NZZ vom 19.04.2021
Servette erweist sich als perfekter Aufbaugegner für den FC Basel – 0:5
Nicola Berger, Basel
Der FC Basel hat in dieser Saison so oft und beständig enttäuscht, dass ihm inzwischen offen misstraut wird. Bis zwei Stunden vor Beginn des Spiels gegen Servette handelten die Wettanbieter die Genfer als Favoriten. Ein Team, das im 2001 erbauten St.-Jakob-Park noch nie gewonnen hat – der letzte Servette-Sieg in Basel datiert von 1998. Es brauchte schon einen Tweet des Klubs, in dem er die Aufstellung des Trainers Alain Geiger veröffentlichte, damit die Quoten drehten.
Vier Tage nach dem miserablen Auftritt im Cup-Viertelfinal in Kriens (3:2-Sieg nach Verlängerung) trat Servette ohne seine wichtigsten zwei Spieler an, den Aussenverteidiger Gaël Clichy und den brillanten Flügelspieler Miroslav Stevanovic. Stevanovic erhielt eine Pause, bei Clichy liegt der Verdacht nahe, dass er positiv auf Covid-19 getestet wurde – er hatte bereits in Kriens gefehlt. Geiger tat den Baslern den Gefallen, auch den Innenverteidiger Steve Rouiller zu schonen. Seine hoffnungslos überforderte Vertretung Nicolas Vouilloz verschuldete schon in der zweiten Minute einen Penalty, den Fabian Frei verwandelte. Sieben Minuten später führte der FCB 3:0.
Der Servette FC, immerhin als Zweitplatzierter angereist, erwies sich als dankbarer Aufbaugegner, er wirkte wie ein Preisboxer mit Bauchumfang, den man von irgendwoher ankarrt, damit sich ein Hoffnungsträger mit angeknackster Psyche wieder einmal ein bisschen als Sieger fühlen darf, wenn dieser ihn auf die Bretter schickt. Für Servette ist die 0:5-Pleite verkraftbar; es muss die Kräfte ohnehin auf den Cup konzentrieren. Erstmals seit 20 Jahren steht der Klub im Halbfinal, es bietet sich ihm dort eine Titelchance, die so bald nicht wiederkommen dürfte. Der Gegner heisst Anfang Mai St. Gallen. Es ist die gleiche Hürde wie 2001, als Servette dank einem Tor Alexander Freis 1:0 siegte und im Final im «Joggeli» Yverdon mit 3:0 deklassierte. Es war das letzte Genfer Glanzlicht, ehe der Klub aufgrund anhaltender finanzieller Schwierigkeiten im Chaos versank.
Der FCB steht derweil wieder dort, wo er mit seinem Luxuskader im Minimum stehen muss: auf Platz 2. Er sollte sich auf diesen Sieg gegen die zweite Garde eines Teams mit knapp einem Drittel des Basler Budgets nicht zu viel einbilden, aber immerhin konnte der Interimstrainer Patrick Rahmen nach dem 4:3 in Luzern im zweiten Spiel den zweiten Sieg feiern. Und so für ein halbwegs versöhnliches Ende eines neuerlich turbulenten Wochenendes sorgen: Am Samstag hatten 657 Menschen ihre Saisonkarten retourniert, es war eine koordinierte Protestaktion gegen den Präsidenten Bernhard Burgener. So unangenehm dieses wiederum kraftvolle Zeichen gegen die Klubführung war – den Sonntag verlebte Burgener geruhsam. Vor der Partie ehrte er Fabian Frei für dessen 400. Einsatz im FCB-Tenue mit einem Blumenstrauss, danach konnte er zufrieden beobachten, dass sich der FCB seit der Entlassung des Trainers Ciriaco Sforza wieder in einer vorzeigbaren Verfassung präsentieren kann.