Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 04.03.2021

«Es gab keinen Grund einzugreifen»

Der Basler Polizeikommandant Martin Roth nimmt Stellung zur Demonstration von 1000 FCB-Fans am Montag.

Jonas Hoskyn

Herr Roth, am Montag Abend haben rund 1000 Fans des FC Basel in der Innenstadt gegen die aktuelle Clubführung demonstriert. Die Polizei hat die Kundgebung spontan bewilligt. Wieso?

Martin Roth: Das war eine Spontandemo, die sich relativ schnell selber formiert hat aufgrund eines Ereignisses beim FCB. Gemäss der Covid-Verordnung des Bundes bleiben Demonstrationen und Kundgebungen erlaubt. Selbstverständlich hatten wir die Situation im Auge. Der Anlass blieb friedlich und es kam zu keinen Sachbeschädigungen. Deshalb haben wir die Demonstration laufen lassen.

Wer hat am Montag den Entscheid gefällt: Der Einsatzleiter, der Polizeikommandant oder die Departementsvorsteherin Stephanie Eymann?

Solche Entscheide fällt immer die Kantonspolizei. Ich war selber am Montag Abend nicht im Einsatz, aber ich wusste Bescheid. Bei einer solchen Spontandemonstration wird der Dienstoffizier avisiert und er muss dann relativ schnell entscheiden. Dieser war am Montag mit dem Kommandopikett vor Ort. Grundsätzlich bin ich als Kommandant aber natürlich für die Entscheide verantwortlich.

Seit Montag sind wieder Treffen mit bis zu 15 Personen möglich. Am gleichen Abend ziehen 1000 Personen dicht gedrängt und gröhlend durch die Stadt. Für viele sind solche Bilder in der aktuellen Situation stossend.

Da muss man unterscheiden. Es gibt die 15er-Regel des Bundes. Diese gilt selbstverständlich. Aber Kundgebungen sind davon ausgenommen. Das mag teilweise schwer nachvollziehbar sein, aber es ist ein Fakt.

Wäre es für die Polizei überhaupt möglich gewesen, anders zu reagieren angesichts der kurzen Zeitdauer und der Grösse der FCB-Demo?

Das ist eine taktische Frage. Wir verfolgen die sogenannte 3D-Strategie: Zuerst Dialog, dann Deeskalation und zuletzt Durchgreifen. Und wenn eine Demonstration friedlich abläuft und keine Sachbeschädigungen stattfinden, wäre es unverhältnismässig, wenn wir durchgreifen würden.

Ganz konkret: Könnte die Basler Polizei innerhalb weniger Stunden überhaupt genügend Personal mobilisieren, um bei 1000 FCB-Fans durchgreifen zu können? Oder gibt es einen Punkt, an dem die Masse so gross ist, dass alles andere als laufen lassen zu riskant wäre?

Es stimmt: Ab einer gewissen Grössenordnung sind die Verhältnisse so, dass ein Durchgreifen der Kantonspolizei nicht mehr gut enden würde. In einer solchen Situation stellt sich weniger die Frage, ob, sondern, wie man durchgreifen will. Das gehört alles in die Lagebeurteilung des Einsatzleiters. Er muss schauen, welche Kräfte stehen ihm zur Verfügung, wie verhält sich die Gegenseite: Gibt es Aggressionen? Im konkreten Fall hat man festgestellt, dass sich spontan eine Kundgebung formiert hat, und dass alles friedlich und ohne Sachbeschädigungen abläuft. Es gab keinen Grund, polizeilich einzugreifen. Diese Praxis haben wir immer in Basel. Das ist unabhängig vom FCB oder wegen was auch sonst demonstriert wird.

Die FCB-Demo war in den vergangenen Wochen nicht der einzige Anlass, der für Diskussionen sorgte. Bereits während der Fasnachtstage kam es zu Menschenansammlungen. Von der Polizei war meist nicht viel zu sehen.

Aus unserer Sicht hat die Fasnacht gut funktioniert. Wir waren mit etlichen Dialogteams unterwegs. Wir haben oft Leute angesprochen, dass jetzt hier nicht getrommelt wird oder zu viele Menschen zusammen stehen. Der allergrösste Teil der Bevölkerung hat das auch verstanden. Wir mussten auch keine Bussen verteilen. Das war nicht ganz überraschend. Wir haben auch vergangenes Jahr gute Erfahrungen gemacht, als kurzfristig die Fasnacht verboten wurde.

In der Woche vor der Fasnacht gab es die Situation, dass eine Kurden-Demo geplant war, der aufgrund der aktuellen Situation die Bewilligung wieder entzogen wurde. Als sich trotzdem eine Demo formierte, hat die Polizei durchgegriffen und auch Gummischrot eingesetzt. Ging es Ihnen darum, ein Zeichen zu setzen?

Auch das war gängige Praxis. Wir waren vor Ort und haben den Leuten erklärt, dass die Demo nicht bewilligt ist. Die meisten sind dann gegangen. Einige wenige haben sich nicht daran gehalten und waren auch nicht ansprechbar. Dann haben wir die Situation gestoppt.

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