Presseschau

NZZ am Sonntag vom 04.04.2021

Verletzte Eitelkeiten

Präsident Bernhard Burgener sieht den FC Basel als Teil einer Unterhaltungsplattform. David Degen will das verhindern. Ein hoher Gewinn aus einem Immobilienverkauf kommt ihm zugute, aber dem Ex-Fussballer drohen Interessenkonflikte. Von Sebastian Bräuer ?

Am 12. Februar lud der FC-Basel-Präsident Bernhard Burgener den Verwaltungsratskollegen David Degen in sein Büro im Industriegebiet von Pratteln. Es war das letzte Mal, dass die beiden Fussballfunktionäre und Unternehmer halbwegs im Guten miteinander sprachen.

Burgener präsentierte Degen an dem Treffen ein zweiseitiges Schreiben. Darin bietet die im September 2020 gegründete Briefkastenfirma Basel Dream & Vision (BD&V) an, für 16,391 Millionen Franken Burgeners Mehrheitsanteil an der FC Basel Holding zu übernehmen, 18 Franken 18 pro Aktie. Im Kern lautete Burgeners Botschaft an Degen: Wenn der ehemalige Fussballprofi sein Vorkaufsrecht auf die Anteile in Anspruch nehmen wolle, müsse er sich nun beeilen, das Geld zusammenzubekommen. Denn er, Burgener, sei sich mit einem anderen Partner einig.

Wahrscheinlich unterschätzte Burgener die finanziellen Möglichkeiten seines Konkurrenten. Die Zwillingsbrüder David und Philipp Degen haben nach dem Ende ihrer Fussballerkarrieren erstaunlich viel Geld verdient, zum Beispiel mit Immobiliengeschäften. Ein notariell beglaubigter Vertrag belegt, dass die beiden allein im Januar 2020 am Verkauf einer 3500-Quadratmeter-Liegenschaft im basellandschaftlichen Frenkendorf 20 Millionen Franken verdienten.

David Degen konnte innerhalb von 30 Tagen mit Burgener gleichziehen und ebenfalls 16,391 Millionen Franken für die FC-Basel-Aktien auf den Tisch legen. «Habe alles zusammengekratzt», sagte er der «Basler Zeitung» am Samstag, «‹All In› nennt man das.» Das war Koketterie, er kann es sich leisten.

Dass ein Teil des Geldes auch von Philipp Degen kommt, ist offensichtlich. Die Zwillinge besitzen weitere Immobilien und Geldanlagen gemeinsam. Ihre Finanzen lassen sich gar nicht trennscharf auseinanderhalten.

Einst als Nachfolger vorgesehen

Das Debakel des FC Basel begann mit persönlichen Kränkungen. Burgener hatte Degen als möglichen Nachfolger ausersehen, als er ihn im September 2019 zum Mitaktionär des Klubs machte. Doch statt ihn zu fördern, vermittelte ihm Burgener stets das Gefühl, ihn nicht ernst zu nehmen. Degen litt darunter, immer wieder als Ex-Fussballer abgestempelt zu werden, erzählte er Vertrauten. Ex-Fussballer, das töne fast schlimmer als Ex-Model. Früh versicherte er seinen Leuten: «Wenn ich den FC Basel eines Tages besitzen kann, werde ich das machen.»

Burgener schickte Degen unterdessen Abmahnungen, sobald der impulsive Mitaktionär irgendwo irgendetwas sagte, das ihm missfiel. Dazu zweierlei: Einerseits redet Degen viel, und längst nicht jede seiner Aussagen erfüllt diplomatische Ansprüche. Andererseits lassen sich mit rechtlichen Drohungen ganz grundsätzlich keine Menschen gewinnen. Sie machen unbeliebt und einsam. Das scheint Burgener, dessen Karriere von juristischen Geplänkeln geprägt ist, bis heute nicht einsehen zu wollen.

Auch eine andere Episode bestätigen beide Lager. Burgener fragte Degen äusserst selten um Hilfe, aber einmal tat er es doch. Als es zu Beginn der Corona-Krise zu einem Streit zwischen Klubführung und Spielern um Gehaltskürzungen kam, sollte der Ex-Fussballer vermitteln. Degen weigerte sich. Das Verhältnis war im Frühjahr 2020 bereits erodiert.

Kurz darauf entschloss sich Burgener endgültig, einem Investor Vereinsanteile abzugeben. Dieser sollte aber keinesfalls Degen heissen. So nahm das Unheil seinen Lauf.

Am Montag machte Degen den Verwaltungsrat der FC Basel Holding mit einer superprovisorischen Verfügung vorübergehend entscheidungsunfähig. Er verhinderte wohl in letzter Minute, dass Burgeners Anteile der Firma BD&V übertragen wurden, weil er sich überzeugt gibt, dass ihm die Anteile zustehen.

Wenn keiner einlenkt, wofür derzeit keine Anzeichen vorliegen, fällt die Entscheidung in einem Gerichtssaal. Das kann dauern. Mögliche Termine vor dem Zivilgericht Basel-Stadt liegen in der zweiten Aprilhälfte. Gehen Burgener und Degen durch weitere Instanzen, womöglich bis ans Bundesgericht, ist frühestens in mehreren Monaten alles vorbei.

Die Beziehung war schon fünf Tage vor der superprovisorischen Verfügung am Tiefpunkt angekommen. Am 24. März fuhr Degen noch einmal ins Industriegebiet von Pratteln, um Burgener ein Trikot zu schenken, das er als Spieler des FC Basel getragen hatte. Aber die beiden Männer sahen sich an diesem Tag gar nicht. Degen hatte keinen Termin und bat auch um keinen mehr. Er drückte das Trikot einer Empfangsperson in die Hände und verschwand wieder. Burgener ärgerte sich über die Aktion sehr.

Ohne die Öffentlichkeit je zu informieren, hat der Präsident monatelang einen weitreichenden Umbau des FC Basel vorangetrieben. Anhand des Kaufangebots von BD&V, das er Degen am 12. Februar präsentierte, lassen sich Burgeners Pläne präzise umreissen. Die «NZZ am Sonntag» konnte es diese Woche einsehen.

BD&V ist ein Joint Venture zwischen Burgener und dem Londoner Finanzunternehmen Centricus. «Die Übernahme der Aktien ist für uns ein zentraler Schritt zum Aufbau einer Plattform, mit Fokus auf die Bedeutung der Wirtschaftsregion Basel», heisst es in dem Schreiben. Dass es BD&V, und damit Centricus, längst nicht nur um den FC Basel geht, wird offensichtlich. Die Klubübernahme wird als Teil einer grösseren Expansion beschrieben (siehe oberen Zusatztext). Erwähnte Plattform solle «im Bereich Sport, Medien und Entertainment» tätig sein.

Zusätzlich zum Kaufpreis verfüge BD&V über einen Investitionsmittelrahmen von 200 Millionen Franken, heisst es weiter. Damit solle der Gesellschaftszweck erfüllt werden, den FC Basel zu unterstützen. Dieses vermeintliche Versprechen ist äusserst vage gehalten: Weder wird festgeschrieben, dass der Klub von der gesamten Summe profitieren würde, noch wird der Zeitraum eingegrenzt.

Interessanterweise ist das Schreiben auf Deutsch verfasst. Es dürfte kaum in London entstanden und von dortigen Juristen Wort für Wort geprüft worden sein. Ein englischer Text würde eher signalisieren, dass der FC Basel der Centricus-Führung wichtig ist.

Burgener äusserte sich auf Anfrage nicht zu der Offerte. Vor einer Woche hatte er im Interview mit der «NZZ am Sonntag» noch nicht einmal seine längst erfolgte Einigung mit Centricus bestätigt. Er sagte: «Das wurde von einigen Medien kolportiert, aber ich beteilige mich nicht an solchen Spekulationen.»

Die Intransparenz wird dem Präsidenten übel genommen. Dass er die Basler Fans noch einmal für sich gewinnen kann, scheint schwer vorstellbar. Manchmal läuft er am Wochenende noch durch die Stadt, die Spaziergänge sind ihm wichtig, aber er wird dabei immer häufiger angefeindet, es wird zunehmend unangenehm. Burgener hat die Gunst des Volkes verloren.

15 Personen im Unterstützerkreis

Ganz anders ist das bei Degen, dem Basler Persönlichkeiten sogar anbieten, die Prozesskosten im Streit mit Burgener zu übernehmen. Zum Kreis seiner Unterstützer gehören etwa 15 Personen, die später als Verwaltungsräte infrage kommen könnten, als Sponsoren oder als Aktienkäufer.

Auch der Bankier Eric Sarasin soll grosses Interesse signalisiert haben, dabei zu sein. Einfach wäre seine Integration ins Team Degen nicht, denn er hat in der Vergangenheit recht negativ über den ehemaligen Fussballer gesprochen (über Burgener allerdings mindestens so sehr). Diese Woche wollte sich Sarasin nicht äussern.

Intransparenz wird Degen bis jetzt kaum vorgeworfen, obwohl er seine Unterstützer nicht nennt. Dank Burgener liegt die Latte in dieser Beziehung tief. Allerdings hätte der 38-Jährige als Klubbesitzer ein anderes fundamentales Problem: Wegen der Spielerberateragentur SBE, die er mitgründete und die bis heute von Zwillingsbruder Philipp geführt wird, würde ihm permanent Ärger drohen.

Derzeit sind beim FC Basel sechs Spieler der Agentur unter Vertrag. Bei jedem Transfer würden Fragen aufkommen: Zieht der Klub Talente, die von SBE betreut werden, anderen Jungprofis vor? Wie viel Provision kassiert der eine Zwillingsbruder vom anderen? Wer liegt David Degen im Zweifel mehr am Herzen, der Klub oder die Agentur?

David Degen bestreitet diesen Interessenkonflikt. «Ich bin nicht mehr bei SBE dabei», sagte er der «Basler Zeitung». «Ich weiss heute nicht einmal mehr, was genau in der Agentur passiert.» Doch genau das bezweifelt man in der Branche. «Er ist immer noch die treibende Kraft im Hintergrund», sagt ein einflussreicher Schweizer Spielerberater. David Degen sei der Spiritus Rector der Agentur SBE. Das Ganze sei für ihn ein «riesiges Problem».

Für den FC Basel besteht die düstere Aussicht, vom Regen in die Traufe zu kommen. Das ist gefährlich. Offiziell bekannten sich die wichtigsten Schweizer Sponsoren diese Woche zum schlingernden Verein. Sunrise, Novartis und Basler Kantonalbank erklärten auf Anfrage, keinen Rückzug zu erwägen. Bei der Brauerei Feldschlösschen meldet sich sogar der CEO Thomas Amstutz zu Wort: «Feldschlösschen unterstützt den Klub in guten und in schlechten Zeiten.» Doch bei einem der Geldgeber heisst es hinter vorgehaltener Hand, man schaue sich die Situation genau an. In dem Unternehmen sei man nicht erfreut über die «Entprofessionalisierung» und den Umstand, dass nur noch über innenpolitische Krisen gesprochen werde. Sollte demnächst auch noch ein wichtiger Sponsor das Weite suchen, wäre das Debakel perfekt.

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