein für FCB-Verhältnisse teures Missverständnis. Es ist diese Diskrepanz in den Leistungen Oberlins sowie in den möglichen Szenarien seiner Entwicklung, die einen nach dieser Vollzugsmeldung mit gemischten Gefühlen zurücklässt.

Die Überraschung im Nati-Kader

Aber nicht nur das sorgt in Basel momentan für unterschiedliche Stimmungslagen, sondern auch das in der Nacht auf Dienstag eingereichte, 35 Mann fassende Kader der Schweizer Nationalmannschaft für die WM in Russland. Während damit gerechnet werden durfte, dass die Namen von Michael Lang, Fabian Frei, Luca Zuffi und Oberlin darauf zu finden sind, ist ein Name eher überraschend aufgelistet: jener von Albian Ajeti. Der 21-jährige FCB-Stürmer gehört zum ersten Mal zum erweiterten Kreis der A-Nationalmannschaft. Gelungen ist ihm das mit seinem beeindruckenden Saison-Endspurt. Sechs Tore hat er in den letzten vier Partien erzielt, zwei Mal davon kam er erst in den Schlussminuten von der Bank und demonstrierte damit seine Joker-Qualitäten. Die überragende Quote hievte ihn auch an die Spitze der Torschützenliste der Liga. Kann er im letzten Spiel Verfolger Guillaume Hoarau auf Distanz halten, holt zumindest Ajeti sich in dieser Saison einen Titel. Die Chancen stehen gut, momentan scheint ihm fast alles zu gelingen. Und das Nati-Aufgebot wird zusätzlich beflügeln und motivieren. Eher demoralisiert dürfte hingegen Valentin Stocker sein, er fehlt auf der Kader-Liste. Es ist das passende Ende einer verkorksten Saison, die der FCB-Rückkehrer wohl so schnell wie möglich vergessen will.

5,4

Millionen Euro hat der FC Basel an RB Salzburg für Dimitri Oberlin überwiesen. Diese Summe, in der die Leihgebühr von einer halben Million für die noch laufende Saison bereits enthalten ist, wurde bereits im letzten Sommer in Oberlins Leihvertrag festgehalten. Der FCB konnte sich bis Ende April entscheiden, diese Option zu ziehen – was er getan hat.

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