Tagesanzeiger vom 05.05.2008
Tiefes Bildungsniveau, gewaltbereit, Secondos: Die Werfer von Fackeln auf Zuschauer in Basel sind wohl FCZ-Fans aus dem Kreis 4. Sie werden auch von der Südkurve geächtet.
Von Dario Venutti
Vor anderthalb Jahren solidarisierte sich die Südkurve mit den beiden Fangruppierungen «K4» und «Prolls», nachdem der FC Zürich gegen diese wegen «Gewaltbereitschaft» (Begründung FCZ) kollektive Stadionverbote ausgesprochen hatte - und boykottierte einige Spiele. In diesem Frühjahr, im Uefa-Cup-Hinspiel gegen den Hamburger SV, griff die Südkurve selber zu einer drastischen Massnahme und schloss «K4» aus ihrem Sektor im Letzigrund aus. Spätestens seit diesem Zeitpunkt führt die Gruppierung ein Eigenleben ohne jegliche Einbindung in die Strukturen der Südkurve und damit auch ohne Kontrolle. Die Tatsache, dass mutmasslich «K4»-Mitglieder am Freitag brennende Fackeln auf Zuschauer in Basel warfen, macht deutlich, dass sie ihr Selbstverständnis nur noch aus radikalen Gesten beziehen.
Die Abkürzung «K4» steht für Kreis 4. Die meisten Mitglieder wohnen in diesem Zürcher Stadtteil. Laut verschiedenen, gut informierten Quellen handelt es sich bei ihnen überwiegend um Secondos aus Italien, Spanien und dem ehemaligen Jugoslawien, die zusammen aufgewachsen sind, weshalb unter ihnen eine starke Solidarität herrscht. Gemäss diesen Quellen verfügen die meisten über wenig Bildung. Sie scheinen ein Rechtsempfinden entwickelt zu haben, das nicht einmal mehr in der Südkurve Platz hat, wo die Toleranz gegenüber Verstössen gegen den bürgerlichen Geschmack relativ gross ist.
Handlanger der Südkurve?
Die Südkurve schloss «K4» aus, nachdem zahlreiche Aufrufe zur Mässigung nicht gefruchtet hatten. So hatten «K4»-Mitglieder beispielsweise in Luzern Busse demoliert, in Basel Schlägereien mit gegnerischen Fans mit Waffen geführt und zuletzt in St. Gallen Eisenstangen auf Sicherheitsmitarbeiter geworfen - ohne dafür je belangt worden zu sein. Zudem zählt zu den Utensilien von «K4» eine abgewandelte Nazi-Fahne, welche die Gruppierung seit ihrem Ausschluss wieder regelmässig zeigt.
Der «K4» wiederum warf der Südkurve nach seiner Verbannung auf einem Flugblatt vor, in den letzten Monaten nicht mehr in die Aktivitäten der Kurve, beispielsweise bei der Herstellung von Choreografien, einbezogen worden zu sein. Hingegen habe die Südkurve auf sie zurückgegriffen, wenn es darum gegangen sei, pyrotechnisches Material ins Stadion zu schmuggeln oder einen Eingang zu stürmen, um auf diese Weise möglichst vielen freien Eintritt zu verschaffen. Wie weit die Bemühungen von aktiven Fans um eine Integration und Mässigung des «K4» gingen, ist eine offene Frage. Von den führenden Köpfen der Südkurve war am Wochenende niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Unabhängige Beobachter der Szene sagen hingegen, dass ein konstruktiver Dialog mit «K4» praktisch unmöglich ist.
Im Gegensatz zu Spielen im Letzigrund steht «K4» auswärts am gleichen Ort wie die Südkurve, weil in der Super League nur ein Sektor für Anhänger des Gastklubs reserviert wird. In Basel war «K4» innerhalb des Sektors jedoch klar vom Rest getrennt (siehe Bild). Und nachdem die ersten Fackeln geworfen worden waren, versuchten einige FCZ-Fans, mässigend auf die Mitglieder von «K4» einzuwirken. Dies führte allerdings zu Prügeleien innerhalb des FCZ-Sektors. Laut Einträgen im FCZ-Forum sollen auch 1.-Mai-Krawallanten und Skinheads bei der «K4»-Gruppierung gestanden sein. Auf Youtube-Aufnahmen ist ersichtlich, dass viele Fans klatschten, während die Fackeln geworfen wurden. Ob damit «K4» applaudiert oder ein Lied angestimmt wurde, um sich auf diese Weise abzugrenzen, ist schwierig zu beurteilen.
Schlägereien auch in Zürich
Unbemerkt von Öffentlichkeit und Polizei endete der Abend nach Rückkehr des Extrazugs in Zürich mit weiteren Schlägereien: zunächst im Hauptbahnhof unter FCZ-Fans, dann bei der Sihlpost, wo Vermummte auf FCZ-Anhänger einschlugen. Im Forum und in Blogs wird gemutmasst, dass es sich bei den Vermummten um die «City Boys» handelte, eine traditionelle FCZ-Hooligangruppierung, die «K4» sozusagen aus pädagogischen Gründen eins auswischen wollte.
Die Klagen von Liga und Klubs
Der Sicherheitschef der Liga wünscht sich schärfere Strafen gegen Krawallanten.
Peter Landolt ist Präsident der Sicherheits-Kommission in der Swiss Football League. Am Freitag war er Inspizient in Basel. Ihm wurde zugetragen, dass die Leuchtfackeln vermutlich via Haupttribüne ins Stadion geschmuggelt wurden. Er hat gesehen, dass die Fackelwürfe gegen das Basler Publikum lebensgefährlich waren. Er wird seinen Rapport der Liga zustellen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass der FC Zürich für die massiven Vergehen seines Anhangs ebenso massiv gebüsst wird. Ihm drohen neben einer hohen Geldbusse auch Geisterspiele. Der FC Basel war nach dem Krawallen seiner Fans am 13. Mai 2006 mit zwei Geisterspielen und drei weiteren Partien vor der leeren Muttenzer-Kurve sowie 80 000 Franken Busse bestraft worden.
Der FCZ setzte beim ständigen Dialog mit Exponenten aus den verschiedenen Fanklubs auch auf die Selbstregulierung in der Kurve. «Diese Selbstregulierung gibt es», sagt Landolt, «aber sie greift zu kurz.» Landolt hat daneben die Erfahrung gemacht, dass die Justiz wohl aus Kostengründen oft nicht alles unternimmt, um Krawallanten zu identifizieren und zu bestrafen. Er fordert stärkere Repression und sagt: «Wer im Stadion eine Fackel zündet, gehört ins Gefängnis.» In den kommenden Tagen wird er zusammen mit Liga-Präsident Stadelmann ein nächstes Massnahmenpaket gegen gewalttätige Matchbesucher vorstellen und hofft auf eine schnelle Umsetzung.
FCZ-Präsident Ancillo Canepa wehrt sich gegen den Vorwurf, der Klub habe zu wenig unternommen, um den gewaltbereiten Teil seiner Fans zu eliminieren. Gewisse Gruppen seien mit dem angebotenen Dialog nicht zu erreichen und bewegten sich ausserhalb jeglicher Strukturen. Und auch er spricht von mangelnder Unterstützung der öffentlichen Hand. «Es wird viel geredet und bezüglich gewisser Personen zu wenig unternommen.» (ukä./wie.)