Presseschau

Basler Zeitung vom 23.07.2008

Die Basler Südamerika-Connection

Seit 2001 sind es immer wieder Argentinier, die beim FCB tragende Rollen einnehmen
Florian Raz

Franco Costanzo, David Abraham, Marcos Gelabert, Eduardo und Eduardo Rubio – gleich fünf Südamerikaner spielen derzeit beim FC Basel. Chefscout Ruedi Zbinden erklärt, warum er so stark auf diesen Kontinent setzt.

Der Anfang war spektakulär. Zumindest für die damaligen Verhältnisse beim FC Basel. 2,8 Millionen Franken liess sich der Club unter Präsident René C. Jäggi die Verpflichtung des Lugano-Topskorers Christian Gimenez kosten. Ihm folgte kurz darauf ebenfalls aus Lugano mit Julio Hernan Rossi ein weiterer Argentinier. Das Fundament für die Basler Südamerika-Connection in der Ära von Trainer Christian Gross war gelegt. Ein Dutzend weiterer Spieler aus Südamerika stiess seither zum FCB.

Der Grund dafür ist für Ruedi Zbinden einfach: «Europäische Spieler mit dieser Qualität können wir uns nicht leisten.» Kommt dazu, dass die meisten südamerikanischen Fussballer über einen EU-Pass verfügen, mit dem sie nicht unter das Ausländer-Kontingent fallen. Für den Chefscout holt Basel also «keine Südamerikaner, sondern Italiener oder Spanier, die für uns sonst zu teuer wären». Derzeit hat allerdings nur Goalie Franco Costanzo einen Doppelpass. Das hat immerhin den Vorteil, dass die Basler gelassen darauf reagieren können, dass in Argentinien ein Skandal um gefälschte Pässe aufgeflogen ist.

Fliegen ist auch eine der häufigsten Beschäftigungen Zbindens. «Übers Jahr betrachtet, sehe ich praktisch jeden zweiten Tag ein Fussballspiel im Stadion», sagt er. In Südamerika ist er zweimal im Jahr während jeweils drei Wochenenden. Da stehen dann bis zu drei Spielbeobachtungen am Tag auf dem Programm.

Die Vielfliegerei mag selbst clubintern manchmal für hochgezogene Augenbrauen sorgen. Doch ein Blick auf die Transferbilanz der letzten Jahre reicht, um zu wissen, dass sich die Ausgaben mehr als rechnen. Nebst den beiden (günstigen) brasilianischen Kader-Füllern Cristiano und Ze Maria trübt nur César Carignano die Bilanz.

Der Stürmer kam in Basel mit dem Druck nicht zurecht und geriet laut Zbinden «in eine Abwärtsspirale, die nicht mehr aufzuhalten war». Zbinden hat aus diesem Transfer auch seine Lehren gezogen. Carignano kam direkt aus Santa Fe: «Heute holen wir nur noch Spieler, die entweder schon in Buenos Aires oder in Europa gespielt haben.» Bei diesen sei sicherer, dass sie an der Erwartungshaltung nicht zerbrechen.

Namen Sammeln. Natürlich bringt Zbinden nicht von jeder seiner Reisen einen neuen Spieler mit. Aber er füllt seine Datenbank mit Namen. Was nützlich ist, wenn plötzlich Spieler wieder auf den Markt kommen, die in einem ersten Schritt nicht verpflichtet werden konnten. So wie zuletzt beim neuen Abwehrchef David Abraham. Den kannte Zbinden noch aus der argentinischen Liga, unter Vertrag war er zuletzt in der zweiten spanischen Division. «Und wenn ich Spieler selber live gesehen habe, verringert das die Gefahr eines Fehltransfers», ist sich Zbinden sicher.

Abraham ist der achte Argentinier, der in den letzten neun Jahren nach Basel gekommen ist. Für Zbinden vereinigen Spieler aus diesem Land vieles, was sie für den FCB so interessant macht: «Gute Ausbildung, eine starke Liga, in der ähnlicher Fussball gespielt wird wie in der Schweiz, und dazu vergleichbare Wetterverhältnisse.»

Vorteil Argentinien. Da sei das Risiko, einen Spieler direkt aus Argentinien zu verpflichten, weniger gross als bei Brasilianern: «Weil in Brasilien noch immer ein anderer Fussball gespielt wird als in Europa. Darum brauchen Brasilianer eine längere Anlaufzeit, um sich zu integrieren.» Zudem hätten Argentinier öfters mehr den Biss, sich in Europa wirklich durchsetzen zu wollen.

Und natürlich gibt es auch ganz profane Gründe, warum Zbinden seinen Fokus auf einen Erdteil legt: «Ich bin alleine. Da muss ich mich auf etwas konzentrieren.» In Südamerika hat er inzwischen einen Mitarbeiter, der zu 50 Prozent angestellt ist. Und in seinen sechs Jahren Scouting-Tätigkeit hat er sich ein Netzwerk im südamerikanischen Fussball erarbeitet, das bei den oft komplizierten Verhandlungen nicht von Nachteil ist.

Natürlich gäbe es noch viele andere Länder, in denen sich die Spielersuche lohnen würde. «In Afrika ist ein riesiges Reservoir an Talenten vorhanden», ist etwa Trainer Gross überzeugt. Das glaubt auch Zbinden. Aber er verweist auf noch kompliziertere Reisen auf dem Schwarzen Kontinent und auf den Erfolg der letzten Jahre. «Wenn man unsere Argentinier der letzten Jahre anschaut», sagt Ruedi Zbinden, «dann waren sie doch oft das Tüpfelchen auf dem i.» > Seite 30

guayaquil

Felipe Caicedo (5. 9. 1988). – Stürmer. – 2006 von Stammclub Rocafuerte FC* (500 000 Fr.). – 2007 zu Manchester City (10,8 Mio. Fr.), wo er noch heute spielt, Nationalspieler.

Ruedi Zbinden (30. 3. 1959). – Der ehemalige FCB-Profi ist seit 2002 beim FCB für das Scouting zuständig. Zuvor war er als Assistenztrainer von Christian Gross und im Nachwuchsbereich angestellt.

RIO DE JANEIRO

Eduardo (13. 10. 1979). – Stürmer. – Vasco da Gama*. – 2005 von Toulouse (500 000 Fr.). – Vertrag bis Juni 2009.

sao paolo

Kleber (1. 4. 1980). Verteidiger. – 2004 von Stammclub Corinthians Sao Paulo* (2,2 Mio. Fr.). – 2005 zu Santos FC (3,5 Mio.), wo er noch heute spielt, Nationalspieler.

Cristiano (3. 6. 1981). – Stürmer. – Taquaral FC*. – 2006 von Roda Kerkrade (400 000 Fr.). – 2007 zu Willem II Tilburg (100 000 Fr.). Derzeit bei Adelaide United.

prudentopolis

Ze Maria (10. 11. 1976). – Mittelfeld. – 2003 leihweise von Stammclub Prudentopolis FC*. – 2003 zurück nach Brasilien, wo sich die Spur verliert.

santa fe

César Carignano (28. 9. 1982). – Stürmer. – 2004 von Stammclub Colon de Santa Fe* (3,7 Mio. Fr.). – 2007 zurück zu Colon, wo er noch heute spielt.

la plata

Marcos Gelabert (16. 9. 1981). – Mittelfeld. – Estudiantes*. – 2008 vom FC St. Gallen (500 000 Fr.). – Vertrag bis Juni 2011.

buenos aires

Christian Gimenez (13. 11. 1974). – Stürmer. – Boca Juniors*. – 2001 von Lugano (2,8 Mio. Fr.). – 2006 zu Marseille (1,5 Mio. Fr.). Derzeit vereinslos.

Julio Hernan Rossi (22. 2. 1977). – Stürmer. – River Plate*. – 2002 von Lugano (3,2 Mio. Fr.). – 2006 zu Nantes (700 000 Fr.). Derzeit bei Xamax.

Matias Delgado (15. 12. 1982). – Mittelfeld. – Chacarita Juniors*. – 2003 von Chacarita (1,25 Mio. Fr.). – 2006 zu Besiktas Istanbul (7,5 Mio. Fr.), wo er soeben bis 2011 verlängert hat.

Francisco Guerrero (23. 8. 1977). – Stürmer. – Independiente*. – 2004 leihweise vom FC Zürich. – 2004 zu Independiente. Derzeit beim FC Aarau.

Franco Costanzo (5. 9. 1980). – Goalie. – River Plate*. – 2006 von Alaves (3 Mio. Fr.). – Vertrag bis Juni 2011.

David Abraham (16. 7. 1986). – Verteidiger. – Independiente*. – 2008 von Tarragona (3,5 Mio. Fr.). – Vertrag bis Juni 2012.

* Mit einem Sternchen versehen und auf der Karte eingezeichnet sind die Clubs, in denen die Spieler ihre ersten Schritte im Profifussball absolviert haben. – Alle Transfersummen sind Schätzungen der baz.

santiago de chile

Eduardo Rubio (7. 11. 1983). – Stürmer. – Universidad Catolica*. – 2008 leihweise von Cruz Azul (500 000 Fr.). – Vertrag bis Juni 2009 mit Option auf definitive Übernahme.

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