Presseschau

Sonntagsblick vom 21.01.2018

«Der Horizont einiger Menschen ist beschränkt»

Alex Frei über Basel, Burnout und Bosse

Alex Frei (38) menschlich wie nie! Offen erzählt er, wie er vor Stress fast zugrunde ging. Was er beim FC Basel wirklich macht. Und warum die Fernsehbosse in Bezug auf No Billag die Zeichen der Zeit nicht erkennen.

ANDREAS BÖNI (INTERVIEW) UND STEFAN BOHRER (FOTO)

Restaurant Kunsthalle in Basel, Alex Frei studiert die Speisekarte. Fleischkäse mit Kartoffeln und Spiegelei sticht ihm ins Auge. «Ich bin ein einfacher Mensch», sagt er schmunzelnd. Frei lacht viel, ist gut gelaunt. Im letzten Moment entscheidet er sich um, scharf gewürztes Tatar mit Salat.

Alex Frei, der FC Basel verkauft Renato Steffen und Manuel Akanji – und holt gleichzeitig die Ex-Spieler Fabian Frei und Valentin Stocker. Kann diese Kopie des alten Weges gut gehen?

Alex Frei: Ich denke nicht, dass es eine Kopie ist. Der FCB hat einfach eine grosse Möglichkeit, viele gute Spieler zurückholen zu können. Das Konzept von Bernhard Burgener mit uns zusammen heisst «Für immer Rotblau». Dementsprechend lang ist die Liste der Basler, die wir zurückholen möchten oder können. Nur sind die meisten davon jetzt erst 25, 26 – oder andere spielen bei Barcelona.

Ivan Rakitic wird in zwei Monaten schon 30...

Und ist immer noch 80 Millionen wert. Unser Bestreben ist im Grundsatz schon, sie vor 30 zurückzuholen – wie jetzt bei Frei oder Stocker, wenn man davon ausgehen kann, dass sie noch voll leistungsfähig sind. Älter als 30 wird schwieriger.

Mit dieser Argumentation darf man Rakitic ja nie zurückholen.

Das ist eine andere Liga von der Qualität her, Ivan wird auch noch mit 34 super sein.

Gut, aber nur auf Ex-Basler können Sie ja nicht setzen. Das Budget dieses Jahr sieht Verkäufe für 22 Millionen Franken vor. Weder für Stocker noch für Frei gibts nochmals Ablöse.

Das Bestreben der sportlichen Leitung um Marco herum ist, die vorgegebenen Budgets klar einzuhalten. Geht ein Spieler, überlegen wir grundsätzlich so: Als Erstes schauen wir, ob wir einen Abgang durch einen Nachwuchsspieler kompensieren können. Geht das nicht, überlegen wir, ob es einen Basler gibt, den wir holen können. Erst dann schauen wir im Ausland. Und ganz wichtig ist, dass das Kader für den Nachwuchs durchlässig bleibt.

Im Moment stimmt für Sie die Zusammenstellung zwischen Jung und Alt?

Ja, zumindest auf dem Weg, wie wir ihn uns vorstellen.

Was macht Alex Frei eigentlich beim FC Basel?

In erster und zweiter Linie bin ich Fussballtrainer oder Ausbildner auf Stufe U18. Es gibt aber zusätzliche Aufgaben aufgrund meiner zusätzlichen Verwaltungsratstätigkeit für den FCB. Unter anderem versuche ich, die Infrastruktur des Klubs zu verbessern. Zum Beispiel brauchen wir mehr Trainingsplätze für den Winterbetrieb, also Kunstrasenplätze. Im Ausland sagst du als Klub, wir wollen einen Kunstrasen, und in einem Jahr steht er. In der Schweiz brauchst du dafür 5 Bewilligungen, 37 Abklärungen, und irgendwann wird mal gebaut, wenns keine Einsprachen gibt. In solchen Fällen ist es mühsamer, aber am Ende des Tages geht es uns ja sehr gut wegen der ganzen Demokratie.

Sie sind der wichtigste Berater von Marco Streller, oder?

Nein. Ich bin in der Transferkommission und Mitglied des Verwaltungsrats. Aber Strelli hat in der täglichen Arbeit zwei enge Mitarbeiter. Ich sage ihm nur offen meine Meinung, wenn sie ihn interessiert.

Frei macht sich kleiner, als er ist. Sein Wort hat Gewicht im Klub, bei Streller. Und sonst ist der Weg auch nicht weit, sich kompetente Meinungen einzuholen. Am Nebentisch essen Ex-Präsident Bernhard Heusler und Ex-Sportchef Georg Heitz. Man begrüsst sich herzlich.

Herr Frei, bei Ihrem Ex-Klub Luzern brennt es lichterloh. Sind Sie froh, nicht mehr Sportdirektor zu sein?

Ich beneide Remo Meyer sicher nicht. Es war für mein ganzes Leben wichtig, dass ich den Absprung geschafft hatte. Diese Erfahrung hat mich zum einen demütiger gemacht und zum anderen meine Person verändert.

Ich danke für die Erfahrung, denn ohne sie hätte ich meinen Trainerweg, der mir unglaublich Spass macht, nicht gefunden. Auch wenn es den Anschein erwecken sollte, alles war nicht schlecht.

Sie sind verheiratet und haben zwei Kinder. Das war sicher eine schwere Zeit für die Familie. In der «Schweiz am Wochenende» sprachen Sie von Burnout.

Mir ist bewusst, dass diese Zeit sehr wohl zu meinem Leben gehört. Es war einfach so, dass ich gedanklich abwesend war. Ich habe meiner Frau nicht mehr richtig zugehört. Und hatte null Geduld mit den Kindern. Ich war nicht böse, aber immer gereizt, ungeduldig, rastlos.

Welche Rolle spielte das Handy? Wir sind heute immer auf Achse.

Ich versuchte, es abends abzuschalten. Allerdings ist meine Frau eine Person, die relativ früh zu Bett geht. Das heisst: Ich hatte zwei Stunden Pause am Abend, und dann war ich wieder mittendrin am Handy, mitten in den Gedanken.

Gingen Sie nach Ihrem Rücktritt eigentlich stempeln?

Nein, weil ich weiss, dass dies nicht so gut angekommen wäre.

Dann haben Sie auf über 100 000 Franken verzichtet.

Ja. Und gesetzlich hätte ich auch das Recht dazu gehabt. Aber die Lehre aus dem Ganzen war viel wichtiger für mein Leben. Nämlich, dass ich nie mehr Sportchef sein will in diesem Leben. Ich merkte, dass ich nicht gemacht bin für diesen Job.

Warum?

Als Spieler habe ich gearbeitet wie ein Irrer und wurde durch diese Verbissenheit besser und besser. Als Funktionär in einem Klub musste ich merken, dass diese Erfolgsformel nicht gilt. Du bist viel abhängiger von anderen Faktoren. Du beeinflusst als Sportdirektor zwar eine Mannschaft und eine Klubphilosophie, aber am Schluss bist du abhängig vom Ergebnis am Samstag. Da kannst du lange das Gefühl haben, eine Mannschaft gut zusammengestellt zu haben. Wie es in der Gesellschaft ist, braucht es dann einen Schuldigen. Der erste ist der Trainer, der zweite der Sportchef. So ist es im Fussball. Durch die Erfahrung in Luzern habe ich meine Berufung gefunden.

Die wäre?

Ich will Trainer werden – ob ich zurück zu den Profis will, weiss ich aber nicht. Im Moment habe ich kein Bedürfnis danach, vielleicht kommt es irgendwann. Mit den Junioren, bei den U18 des FCB, fühle ich mich wohl.

Ist das ein 100-Prozent-Job?

Ja klar. Nebst unserer Klubphilosophie ist dies so vorgegeben durch den Schweizerischen Fussballverband.

Hätten Sie als Profitrainer nicht Angst, wieder im ganzen Hamsterrad zu landen?

Ich möchte zuerst meine Trainerausbildung komplett abschliessen und im Besitz der A-Lizenz sein. Sollte ich diesen Schritt eines Tages machen, so werde ich mich sehr gut darauf vorbereiten.

Alex Frei steht am Tinguely-Brunnen, kurz darauf in der Kunstskulptur «Intersection», die aus 80 Tonnen Stahl erstellt wurde. Frei schaut sich um, Fotos sind ihm unangenehm. Und doch sagt er: «Mir ist es wohl in meiner Haut. Jeden Tag. Ich habe ein schönes Leben.» Er ist angekommen in seiner neuen Rolle, eine Spur entspannter – und doch flackert seine Emotionalität immer mal wieder auf. Zum Beispiel, wenn es um Politik oder die Ausrichtung des Schweizer Fussballs geht.

Sind Sie eigentlich für No Billag?

Komische Frage (lacht). Ich glaube einfach, dass einige bei der SRG nicht ganz begriffen haben, warum es überhaupt so weit gekommen ist. Dabei geht es wohl weniger um die 451 Franken.

Sondern?

Darum, dass man sich hinterfragt. Dass man die Zeichen der Zeit erkennt.

Also stimmen Sie für die Abschaffung oder dagegen?

Nein, ich bin gegen No Billag, weil die Initiative zu extrem ist. Aber einige bei der SRG kommen mir vor wie ein paar Klubbosse im Schweizer Fussball.

Inwiefern?

Man muss sich nicht in die Tasche lügen, in der Challenge League kämpfen alle ums nackte Überleben. In den letzten sechs Jahren stiegen fünf Mannschaften aufgrund finanzieller Fehlplanungen oder komischer Machenschaften ab. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass es da Präsidenten gibt, die träumen, dass einer kommt und sieben Millionen für einen Spieler hinlegt. Das sollten sie einfach vergessen und mal über Änderungen nachdenken. Man wird die Challenge League reformieren müssen – die Sturheit einiger Menschen ist dabei im Weg.

Ein Gärtli-Denken?

Sagen wir’s mal so: Wenn man abstimmt und ablehnt, dass U21-Mannschaften auf sportlichem Weg in die Challenge League aufsteigen können, dann ist der Horizont jener Menschen relativ beschränkt.

Ihre Ideen?

Da gibt es viele Möglichkeiten. Klar ist für mich, dass die U21-Teams in die Challenge League aufsteigen dürfen sollten. In Spanien spielt Barcelona B auch in der zweiten Liga. Die Reserve von Werder Bremen auch in der 3. Bundesliga. Aber im Grundsatz muss die Challenge League eine Ausbildungsliga werden. Zum Beispiel, indem jede Mannschaft immer fünf U21-Spieler in der Startelf haben muss.

Wie kann das funktionieren?

Man muss die Klubs vielleicht zu ihrem Glück zwingen!

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