Presseschau

NZZ vom 07.04.2021

Eine Korrektur, die längst nicht alles verbessert

Die Entlassung des FCB-Trainers Ciriaco Sforza steht für mehr, als dem Präsidenten Bernhard Burgener lieb ist. Von Benjamin Steffen

Am Dienstagnachmittag gab der FC Basel bekannt, was längst fällig gewesen war: die Entlassung des Trainers Ciriaco Sforza. In solchen Momenten wird oft der Zynismus der Branche beklagt – es treffe halt immer den Trainer, auch wenn es an anderen liege, an den Spielern vor allem. Aber in diesem Fall liegt am meisten Zynismus in der Regelung von Sforzas Nachfolge: Bis Ende Saison betreut Patrick Rahmen die erste Mannschaft des FCB.

Rahmen ist jener Trainer, den der frühere Sportdirektor Marco Streller einst gerne angestellt hätte, der Legende nach schon zu Beginn der Ära des Präsidenten Bernhard Burgener 2017, sicher aber zwei Jahre später, im Juni 2019.

In Strellers Augen sah der mehr oder weniger ideale FCB Anfang Juni 2019 so aus: Cheftrainer Rahmen, Nachwuchschef Percy van Lierop. Rahmen hätte Marcel Koller ersetzen sollen, ehe der Präsident Burgener von diesem Trainerwechsel abrückte, was wiederum Streller zum Rücktritt bewog. Ohne Streller musste sich van Lierop bis Anfang 2020 gedulden, bis ihn der FCB doch noch zum Nachwuchschef machte – und nun folgt auch Rahmen.

Einen Sportdirektor hingegen hat der FCB nicht mehr; es gibt eine sogenannte Sportkommission, die am Dienstag laut Communiqué zum Schluss kam, «dass die Leistungen der Mannschaft und die damit verbundenen Resultate der letzten Wochen nicht den Erwartungen entsprachen und deshalb Handlungsbedarf bestand». Es erstaunt bloss, dass die Sportkommission diesen Handlungsbedarf erst nach dem 1:2 gegen den Aufsteiger Vaduz am Ostermontag erkannte. Mittlerweile hat der FCB, der grösste Fussballklub der Schweiz, in der Super League öfter verloren als gewonnen; nach der jüngsten Niederlage sagte Sforza zum wiederholten Mal, es sei «nicht alles schlecht» gewesen, man müsse «jetzt anpacken, miteinander anpacken».

Sforzas Biografie ignoriert

Zur Sportkommission gehörte nach gängigem Verständnis bis zuletzt auch Sforza, dem Burgener ohnehin am liebsten die Bedeutung eines Sportchefs gegeben hätte. Der FCB verfolge das «englische Modell», sagte Burgener im Oktober 2020 in der NZZ. In diesem Modell hat der Trainer die Rolle eines Managers, der auch die Kaderzusammenstellung wesentlich verantwortet.

Es war die komplette Umkehr des Systems, das der FCB in der Serienmeister-Ära 2010 bis 2017 unter dem Präsidenten Bernhard Heusler gepflegt hatte. Damals galt das geflügelte Wort, dass der Trainer nicht der Präger, sondern der Träger der Klubphilosophie sein sollte. Ausgerechnet Sforza sollte wieder mehr sein – Sforza, der Jahre zuvor bei GC genau daran gescheitert war: dass er sich um zu viel anderes gekümmert hatte, als bloss die Mannschaft zu trainieren.

Aber diese Überzeugung, dem Trainer mehr aufzubürden als die Arbeit auf dem Platz, steht für so viel in der Ära Burgener. In diesem Fall fragte sich, wie sehr sich Burgener mit Sforzas Biografie auseinandergesetzt hatte, mit Sforzas Person. Beziehungsweise: Wer hatte sich mit Sforzas Biografie und Person gut oder weniger gut auseinandergesetzt? Der CEO Roland Heri? Irgendein anderes Führungsmitglied? Ein einflussreicher Einflüsterer?

Es lag jedenfalls nahe, diesem Weg mit Sforza zu misstrauen. Zuletzt hatte dieser den FC Wil in der Challenge League trainiert – der Leistungsausweis aus der Super League überzeugte kaum jemanden ausser seinem neuen Arbeitgeber. Wer ihm positiv gewogen war, argumentierte im Sommer 2020 allenfalls, mit ausreichend Nestwärme werde sich Sforzas Potenzial als Trainer sehr wohl entfalten. Doch solche Worte implizierten auch schon Sforzas Scheitern, weil er im FCB 2020/21 alles erwarten durfte ausser Nestwärme.

Mitte Februar 2021 verlor der FCB den Cup-Achtelfinal gegen den unterklassigen FC Winterthur sage und schreibe 2:6. Die NZZ schrieb danach, es spreche wenig für Sforza – aber er sei nicht das Hauptproblem. Ja, auch in diesem Moment, anderthalb Monate später, darf ein gewisser Zynismus beklagt werden, der Zynismus dieses heutigen FCB – es trifft halt den Trainer, auch wenn es ursächlich an anderem liegt.

Denn das Hauptproblem ist das Konstrukt, das unter dem Präsidenten Burgener seit 2017 entstanden ist – ein Konstrukt, in dem Verantwortlichkeiten unübersichtlich verteilt sind, in dem immer wieder fragwürdige Personalentscheide gefällt werden; und ein Konstrukt vor allem, in dem es an gegenseitigem Vertrauen fehlt, in dem man anpackt, aber oft nicht miteinander. Die Betroffenen hören es nicht gerne: Aber solche Anzeichen gab es schon wenige Monate nach Burgeners FCB-Übernahme vor vier Jahren, verschiedenste Führungskräfte äusserten unter vier Augen Bedenken oder versetzten Seitenhiebe. Egal, ob solche Worte inhaltlich richtig oder falsch waren: Sie standen für ein Betriebsklima.

In aller Öffentlichkeit akzentuierte sich diese Atmosphäre mit der Suspendierung des Captains Valentin Stocker Anfang März. Der FCB begründete nie offiziell, warum er vorübergehend auf Stocker verzichtete; aber vermutlich lag es daran, dass er keinen Umgang fand mit einer kritischen Haltung von Stocker gegenüber Sforza. In einem anderen Umfeld wären solche Differenzen frühzeitig moderiert worden. Im FCB der Gegenwart war es so, dass Stocker zuerst eine Begnadigung erfuhr, am Ostermontag aufs Spielfeld zurückkehrte und am einzigen FCB-Tor beteiligt war. Tags darauf musste Sforza den Klub verlassen.

Mehr Chaos kaum vorstellbar

Und so macht der FCB an diesem Dienstag vor allem Sforzas Entlassung zum Thema. Burgener redet im Communiqué, wie Vorgesetzte halt so reden: Er bedauert, dass Sforzas «Engagement und Leidenschaft zuletzt nicht mit sportlichem Erfolg belohnt wurden und dieser Schritt nun unumgänglich war». Aber es geht um viel mehr zu dieser Zeit. Es geht um Burgeners Werk, das sich voller Probleme präsentiert: ein entlassener Trainer, dessen Verpflichtung fast niemand verstand; ein Interimstrainer, der einmal schon fast da war; vor allem aber ein zivilrechtliches Verfahren um den Besitz des FCB und ein Terrain für Intrigen. Viel mehr Chaos wäre kaum vorstellbar.

David Degen, der 10 Prozent am FCB hält, hat sein Vorkaufsrecht gezogen und am vorletzten Montag mit einer superprovisorischen Verfügung verhindert, dass Burgener den FCB grossmehrheitlich an eine andere Gesellschaft verkaufte. Neben dem juristischen Kampf herrscht seit Tagen eine mediale Schlammschlacht, was vor allem einen Gedanken nahelegt: Ob Burgener oder Degen – so richtig gesund scheint für den FCB keine Lösung zu sein.

So populistisch, wie die beiden Kontrahenten Sympathien und Medien hinter sich zu scharen versuchen, entsteht fast der Eindruck, Burgener und Degen meinten, nicht ein Gericht entscheide über den künftigen Eigentümer, sondern das Fan-Volk. Zumindest scheint klar, dass die Gunst des Publikums bei Degen läge. Was es zu sagen gilt: Die Entlassung des Trainers Sforza ist zwar nur die Korrektur eines weiteren Fehlers in Burgeners Personalauswahl. Aber immerhin hat Burgener erstmals seit langem eine Entscheidung getroffen, die in Basel die meisten Menschen verstehen. Doch ihnen dürfte auch bewusst sein, dass sich dadurch längst nicht alles verbessert.

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