Presseschau

Sonntagsblick vom 29.11.2020

«Er war ein Rebell»

Mit 13 verfällt er dem Alkohol, mit 21 wird er vom FCB rasiert, mit 32 läuft er doch noch für seinen Herzensklub auf. Die Story von Timm Klose hat Potenzial für ein Buch. SonntagsBlick hat sich umgehört.

STEFAN KREIS

Timm Klose kann manchmal eine Nervensäge sein! Vor allem wenns um den Klub seines Herzens geht. «Seit einer Ewigkeit lag er mir in den Ohren, dass ich ihn endlich zurück zum FC Basel bringen soll», sagt Kloses Berater Gaetano Giallanza. «Er hat mit Wolfsburg Champions League gespielt, aber nur vom FCB gesprochen. War mit Norwich in der Premier League, aber in Gedanken in Basel.»

Nun hats endlich geklappt, der verlorene Sohn ist zurück. Elf Jahre nachdem die Verantwortlichen um den damaligen Cheftrainer Thorsten Fink Klose mitteilen, dass es nicht für die erste Mannschaft reichen wird. «Ein unbeschreibliches Gefühl, auch wenn wir vor leeren Rängen haben spielen müssen», sagt Klose nach dem 2:1 gegen Lausanne, seinem ersten Spiel als Profi im Joggeli.

Genugtuung, es Fink gezeigt zu haben? Verspürt er nicht. «Klar hat es damals weh getan, aber das Ganze hat mich motiviert. Fink sagte mir, dass es nicht reichen würde, deshalb wollte ich es ihm zeigen. Während meiner ganzen Karriere höre ich schon, dass ich zu langsam sei, zu unbeweglich. Und doch bin ich meinen Weg gegangen.» Murat Yakin holt Klose zum FC Thun, er sei «wie ein Mentor» gewesen, sagt der Innenverteidiger. Via Nürnberg und Wolfsburg schaffts Klose in die Premier League.

Und Fink? Der ist mittlerweile voll des Lobes für den 1,95-m-Turm. «Timm hat einen hervorragenden Werdegang hingelegt. Er ist kopfballstark, defensiv wie offensiv präsent und auch charakterlich top. Ich freue mich für ihn, dass sein Traum in Erfüllung gegangen ist und er wieder beim FCB spielt.»

Klose sagt: «Ich liebe es, zu träumen. Es ist so wichtig.» Mit sechs tritt er den Old Boys Basel bei, sein damaliger Juniorentrainer Roman Wipfli erinnert sich an ein «Schlitzohr» zurück. «Ich kann mich noch gut an unser erstes Spiel erinnern, nach Abpfiff sind wir zusammen gesessen, und er sagte: ‹Gäll, ich war der Beste!› Natürlich durfte ich das nicht laut vor allen bestätigen, aber es war so.»

Klose sei schon als Kind sehr robust gewesen. Und auch neben dem Platz ein Gewinn. «Das hat sich bis heute nicht geändert, wenn wir uns sehen, umarmt er mich immer», sagt Wipfli.

Mit 15 wechselt Klose zum grossen FC Basel. Zwei Jahre zuvor macht er die grösste Krise seines Lebens durch. Er fängt an, Alkohol zu konsumieren und zu rauchen. In einem Interview bei Norwich City vor einem Jahr, anlässlich vom «Tag der psychischen Gesundheit», sagte er: «Meine Freunde waren alle etwas älter, also trank ich mit ihnen Alkohol und rauchte.»

Klose fiel in ein tiefes Loch, wollte mit dem Fussball aufhören. «Ich dachte, das wäre ein Befreiung von all dem Druck.» Es kommt anders, Klose trank immer mehr, fing an zu kiffen. Dann aber hatte er eine Art Erweckungserlebnis: «Eines Nachts hatte ich fast eine Herzattacke. Ich landete auf einer Parkbank in der Nähe eines Sees. Ich weiss nicht, wo das war. Ich war ganz alleine und wusste: Jetzt muss ich endlich aufwachen!»

Klose wacht auf, findet wieder in die Spur. Halt gibt ihm Mentaltrainer Christian Marcolli, noch heute telefonieren die beiden fast wöchentlich miteinander. Seine Eltern und seine Zwillingsschwester Zoe sind ebenfalls wichtige Bezugspersonen. Zoe, eine bekannte Basler Modedesignerin, sagt, Timm sei «ein mega Rebell» gewesen, was zeitweise anstrengend gewesen sei. «Aber immerhin war immer was los.» Ihr Bruder sei schon immer jemand gewesen, der etwas bewegt, der Verantwortung übernommen habe. Timms Erfolgsgeheimnis? «Er denkt immer positiv und geht mit einer tollen Einstellung durchs Leben. Und er vergisst das Lachen nie.» Zudem könne man sich zu 100 Prozent auf ihn verlassen, sagt Zoe.

Sieht auch Kloses Ehefrau Fabienne so. Die ist seit 16 Jahren an Timms Seite. Und fordert ihn jeden Tag, wie der FCB-Verteidiger verrät. «Sie ist wohl intelligenter als ich, hat den Master und etliche andere Ausbildungen. Da ist es manchmal schwierig, ihr zu sagen, dass ich bloss Kopfbälle mache», sagt Klose mit einem Lachen. Um sich selbst zu fordern, arbeitet er an seinem Trainer-Diplom und absolviert einen Sportmanagement-Kurs.

Ob er irgendwann nach dem Ende seiner Aktivkarriere eine Funktion beim FCB übernehmen wird? Gut möglich. Noch aber steht Klose für seinen Herzensklub auf dem Platz. Heute gegen Lugano zum dritten Mal.

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