Basler Zeitung vom 07.12.2007
Christian Gross rühmt die neue Flexibilität seines Teams
MARCEL ROHR
Zum dritten Mal seit 2004 überwintert der FC Basel europäisch. Der Trainer veredelt konsequent sein 4-1-4-1-System, der Chefscout will die Mannschaft weiter verstärken.
Der Tag danach ist für Christian Gross immer wichtig. Auslaufen, Pflege, den Kopf lüften und sich mit den Spielern auf die nächste Aufgabe fokussieren – das stand im St.-Jakob-Park auch gestern auf dem Programm. Danach fand der Coach Zeit, das 1:0 gegen Brann Bergen und die vorzeitige Qualifikation für die Sechzehntelfinals im Uefa-Cup nochmals einzuorden. «Es war ein souveräner Auftritt», befand er, «wir haben selten einen Gegner von derartigem Renommée so klar dominiert wie die Norweger.»
Was Gross nicht sagt: In Sachen System und Taktik ist er längst zum Vorreiter der Schweizer Liga avanciert. 2001/2002 kreierte er den Rhombus im Mittelfeld und verhalf Hakan Yakin zum internationalen Durchbruch. Damals war dieses 4-3-1-2 goldrichtig. Sechs Jahre später setzt Gross auf andere Systemzahlen, die sich bewähren: 4-1-4-1. Lange wurde dieses taktische Korsett als zu defensiv verschrien. Gross beweist das Gegenteil. Denn bei Ballbesitz wird aus dem 4-1-4-1 meist ein 4-3-3 – was die Gegner sofort in den eigenen Strafraum treibt. «Gross verfolgt den europäischen Fussball intensiv, er schaut bei den besten Teams genau hin», sagt Chefscout Ruedi Zbinden, «seine Folgerungen daraus lässt er dann beim FCB einfliessen.»
Die wichtigste Erkenntnis für Gross: «Die meisten Spitzenteams agieren nur noch mit einem Stürmer. Das Spiel wird immer schneller, dem ersten Pass aus der zentralen Abwehr heraus kommt immer mehr Bedeutung zu.»
Um ein 4-1-4-1-System effizient anzuwenden, braucht es hochkarätige Aussenspieler wie Carlitos und Felipe Caicedo. «Sie sind dribbelstark und können eine Abwehr über die Seite aufreissen», sagt Gross, «dazu ist David Degen eine wertvolle Ergänzung, auch wenn er seit dem Nigeria-Länderspiel in einem Leistungsloch ist.»
eine Starke Abwehr. Die Annäherung des FCB an Europa hat noch einen zweiten, entscheidenden Vorteil. Die Defensive steht äusserst kompakt, die Wege nach hinten sind für die zentralen Mittelfeldspieler Huggel, Ba, Ergic, Chipperfield oder Eduardo kürzer als in einem System mit zwei Angreifern. Die Folgen lesen sich in den Uefa-Cup-Tabellen wunderbar: Neben dem FCB haben nur Panathinaikos Athen sowie der HSV in drei Matches noch keinen Gegentreffer kassiert.
Auch deshalb darf Gross freudig registrieren, «dass wir uns leistungsmässig dem Niveau der Saison 2002/03 nähern». Damals räuberten die Rotblauen durch die Champions League und verblüfften die Scouts zwischen Glasgow und Valencia. Abstriche zu 2002 macht Gross einzig im Sturm, wo Eren Derdiyok (19) oder Felipe Caicedo (19) noch die Erfahrung abgeht.
Doch Erfolge wecken Begehrlichkeiten. Als Caicedo am Mittwoch vom Platz musste, verwarf er die Hände und eilte schnurstracks in die Kabine; Gesten, die seine Mitspieler nicht goutieren. «Er ist halt noch jung und voller Feuer», verteidigt ihn Zbinden.
Zahlreiche Späher haben den Ecuadorianer längst im Visier, «fast täglich wird uns von irgendwo ein Angebot angekündigt», weiss Zbinden, der offen zugibt: «Im Hinblick auf den nächsten Sommer gibt es bei uns schon ein paar Fragezeichen.»
Die Kontrakte von Reto Zanni, Koji Nakata, Daniel Majstorovic sowie Papa Malick Ba laufen aus. Die Strategie von Zbinden ist simpel. «In der Winterpause wollen wir niemanden ziehen lassen. Denn über allen Erfolgen im Uefa-Cup steht bei uns der Gewinn des Meistertitels.» Der einstige Flügelflitzer will den 24-köpfigen Kader im Gegenteil sogar noch verstärken: «Entweder für die Innenverteidigung, für die Aussenpositionen im Mittelfeld oder für den Sturm.» Namen hütet Zbinden jedoch wie seinen Augapfel.