Presseschau

bz Basel vom 02.07.2025

«Der Hunger von den Jungen schwindet»

Xherdan Shaqiri über seine Beziehung zum neuen Coach, was ihm an jungen Spielern nicht gefällt und wie er die Frauen-EM verfolgen wird.

Céline Feller

Werden die Trainingslager mit dem Alter immer härter?

Xherdan Shaqiri: Härter würde ich nicht sagen, es ist immer etwa gleich. Aber wir trainieren hart und gut, was auch wichtig ist. Wir müssen bereit sein, gerade auch für die Qualifikation zur Champions League. Denn die wollen wir erreichen. Das wäre einmalig, in Basel wieder diese magischen Nächte zu haben.

Wo sehen Sie die grössten Unterschiede mit Ludovic Magnin im Vergleich zu seinem Vorgänger?

Es ist noch relativ frisch. Ich glaube, Ludo hat sich sehr gut eingelebt. Man merkt auch, dass die Stimmung gut ist. Er macht nebenbei viele Spässchen, das gibt natürlich auch eine gute Stimmung in der Mannschaft.

Steckt seine Lockerheit an?

Man muss immer die richtige Dosis finden von Spass und Ernst. Wir sind erfahren genug, auch wenn wir viele Junge dabei haben, um zu wissen, was wir erreichen wollen und gehen in die neue Saison sicher auch mit einem anderen Mindset.

Wie ist Ihre Beziehung zu Magnin?

Zusammen auf dem Platz waren wir nicht so oft. Gegeneinander haben wir häufig gespielt. Er auf der linken, ich auf der rechten Seite. Schon da, während des Matchs, hat er viel geredet mit mir (lacht). Das war so lustig. Aber ich freue mich jetzt, dass er zum FCB gekommen ist. Ich glaube, das ist auch für ihn eine schöne Chance. Man merkt, dass er von Anfang an Erfolg haben will. Und er weiss ganz genau, was er erreichen will.

Gab es Gespräche zwischen Ihnen und der sportlichen Führung, was die Personalie Magnin betrifft?

Ich hatte mal ein kurzes Gespräch mit Dani Stucki (Sportchef des FCB, Anm. d. Red.). Das war vor einem Spiel gegen Lausanne. Da hat er mich gefragt, was ich von Ludo halte. Aber ich war sicher nicht involviert bei der Entscheidung, ob er Trainer wird oder nicht. Ich habe einfach einen Anruf von Dani bekommen, dass es Ludo wird.

Wie sehen Sie ihn als Trainer?

Ich kenne ihn mehr als Spieler. Er kennt die Schweizer Liga sehr gut, die jungen Spieler. Entsprechend ist er eine gute Wahl für den FCB. Er redet verschiedene Sprachen, was auch sehr wichtig ist im Fussball. Und er hat den Willen, erfolgreich zu sein und sich zu zeigen mit dem FCB. Er will die letzte Saison bestätigen und weiss gleichzeitig, was hier auf ihn zukommen wird. Das ist sicher ein grosses Plus für Ludo.

Er ist einer, der Emotionen zeigt. Mögen Sie das?

Das zeigt, dass er alles für den Erfolg macht. Und ein Winner ist. Ich empfinde es als wichtig, dass man im richtigen Zeitpunkt eine richtige Ansage macht und die richtigen Anweisungen gibt. Ludo ist, glaube ich, einer, der auch mal auf den Tisch klopft und sagt: Hey Jungs, das geht nicht. Das ist gut, dann muss ich das weniger machen (lacht). Und ich finde es auch super, dass er die Hierarchien von früher wieder etwas zurückgebracht hat.

Wie meinen Sie das?

Er sagt den Jungen: Hey, nehmt das Goal und räumt es weg. Das hilft ihnen, um wieder runterzukommen und zu wissen, dass sie hart arbeiten müssen, um sich eine Chance zu verdienen. Heutzutage habe ich nämlich das Gefühl, die Jungen bekommen viel mehr Chancen als wir früher.

Sind die Jungen von heute denn anders früher?

Ja, die haben jetzt alle schon zwei Handys, verdienen schon recht viel und haben bereits eine eigene Wohnung. Mit 17 Jahren. Es hat sich schon einiges verändert. Die Jungen bekommen viel mehr. Mit einem guten Spiel sind sie im Ausland. Es ist schon wahnsinnig geworden.

Finden Sie das gut?

Ich finde es weniger gut. Ich habe das Gefühl, dass der Hunger von den Jungen so auch schwindet. Ich würde auch sagen, dass es nicht mal die Schuld der Jungen selbst, sondern einfach der Zeit geschuldet ist. Man hat einfach alles. Man kann alles mit dem Handy machen.

Zurück zu Magnin. Haben Sie mit ihm schon über Ihre Rolle gesprochen?

Wir haben mal grob darüber geredet. Er weiss ganz genau, wie man mit Spielern umgehen muss. Er hat das relativ gut im Griff. Die Freiheiten wird er mir, glaube ich, nicht gross wegnehmen, und die brauche ich auch. Aber am Ende des Tages geht es um die Mannschaft und nicht nur um mich. Wir müssen als Mannschaft funktionieren.

Wo muss sich das Team in noch verstärken?

Ich wäre dafür, dass wir noch ein, zwei erfahrene Spieler mehr hätten. Ich glaube, das würde sehr helfen. Erfahrung bringt Ruhe rein, das kann in verschiedenen Situationen wichtig sein. Wir haben einen erfahrenen Spieler mit Hitz, dann mit Schmid und Ajeti zwei weitere. Dann bin da noch ich, und dann hört es bald einmal auf. Gerade auch in der Verteidigung wäre ein Typ, der vielleicht etwas älter ist, gut für die Stabilität.

Sie waren in der letzten Saison so beschwerdefrei wie kaum je in Ihrer Karriere. Machen Sie nebenbei etwas Spezifisches dafür?

Ich schaue auf mich und arbeite viel mit den Physios und dem Athletiktrainer. Und es ist klar, dass ich vielleicht ein, zwei Massagen mehr für meine Waden brauche, definitiv. Aber viel wichtiger ist für mich die Prävention vor dem Training.

Es gibt Spieler, die in fortgeschrittenem Alter beginnen, Yoga zu machen. Haben Sie auch solche Tricks auf Lager?

Ich gehe gerne in ein schönes Spa-Hotel nach den Spielen. Irgendwo in den Bergen, da habe ich meine Ruhe. Das habe ich oft gemacht in der letzten Saison. Da komme ich vom ganzen Rummel runter. Da kann ich mich wieder sammeln. Denn ich bin einer, der Ruhe braucht, um nachher Leistung bringen zu können. Daher werde ich das auch weiterhin machen.

Ist der FCB der Favorit in diesem Jahr?

Der FCB ist definitiv Favorit auf den Meistertitel. Es muss auch unser Ziel sein, den Titel zu verteidigen. Beim FCB geht es jedes Jahr um Titel. Das muss man den Jungen eintrichtern.

Wen sehen Sie als grössten Konkurrenten?

Es gibt jedes Jahr Mannschaften, die überraschen. Aber ich glaube, es wird am Schluss auch wieder ein Kampf zwischen Basel, YB und Lugano sein. Beim FC Zürich muss man schauen, wie sie anfangen. Aber ich lasse mich gerne überraschen. Es wird hoffentlich einfach wieder so ein offenes Rennen sein.

Spüren Sie nun mehr Druck?

Druck habe ich mir mit meiner Kübel-Ansage vor allem selbst gemacht (lacht). Aber Druck ist völlig normal. Ich wusste, dass ich den habe, wenn ich zum FCB zurückkehre und der auch bleibt, so lange ich hier bin.

Was kann der FCB besser machen als letzte Saison?

Die Konstanz. Die hat uns ein wenig gefehlt. Am Schluss haben wir es dann gut gemacht, aber über Dreiviertel der Saison war die Konstanz nicht da, obwohl wir die Qualität dafür hätten. Das hat mir nicht so gefallen. Vielleicht hätten wir auch die Meisterschaft schon früher klar machen können. Das ist auch ein Lernprozess, den die Jungen machen müssen: Dass man versucht, über einen Monat lang hohe Leistungen zu bringen. Mit der Dreifachbelastung aber ist es ein guter Test für uns.

Nach dem letzten Saisonspiel haben Sie im Spass gesagt, dass, wenn Sie nun von Beginn an dabei sind, Sie 50 Skorerpunkte schaffen, nachdem es letzte Saison 40 waren. Setzen Sie sich gewisse Ziele, auch, um eine innere Motivation zu bewahren?

Jetzt haben wir ja die Dreifachbelastung, dann ist es möglich! (lacht) Aber nein, ich bin und war nie einer, der sich an Statistiken hält. Das ist nicht das Wichtigste für mich. Wenn wir nächstes Jahr einen anderen Torschützenkönig stellen können aus unserem Team, würde mich das sehr freuen und ich wünsche mir das auch. Dann muss nicht ich alle Tore schiessen. Spass beiseite. Aber dann würde es sich noch mehr verteilen. Auch wenn wir jetzt schon Spieler haben, die tolle Zahlen erreicht haben. Aber klar: Es wird nicht einfach für mich persönlich, die letzte Saison zu toppen. Es gibt aber vor allem noch einen anderen Punkt, der mir wichtig ist.

Erzählen Sie.

Ich will für die Mannschaft da sein, egal in welcher Phase. Egal ob schlecht oder gut. Das macht auch am Schluss den Erfolg aus. Nicht nur mit Goals und Assists zu helfen, sondern auch menschlich. Ich will den Jungen Sachen mitgeben und helfen.

Nach der letzten Saison hätte Sie Murat Yakin gerne in die Nati zurückgeholt. Er hatte Sie damals nicht erreicht. Haben Sie mittlerweile miteinander gesprochen?

Noch nicht, nein.

Aber haben Sie sich Gedanken über eine Rückkehr gemacht?

Schauen Sie, es ist ganz einfach: Ich bin aus der Nati zurückgetreten und das bleibt auch so. Mehr muss ich nicht sagen. Ich bin im Moment froh, wie es ist und werde es auch in nächster Zeit nicht ändern. Ich befasse mich überhaupt nicht mit der Nati. Ich schaue sehr gerne zu und supporte das Team, wenn sie ein Spiel haben. Aber das Kapitel ist für mich abgeschlossen. Ich sage zwar immer: Sag niemals nie, aber im Moment ist die Türe zu.

Solange Yakin Trainer ist?

Ich habe kein Problem mit Muri. Wir haben uns mal ausgesprochen, als ich bei der Nati noch dabei war. Wir hatten unterschiedliche Meinungen, ja. Aber wir hatten nie einen grossen Streit, aufgrund dessen wir auseinander sind. Er muss aber meine Entscheidung akzeptieren. Das ist im Leben so. Ich hätte vielleicht auch meine Leistungen beim FCB nicht bringen können, wenn ich noch bei der Nati mit dabei gewesen wäre. Dementsprechend denke ich, dass ich das Richtige gemacht habe.

Apropos Nati: Die Frauen eröffnen heute die EM. Schauen Sie die Spiele?

Ob ich es live ins Stadion an ein Spiel schaffe, weiss ich noch nicht. Wir haben eine gute Nationalmannschaft. Sie haben wirklich Fortschritte gemacht. Und für mich sind sie ein Geheimfavorit an diesem Turnier.

Das Gespräch wurde im Rahmen einer Medienrunde geführt.

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