Basler Zeitung vom 01.10.2024
Ricky van Wolfswinkel ist bei Twente Enschede nicht nur Captain und Publikumsliebling, sondern auch ein wichtiger Torlieferant.
Simon Tribelhorn
«Du alter Sack, Van Wolfswinkel! Idiot!» Vor einer Woche wurde Ricky van Wolfswinkel nach einem 5:0-Erfolg über Almere City während eines Interviews von einem Almere-Fan vor laufender Kamera beleidigt. Er selbst brach daraufhin in Gelächter aus und antwortete voller Selbstironie: «Ja sicher! Und ich kanns immer noch!» In Enschede gilt er wegen solcher Momente als Publikumsliebling.
35 Jahre alt ist Ricky van Wolfswinkel mittlerweile. Vor drei Jahren verliess der Niederländer den FC Basel und kehrte zurück in seine Heimat. Nicht aber zurück zu seinem Jugendverein Vitesse Arnheim, für den er in seiner Karriere insgesamt 31 Tore in 71 Pflichtspieleinsätzen erzielte, sondern zu Twente Enschede.
Beim niederländischen Meister von 2010 hat Van Wolfswinkel seine Karriere nochmals richtig lancieren können. In seinem letzten Jahr beim FCB gelangen ihm lediglich zwei Tore, nun stand er in zwei Saisons in Folge mit jeweils 16 Treffern weit oben in der Torschützenliste der Eredivisie. Mehr Tore gelangen ihm nur in der Spielzeit 2016/17, als er bei Vitesse Arnheim insgesamt zwanzigmal einnetzte. Vergangene Saison wurde Van Wolfswinkel mit Twente hinter der PSV Eindhoven und Feyenoord Rotterdam in der Liga Dritter und nahm an der Qualifikation für die Champions League teil. Dort scheiterte er mit seinem Team aber an Red Bull Salzburg und spielt in diesem Jahr in der Europa League.
Mentor für jüngere Mitspieler
Auch wenn der zweifache Nationalspieler in der Meisterschaft momentan oft nur von der Bank kommt, spielt er bei Twente immer noch eine wichtige Rolle. Im Sommer wurde Van Wolfswinkel zum Twente-Captain ernannt und gilt mit seiner Erfahrung nicht nur als zuverlässiger Torschütze, sondern auch als Mentor für seine jüngeren Mitspieler. In der Offensive ist der gelernte Mittelstürmer variabel einsetzbar.
Auf diese Attribute zählt auch sein Trainer Joseph Oosting, der ihn letzte Woche in der Europa League gegen Manchester United von Beginn an brachte. «Ricky ist erfahren. Er weiss, was in solchen Spielen gefragt ist, sei es mit oder ohne Ball», so der Twente-Coach. Sein Plan sollte aufgehen: Twente Enschede erkämpfte sich mit Ricky van Wolfswinkel auf dem rechten Flügel im Old Trafford ein 1:1.
Nicht unbekannt ist auch, dass sich Van Wolfswinkel lieber mal ein Glas Wein gönnt, statt sich an die streng gehaltenen Ernährungspläne des Trainerteams zu halten. Am Sonntag erzielte er beim 1:0-Sieg gegen NAC Breda das entscheidende Tor in der 76. Minute per Elfmeter. Auf die Frage, wie es für ihn nach diesem Spiel und seinem zweiten Saisontreffer weitergehe, verriet er, dass er sich erst mal einen Drink in der Hotellobby holen werde. Erst danach beschäftige er sich mit der anstehenden Europa-League-Partie gegen Fenerbahce Istanbul vom Donnerstag.
Dass Ricky van Wolfswinkel heute überhaupt noch auf dem Fussballplatz steht, ist aber keine Selbstverständlichkeit: 2019, als er noch beim FCB spielte, wurde bei ihm ein Aneurysma im Gehirn festgestellt, nachdem er sich wegen einer Gehirnerschütterung hatte untersuchen lassen. Trotz der Herausforderungen und der langen Genesungsphase kämpfte er sich zurück auf das Spielfeld. «Heute geht es mir sehr gut, ich spiele immer noch Fussball und mache immer noch Tore – sogar mit dem Kopf», erzählte er im Juni in einem Bericht des Universitätsspitals Basel, wo er damals operiert wurde.
Bei Twente Enschede wäre Van Wolfswinkels Vertrag in diesem Sommer ausgelaufen, im Mai verlängerte er nochmals bis 2025. 36 Jahre alt wird er dann sein. Ein Alter, in dem viele Profifussballer ihre Karriere schon beendet haben. Wie es nach dieser Saison mit ihm weitergeht, ist noch offen. «Solange ich fit bleibe und Spass habe, will ich noch spielen», sagte er jüngst. Und das scheint bei ihm weiterhin der Fall zu sein.