Basler Zeitung vom 16.07.2008
Selten war der FCB derart gewollt aktiv auf dem Transfermarkt
Acht neue Profiverträge. «Es wird einiges passieren bei uns», hatte Ruedi Zbinden unmittelbar nach Gewinn des Doubles angekündigt. Der Chefscout des FC Basel hat – zusammen mit Vize Bernhard Heusler sowie Präsidentin Gigi Oeri im Hintergrund – den Worten Taten folgen lassen. Acht frische Kräfte haben bei den Rotblauen bislang einen Profivertrag unterschrieben. Einer davon, Samet Gündüz, ist gestern für ein Jahr zum FC Wil ausgeliehen worden. Das Talent soll in der Challenge League reifen. Beendet sind die Transferaktivitäten damit aber nicht; ein neuer Stürmer als Ersatz für Marco Streller könnte noch bis Ende Woche dazukommen. Die FCB-Macher forcierten bewusst die neue Kaderzusammenstellung, Cheftrainer Christian Gross soll mit jungen, hungrigen Spielern in seine zehnte Saison steigen. Verstärkt oder ergänzt haben sich die Basler in jeder Reihe, einzig bei den Goalies herrscht Kontinuität. Im Fokus stehen speziell der neue Abwehrchef David Abraham sowie Jürgen Gjasula, der Mann mit Spielmacherqualitäten. Aber auch bislang unbekannte Namen wie Orhan Mustafi oder Pascal Schürpf wollen die Chance packen, beim grössten, spektakulärsten und momentan erfolgreichsten Club der Schweiz zu spielen. Die baz stellt sämtliche neue Gesichter vor.
Daniel Unal
Das Talent. Ein Traum hat sich für Daniel Unal schon erfüllt: Er trug eine Saison lang das Trikot der AS Roma. Da ihn die Römer aber lediglich für eine weitere Saison von der AC Bellinzona ausleihen wollten, entschied sich der Schweizer U19-Nationalspieler für den FC Basel. Nachdem Ruedi Zbinden im Mai den Kontakt aufgenommen hatte, fiel die Unterschrift unter einen Dreijahresvertrag dem 18-Jährigen nicht schwer, «denn auch im Ausland ist der FCB ein Club mit einem guten Namen». Die Chance in Basel schien ihm reizvoller als in Rom, wo er zum Kader der «Primavera» gehörte. In dieser Meisterschaft versuchten vergangene Saison mehr als 40 Roma-Nachwuchsspieler, sich Sporen zu verdienen. «Es war eine sehr gute Erfahrung, ich habe viel über die Mentalität des italienischen Fussballs gelernt», sagt Unal, der im Nachwuchs sechs Tore erzielte und ein halbes Dutzend Mal in der Serie A auf der Ersatzbank der Roma sass, ohne zum Einsatz zu kommen. Jenen, die die Schweizer Auswahlteams im Auge haben, gilt der Linksfuss Unal als der talentierteste Aufbauer seines Jahrgangs: klein, wendig und technisch beschlagen. Seine nächsten Ziele setzt er mit realistischem Zeithorizont: In zwei Jahren will er Stammspieler beim FCB sein: «Aber auch in Basel gibt es für mich keine Garantien. Es gibt andere gute, junge Spieler. Das Niveau im Training ist hoch.» Geboren in Locarno, fühlt sich der Sohn von armenisch-stämmigen Eltern in Basel «herzlich» aufgenommen. Vereinfacht wird ihm der Start durch seinen 23-jährigen Bruder Mattia, der in Basel studiert und beim FC Nordstern spielt. Einen nächsten Traum träumt Daniel Unal auch schon: Spanien. Er sagt aber auch: «Eines nach dem anderen. Jetzt muss ich erst die Chance beim FCB wahrnehmen.» cok
Daniel Unal, Trikotnummer 26
Geboren: 18. Januar 1990 in Locarno. – Mittelfeld. – 172 Zentimeter, 68 Kilo. – Bisherige Vereine: AS Roma, AC Bellinzona, AC Lugano, FC Locarno.
Orhan Mustafi
der Kniespezialist. Am 4. April wurde Orhan Mustafi 18 Jahre alt – und trotzdem blickt der Mazedonier bereits auf eine bewegte Fussballerlaufbahn zurück. Vor drei Jahren begann sein Meniskus im linken Knie zu schmerzen. Zwei Operationen musste der Stürmer über sich ergehen lassen, ehe ihm die Ärzte 2006 offenbarten, dass eine Profikarriere im Bereich des Unmöglichen liege – die Spezialisten hatten einen Knorpelschaden entdeckt. «Fast zwei Jahre lang habe ich nicht gespielt, aber ich wollte nicht aufgeben.» Heute sind Teile des Meniskus entfernt, der Arzt gewechselt und die Zuversicht zurück: Mustafi hat seit Januar 2008 keine Schmerzen mehr im Gelenk, die erste Vorbereitung mit dem FCB überstand er problemlos.
Als dreijähriger Knirps war Orhan mit seiner Familie 1993 in die Schweiz gekommen, nach Domat/Ems im Bündnerland. Vater Dzezmi und Mutter Rabije förderten immer die Pläne ihres Sohnes, die sich ausschliesslich um Fussball drehten. 2003 wechselte Mustafi zu GC in die U13, zwei Jahre später ging er zum FC Zürich; der Jugendkoordinator hatte ihm einen Platz in der MSP (Mannschaftssport-Schule Zürich) vermittelt. Ende letzter Saison kam er dann im zweitletzten Super-League-Spiel zu seinem Debüt. Seine beiden Brüder kicken ebenfalls, der eine beim FCZ in der U14, der andere bei YF Juventus. Als der FCB bei Familie Mustafi anklopfte, musste Orhan nicht lange überlegen. «In Basel ist alles viel professioneller als beim FCZ», sagt das Talent, das in dieser Saison mit «ein paar Teileinsätzen» rechnet. Bis in ein, zwei Jahren möchte der Angreifer den Sprung zum Stammspieler geschafft haben, wohlwissend, wie schwer es wird: «Mit Marco Streller, Eduardo und Eren Derdiyok ist die Konkurrenz sehr gross.» rom
Orhan Mustafi, Trikotnummer 29
Geboren: 4. April 1990 in Kumanovo/Mazedonien. – Stürmer. – 190 Zentimeter, 78 Kilogramm. – Bisherige Vereine: FC Zürich, Grasshoppers, Domat/Ems.
Marcos Gelabert
Der Arbeiter. Es war vor allem dieses eine Bild, das vom Abstieg des FC St. Gallen in Erinnerung geblieben ist: Marcos Gelabert, wie er durch den strömenden Regen taumelt, Rotz und Wasser heulend, der Blick wirr, das Hemd blutig. Zwei Saisons nur spielte der Argentinier für die Ostschweizer. Und doch war klar: Da hat sich ein Spieler voll und ganz mit seinem Verein identifiziert. Gelabert selber sagt dazu, er habe eine sehr professionelle Einstellung: «Und wenn ich in einer Mannschaft spiele, dann will ich mein Trikot verteidigen.»
Dass er das jetzt mit den Farben des FC Basel tun kann, kommt für den 26-Jährigen nach dem Abstieg überraschend: «Aber natürlich war ich glücklich, als mir in Argentinien mein Berater erklärte, Basel interessiere sich für mich.» Immerhin war der FCB der einzige Schweizer Verein, den Gelabert vor seinem Wechsel von Estudiantes de la Plata nach St. Gallen gekannt hatte. «Ich wusste, dass hier Christian Gimenez, Julio Hernan Rossi und auch Matias Delgado gespielt haben. Und weil der Zusammenhalt unter argentinischen Fussballern gross ist, gab es immer mindestens einen Freund von einem Freund, der jemanden kannte, der in Basel spielte.»
Er selbst hat sich im Verein sofort eingelebt und erklärt: «Wer sich hier nicht wohl fühlt, will nicht Fussball spielen.» Das gilt für ihn natürlich nicht, auch wenn er weiss, dass die Konkurrenz auf seiner Position hart ist. Mit Benjamin Huggel erhebt ein Schweizer Nationalspieler Anspruch auf den Platz des defensiven Mittelfeldspielers. «Aber das gefällt mir», beteuert Gelabert, «der Trainer soll es vor jedem Spiel schwer haben, sich für einen Spieler zu entscheiden.»
Dieses Vorhaben hat er selbst bislang in die Tat umgesetzt. Seine Leistungen in den Vorbereitungsspielen waren stark. Und Marcos Gelabert sagt: «Trainer und Vorstand haben auf mich gesetzt. Dieses Vertrauen will ich ihnen auf dem Feld mit harter Arbeit zurückzahlen.» Es muss ja nicht unbedingt mit Blut und Tränen enden. fra
Marcos Gelabert, Trikotnummer 6
Geboren: 16. September 1981. – Mittelfeld. – 176 Zentimeter, 72 Kilogramm. – Bisherige Vereine: FC St. Gallen, Estudiantes de la Plata.
Jürgen Gjasula
der Unvollendete. Den Blick zurück mag Jürgen Gjasula eigentlich nicht. Aber um die Vergangenheit kommt man bei ihm nicht herum. In der Freiburger Fussballschule zu einem der vielversprechendsten Mittelfeldspieler Deutschlands geformt, trocknete schon die Unterschrift unter dem ersten Profivertrag nicht ohne Nebengeräusche. Der 1. FC Kaiserslautern warb dem SC Freiburg das Talent ab, und der damalige FCK-Präsident René C. Jäggi bezahlte den Verstoss gegen das Gentlemen’s Agreement unter Bundesligisten mit dem schlechten Gewissen nach einem Kavaliersdelikt. Durchsetzen konnte sich Gjasula in der Pfalz nicht, und seine beiden Jahre in St. Gallen – das zweite besser als das erste – endeten mit der Suspendierung. «Das war ein Schock», sagt Gjasula, sich bewusst, dass die Gründe, die ihm nie näher genannt worden seien, Raum für Spekulationen lassen. Heute sagt er, dem in der Ostschweiz das Etikett des Partygängers anhaftete: «Ich war nicht öfter weg als andere.» Er will aber auch eine Lehre gezogen haben: «Ich muss besser aufpassen, wann ich wohin gehe.» Der FC Basel, der ihn ablösefrei für drei Jahre übernommen hat, ist die Station für den 22-Jährigen, wo er den Schritt vom Talent zum matchprägenden Spieler machen muss. «Es liegt an ihm», sagt Christian Gross, der Gjasulas Reifeprozess als «Herausforderung» betrachtet, «es schlummert grosses Potenzial in ihm.» Seit März hatte Gjasula kein Spiel mehr in den Beinen. Im zentralen Mittelfeld, links neben Ivan Ergic, wird seine Position im FCB-Dispositiv gesehen. Kreativ und dribbelstark ist er, der Trainer verlangt von ihm, den Abschluss zu suchen und will mit Gjasula anstossen, sobald dem das erste Kopfballtor gelingt. «Ich will zeigen, was ich kann», sagt Gjasula, «und schaue nach vorne.» cok
Jürgen Gjasula, Trikotnummer 7
Geboren: 5. Dezember 1985. – Mittelfeld. – 189 Zentimeter, 85 Kilo. – Bisherige Vereine: FC St. Gallen, 1. Kaiserslautern, SC Freiburg, Freiburger FC.
Behrang Safari
Der Abgehärtete. Behrang Safari hatte Glück: Weil er gleichzeitig mit Marcos Gelabert verpflichtet wurde, verkniffen sich die Schweizer Zeitungen Kalauer wie «FCB auf Safari». Den 23-jährigen Schweden hätten solche Überschriften jedoch nicht überrascht. «Seit ich mit Malmö FF in Südafrika im Trainingslager war, bin ich abgehärtet», erzählt er lächelnd. Er weiss, dass sich sein Name für mehr oder weniger gelungene Wortspiele anbietet. Sollten die Basler Fans künftig seinen Namen in einem Song verballhornen, wäre dies wohl ein gutes Zeichen: Dann hätte Safari beim FCB einen Stammplatz erobert. Die Anlagen dazu hat der Schwede: Er hat in der Saisonvorbereitung sein Potenzial angedeutet. Der Linksfuss ist ein schneller, offensivstarker, schnörkelloser Aussenverteidiger.
Safari ist nach Basel gekommen, weil er sich in der Schweiz näher am grossen europäischen Fussball fühlt als in Schweden. «Das merkt man nur schon an den Testspielen. Dortmund, Schachtjor Donezk, das waren bereits grosse Gegner.» Safari glaubt auch, dass sich durch den Wechsel seine Chancen in der schwedischen Nationalmannschaft erhöhen. Drei Partien hat er für die «Landslag» bislang absolviert, für die Euro wurde er jedoch nicht berücksichtigt. Nach den enttäuschenden schwedischen Auftritten soll die Mannschaft nun verjüngt werden – und Safari gehört zur neuen Generation von Fussballern, die Henrik Larsson, Fredrik Ljungberg & Co. vergessen machen sollen.
Da passt es, dass sich Safari derzeit so schwedisch fühlt wie noch nie. Wenn er zu Hause jeweils gefragt wurde, woher er komme, dann antwortete der Sohn von Kriegsflüchtlingen stets: aus Iran. «Nun in Basel», hat er erstaunt festgestellt, «bezeichne ich mich plötzlich als Schwede.» pak
Behrang Safari, Trikotnummer 20
Geboren: 9. Februar 1985. – Verteidigung. – 183 Zentimeter, 73 Kilogramm. – Bisherige Vereine: Malmö FF, Lunds BK (beide Swe).
David Abraham
Der Chef. Chabas ist ein kleines Städtchen mit rund 7000 Einwohnern irgendwo in der Pampa. Unendlich flach ist die Gegend. Einzige Verbindung zur Schweiz scheint die Vorliebe für die Rinderzucht zu sein. Und doch hat die Karriere des hier aufgewachsenen David Abraham von Beginn weg einen Schweizer Aspekt. Entdeckt wurde der Innenverteidiger nämlich vom heutigen Xamax-Trainer Nestor Clausen. Das, weil Clausens Eltern aus derselben Region wie Abraham stammen und ihren Sohn auf das damals 15-jährige Talent aufmerksam machten. Clausen nahm Abraham mit zum Hauptstadt-Club Independiente, wo er für den Nachwuchs verantwortlich war. Trainer der ersten Mannschaft damals: Enzo Trossero, ehemals Schweizer Nationalcoach.
Dieser Wechsel aus der Provinz in den Moloch Buenos Aires «ist der schwierigste Moment meiner Karriere gewesen», sagt Abraham. Doch er hat sich durchgebissen. Als 17-Jähriger gab er sein Debüt im Fanionteam. Vier Jahre später hatte er über 60 Partien in Argentiniens höchster Liga auf dem Buckel und kannte nur noch einen Gedanken: Raus aus Argentinien. «Weil die Journalisten und die Fans dort ungeheuer respektlos sind.» Da war ihm egal, dass das einzige Angebot von Tarragona kam, einem spanischen Zweitligisten, obwohl er in Argentiniens U20-Team gestanden hatte, das 2005 Weltmeister wurde. Tarragona war nur als Zwischenstation gedacht: «Und jetzt habe ich ja den Sprung zu einem besseren Verein geschafft.» Dass er hier als designierter Abwehrchef ebenfalls unter Druck stehen wird, ist David Abraham egal. Hauptsache, er muss nicht wie in Argentinien damit rechnen, dereinst von aufgebrachten Fans tätlich angegriffen zu werden. fra
David Angel Abraham, Trikotnummer 19
Geboren: 15. Juli 1986. – Verteidigung. – 188 Zentimeter, 85 Kilogramm. – Bisherige Vereine: Tarragona, Independiente Buenos Aires.
Pascal Schürpf
Der Reife. Das Timing für sein erstes Trainingslager als Fussballprofi war perfekt: Pascal Schürpf erfuhr auf der Busfahrt ins Engadin, dass er die Matura bestanden hat. Im Fussball steht dem Basler die Reifeprüfung noch bevor: Diese Saison beginnt er im U21-Team, wo er sich für die erste Mannschaft aufdrängen möchte. Die Voraussetzungen scheint Schürpf zu haben: Letzte Saison war er in der 1. Liga mit 17 Toren Topskorer. pak
Pascal Schürpf, Trikotnummer 34
Geboren: 15. Juli 1989. – Mittelfeld. – 188 Zentimeter, 78 Kilogramm. – Bisheriger Club: BSC Old Boys.
Samet Gündüz
Der Ausgeliehene. Die Parteien waren sich einig, gestern wurde alles klar: Samet Gündüz wechselt, bevor er überhaupt eine Wettkampfminute in Rotblau in den Beinen hat, zum FC Wil in die Challenge League. Dort soll der Schweizer mit türkischen Wurzeln behutsam an den bezahlten Spitzenfussball herangeführt werden. Gündüz ist ein Talent für die Mittelfeldreihe mit einem Profivertrag bis 2011 in Basel. rom
Samet Gündüz
Geboren: 13. September 1987. – Mittelfeld. – 176 Zentimeter, 71 Kilogramm. – Bisherige Vereine: FCB U21, Concordia.