Presseschau

Basler Zeitung vom 07.04.2008

Erst düsterer Singsang, dann ein frohes «Olé, olé»

Der Cupfinal 2008 mündet für den FCB-Anhang in eine ausgelassene Feier auf dem Barfüsserplatz
Renato Beck

Auf und ab ging es mit der Gefühlslage der 33 000 Fussballfans im St.-Jakob-Park. Ein Happy End gab es nur für die Basler: Die Fan-Karawane der AC Bellinzona fuhr nach einem friedlichen Cupfinal traurig ins Tessin zurück.

Verdutzt blicken sie drein, die Schmuckmessenbesucher aus Fernost, und so zücken sie präventiv schon mal das Fotohandy. Es könnte ja mal Einzug in die Historie halten, was sich vor ihnen abspielt. Zuweilen mussten ihnen die Strassen hier in Basel wie leergefegt vorkommen und jetzt dieser Auflauf. Hat da einer eine rot-blaue Revolution angezettelt?

Wie Aufrührer sehen die FCB-Spieler auf dem Balkon des Stadtcasinos nun nicht gerade aus, auch wenn unter ihnen die Post abgeht, als hätten sie soeben den Weltfrieden ausgerufen. Tausende üben den kollektiven Schulterschluss, Schwefelschwaden von 1.-August-Böllern und Zigarrenrauch wabern über den Barfüsserplatz: Es riecht nach Sieg. Dass es dennoch ein kleinerer Fan-Aufmarsch zu sein scheint, als auch schon in der jüngeren FCB-Vergangenheit, liegt mutmasslich an der nicht allzu brisanten Affiche im Cupfinal. Zumindest aus der Sichtweise des einen Finalisten.

Rosabemützte tessiner. Bellinzonas Fan-Karawane macht sich zum Zeitpunkt der Basler Feier bereits auf den Rückweg ins Tessin. Leicht geknickt trottet die Kolonne vom Stadion zu den Reisecars und erinnert mit den rosafarbenen Einheitsmützen an Gewerkschaftsmitglieder nach einem verlorenen Tarifstreit. Denn obwohl die Ausgangslage klar gegen sie sprach, fanden die Bellinzona-Fans, ein gewisser Optimismus sei durchaus begründet. Und sie legen eine hübsche Choreografie vor, als die Mannschaften einlaufen.

Etwas, worauf man in der Muttenzerkurve seit einiger Zeit verzichtet. Bei einer Choreografie könne nur eine oder zwei Minuten lang etwas Prächtiges entstehen, vermeldet dazu ein Sprecher der Fans. «Doch das wahre Gesicht einer Kurve offenbart sich darin, was für ein Bild 6000 Menschen während 90 Minuten abgeben.» Dieses Bild muss hart erarbeitet werden, deshalb mahnt am Cup-Final ein Spruchband am Tribünenzaun: «Dr Fan isch dr 12ti Maa und git wie die andere 11 alles wo är ka.» Auch der Capo, der Vorsprecher der Muttenzerkurve, muss um die Ordnung in seinen Reihen ringen. «Nit jede für sich singe», fordert er via Megafon. Schon folgt ein festliches «Schalala», das in den Stadionklassiker «Olé, olé, olé» mündet.

In feierlicher Stimmung ist die Kurve indes erst, nachdem der FCB seine Höherklassigkeit unter Beweis gestellt hat und mit 4:1 wegzieht. Zuvor verfällt man zuweilen in einen düsteren Singsang und das selbstbeschwörende «Lüüter singe, immer lüüter singe, bis dr FCB s Goal gschosse het». Früh schon, gleich nach Anpfiff, ist die gute Laune dahin. Einige Grosschancen Bellinzonas bei auffallend gleichgültigen Basler Abwehrspielern lassen den Atem stocken. Erboste Reaktionen folgen, die wiederzugeben, gegen das Jugendschutzrecht verstossen würde.

Schimpftiraden sind auch im Sektor von Bellinzona vernehmbar. Ein Fan mit dicken Rastas unter der Kappe und einem Joint zwischen den Fingern brüllt unablässig Richtung Spielfeld. Doch gerade in dem Moment, als ihm die Stimme versagt, schiesst die ACB den vermeintlichen Ausgleich. Als kurz darauf wieder ein Tor gelingt – diesmal regelkonform –, liegt der schöne rosa Flitter schon auf dem Boden. Da haben die Basler Fans besser geplant und reichlich Petarden eingepackt. Die Vorräte konnten in den letzten Partien allerdings geschont werden – viel zu jubeln gab es nicht.

Dass trotz Cupgewinn die Ansprüche unverändert hoch sind beim FCB-Anhang dokumentiert eine Szene auf dem Balkon ob der Muttenzerkurve. Während auf dem Rasen der Pokal die Runde macht und Majstorovic seinen Teamgefährten Perovic aufbuckelt und rumdreht, spricht ein Fan: «Jetzt müsst ihr aber noch Meister werden.»

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