Presseschau

Basler Zeitung vom 13.01.2007

Nach der «Ganzkörperverletzung» wechselte Kruse die Seite

was wurde aus …? *

Axel Kruse spielte kurz beim FC Basel, war nach seinem Karrierenende aktiver American Footballer und ist heute als Journalist unterwegs
REMO MEISTER

Der ehemalige Fussballprofi lebt seit Jahren in Berlin und ist heute mit seiner Produktionsfirma im Medienbereich tätig. Im Frühling 1994 spielte der Ostdeutsche für kurze Zeit beim FC Basel und stieg mit ihm in die NLA auf › eine Zeit, die Axel Kruse «ganz sicher nie vergessen» wird.

«Hallo.» Die Stimme am Telefon klingt vertraut, auch wenn es ein paar Jahre her ist, als sie hierzulande letztmals zu hören war. Man kennt die Stimme von früher, aus unterschiedlich knackigen TV-Interviews nach Bundesliga-Spielen. Und man kennt sie auch aus seinem kurzen Gastspiel beim FC Basel in der Aufstiegssaison 1993/94. Hellauf begeistert scheint Axel Kruse nicht zu sein, als er den Anruf aus Basel entgegennimmt. «Machen wirs so kurz wie möglich», sagt er, allerdings nicht unfreundlich. Er wirkt korrekt und professionell. Am Ende dauert das Gespräch länger als vereinbart, und der 39-Jährige klingt je länger desto entspannter.

HOYZER IM INTERVIEW. Axel Kruse kennt die Medienarbeit aus seiner Aktivlaufbahn, und mittlerweile hat er selbst die Seite gewechselt. Nach seiner Karriere im Fussball und als erfolgreicher Kicker des Profi-Footballteams Berlin Thunder (1999 bis 2003) hatte er beim Regionalsender TV Berlin als Sportjournalist gearbeitet, bevor er Ende 2005 mit einem Kollegen eine Produktionsfirma gründete. «Es ist sehr interessant, einmal die Seite zu wechseln, wenn du vorher immer der Gefragte warst», sagt Kruse.

Der bisherige Höhepunkt seiner Arbeit als Journalist sorgte für interationales Aufsehen: Anfang 2005 bat Kruse den unter Manipulationsverdacht stehenden Schiedsrichter Robert Hoyzer zum Exklusivinterview bei TV Berlin › und hatte Erfolg. Im Gespräch mit Kruse hatte Hoyzer noch jede Schuld von sich gewiesen. Kurz darauf war er geständig, und im November wurde er wegen Beihilfe zum Betrug zu zwei Jahren und fünf Monaten Gefängnis verurteilt. «Die Hoyzer-Geschichte war das Highlight schlechthin», findet der Ex-Profi. «Ich habe hartnäckig wie alle anderen versucht, ihn als Erster zu bekommen. Mein Glück war, dass er mich kannte.»

impulsive auftritte. Obwohl Axel Kruse nie einer der ganz grossen deutschen Fussballer war, machten ihn seine mitunter impulsiven Auftritte berühmt-berüchtigt. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» beschrieb sein Spiel einmal so: «Ohne Schnörkel und unter Verzicht auf jeden ihm nicht zustehenden Schnickschnack, immer schön geradeaus, Ball und Ziel stets vor Augen.» In Deutschland spielte Kruse in neun Jahren Bundesliga für Hertha Berlin, Eintracht Frankfurt und den VfB Stuttgart, in 141 Partien erzielte er 30 Tore. Mit der Eintracht hatte der Stürmer 1992 die eine Hand bereits an der Meisterschale, als Rostock in der 90. Minute des letzten Saisonspiels mit dem Treffer zum 2:1 die Frankfurter Titelträume noch zerstörte. «Das war der schwärzeste Tag meiner Sportlerkarriere», sagt Kruse.

Warm ums Herz wird ihm hingegen, wenn er sich an den April 1994 zurückerinnert. Für die letzten paar Spiele der Auf-/Abstiegsrunde verpflichtete der FC Basel den Ostdeutschen leihweise vom VfB Stuttgart. Als er sich einen Tag nach seiner Ankunft während der Cup-Heimpartie gegen Schaffhausen an der Seitenlinie warmlief, erlebte Kruse einen unvergesslichen Empfang. «Die Leute im Stadion standen auf und feierten mich», erzählt er, «es war überragend, die Szene werde ich mein Leben lang nicht vergessen.» Kurze Zeit später, am 17. April 1994, stand der NLA-Aufstieg des FCB fest und Kruse verabschiedete sich nach bloss vier Einsätzen und zwei Treffern wieder in Richtung Stuttgart.

Trotzdem haben ihn die Basler Fans noch heute als Publikumsliebling in Erinnerung. Allerdings war Kruse in seiner Karriere auch dafür bekannt, gerne mal auszurasten. Sein «Sündenregister» reicht von diversen Problemen mit Trainern bis hin zum Vorfall, als er 1993 in einem Cupspiel mit Stuttgart den Schiedsrichter über den Haufen rannte und dafür drei Monate gesperrt wurde. «Ich hatte mich nicht immer unter Kontrolle», sagt Kruse rückblickend. «Aber ich habe immer alles gegeben, dafür haben mich die Fans gemocht.» Zu bereuen habe er insofern nichts, «auch wenn ich sicher kein einfacher Spieler war».

stasi-verhör. Alles andere als einfach hatte es Axel Kruse in seiner Jugend. Aufgewachsen in Wolgast an der Ostseeküste im Nordosten Deutschlands, gewann er 1986 mit dem U18-Team der DDR den EM-Titel. Kurze Zeit später musste er ein fünfstündiges Stasi-Verhör über sich ergehen lassen und wurde aus unbekannten Gründen mit einem Reiseverbot belegt. Nach dessen Aufhebung reiste Kruse mit Hansa Rostock «ins kapitalistische Ausland, wie wir das damals nannten», an ein Europacupspiel nach Kopenhagen. Von dort aus nutzte er die Möglichkeit zur Flucht. Er ging zu Freunden nach Berlin und unterschrieb bei der Hertha einen Vertrag › nach dem Mauerfall war Kruse ab Januar 1990 für die Berliner spielberechtigt. «Die Flucht hat mich sehr geprägt», sagt er. «Ich bin noch immer stolz darauf, dass ich mir die Freiheit selbst erkämpft habe.»

Heute geht es in Axel Kruses Leben ruhiger zu und her. Seine Fussballkarriere hat er 1998 in Berlin beendet › «wegen einer Ganzkörperverletzung», wie er in Anspielung auf sein lädiertes Knie und den anfälligen Rücken sagt. Von der ersten Frau geschieden, lebt er mit seinem Sohn Paul (15) und seiner neuen Lebenspartnerin am Rande von Berlin. In diesem Jahr wird er 40, «aber das Kind in mir lebt weiter», sagt er lachend. Ein bisschen Sport treibe er immer noch, Tennis, Eishockey und Fussball, alles nur zum Spass. Kruses Körper hat den Jahren im Profibusiness Tribut gezollt: «Wenn ich am Abend Sport treibe, fühle ich mich am Morgen danach wie 60. Und sonst wie 25.»

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