Presseschau

Basellandschaftliche Zeitung vom 21.09.2018

Wenn plötzlich alles anders ist

Fussball Ricky van Wolfswinkel kam zum FCB als Stürmer und weil er international spielen wollte. Jetzt schaut er Champions League am TV und spielt als Flügel

Sébastian Lavoyer

Eigentlich müsste Ricky van Wolfswinkel zu diesem Zeitpunkt irgendwo am Flughafen stehen, die Beine müde vom Spiel am Tag zuvor. Vielleicht mit der Erinnerung an einen weiteren glorreichen Champions-League-Auftritt, die der FC Basel schon öfters hinlegte. Oder er müsste wenigstens in irgendeinem Hotel-Bett liegen, ausruhen, sich vorbereiten auf die Europa-League-Partie am Abend. «Normalerweise würde ich jetzt nicht hier sitzen», sagt auch van Wolfswinkel. Denn normalerweise würde der FCB international spielen. Aber seit dem Führungswechsel ist alles ein bisschen anders.

Vor etwas mehr als einem Jahr kam van Wolfswinkel von Vitesse Arnheim zum FC Basel. Mit einer ziemlich klaren Vorstellung: «Mit dem Wechsel zu Vitesse habe ich in meiner Karriere einen Schritt zurückgemacht. Dann kam das Angebot von Basel und damit die Gelegenheit, um die Meisterschaft zu spielen und Champions League.» So war das ja immer in der jüngeren Vergangenheit. Doch erstmals seit 15 Jahren spielt der FCB weder Champions noch Europa League. So sitzt Ricky van Wolfswinkel an diesem Donnerstagnachmittag vor der Rotblau-Bar im Schatten. Frisch geduscht und herausgeputzt, das morgendliche Training in den Beinen und das Spiel gegen Meister und Leader YB vor der Brust. Das Spiel der Berner gegen Manchester United am Vorabend hat er zu Hause geschaut. «Das war schon komisch», gibt er zu, «vor allem, als sie dann am Schweizer Fernsehen noch sagten, dass Mourinho zweimal in der Schweiz spielte und zweimal verlor, zweimal gegen den FCB. Da denkt man schon: Eigentlich müssten wir jetzt spielen. Aber wir haben es nicht verdient, so sehr es nervt, das zu sagen.»

Ein Signal an die Konkurrenz

Und so hat er an diesem Mittwoch erst die Kinder ins Bett gebracht und dann den Fernseher eingeschaltet. Zum einen, weil er sehen wollte, wie sich Manchester United auf Kunstrasen schlägt. Zum anderen natürlich, weil er den Gegner vom Sonntag auch in Aktion sehen wollte. Seine Lehren aus dem TV-Abend: «Wenn United den Ball hatte, kontrollierten sie das Spiel und fanden immer wieder Räume. So müssen wir das auch machen.»

Für den FCB ist das Spiel am Sonntag in Bern von enormer Bedeutung. Neun Punkte beträgt der Rückstand auf YB und das nach bloss sechs Runden. Auf gar keinen Fall dürfen die Basler verlieren. Aber die Ziele sind höher: «Wir wollen ein Signal senden, den Rückstand auf sechs Punkte verringern.» Das Signal, das man an die Konkurrenz, die eigenen Fans und nicht zuletzt an das eigene Team senden möchte: Mit uns ist noch zu rechnen. Zumal YB erst noch beweisen muss, dass es die Dreifachbelastung meistern kann.

Der holländische Stürmer wird auch am Sonntag in Bern auflaufen, wie immer seit dem Trainerwechsel. Bloss nicht im Sturm, sondern auf dem Flügel. Eine Position, die er nie zuvor in seinem Leben gespielt hat. «Ich werde auch nie ein typischer Flügel sein. Ich bin nicht gut im 1:1, habe auch zu wenig Speed», sagt van Wolfswinkel. Trotzdem ist er unter Koller auf dieser Position gesetzt. «Wir wollten mehr Präsenz im Sturm. Ricky ist kein klassischer Flügel, der nur die Seite beackert. Er sucht den Raum und findet ihn öfter, wenn er von aussen zur Mitte zieht, als wenn er mit dem Rücken zum Tor steht», erklärt der Trainer seine Überlegungen.

Unter Raphael Wicky verkam der im Sommer 2017 als «Königstransfer» präsentierte Holländer zum Statisten. Trotzdem rief van Wolfswinkel Wicky eine Woche nach dessen Entlassung an und bedankte sich. Für die gemeinsame Zeit, dafür, dass er ihn zum FCB holte. Denn van Wolfswinkel gefällt es noch immer in Basel, trotz gerissener Meisterserie und verpasster Europa League. Seit Koller da ist, spielt van Wolfswinkel wieder. Er schiesst wieder Tore (fünf bisher), und er ackert defensiv wie ein Wahnsinniger. «Er wurde als Mittelstürmer geholt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht normal, wie er nach hinten arbeitet. Das ist Mentalität, das ist top», sagt Koller. Die Umfunktionierung van Wolfswinkels ist so weit fortgeschritten, dass dieser gar schon Positives darin sieht: «Als Stürmer hast du manchmal in einer Halbzeit bloss fünf Ballberührungen und dann sind es vielleicht bloss kurze Ableger. Jetzt bin ich viel stärker im Spiel integriert, habe mehr Freiheiten.» Einzig unter der Woche ist er zum Zuschauen verdammt. Aber das soll sich nächste Saison wieder ändern.

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