Presseschau

Basler Zeitung vom 28.03.2009

Der FCZ stand Spalier und applaudierte dem FCB

was wurde aus?

Die sportliche Geste des Zürcher Stadtclubs ist für Peter Ramseier (65) die schönste Erinnerung an seine Fussballzeit
ernst degen

Kein Traumtor, kein Überraschungssieg und auch kein Europacup-Spiel hat dem Berner einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen als das vorbildliche Verhalten seiner Gegenspieler nach einer Finalissima.

«Dort, wo ich wohnte, wurde man unwillkürlich vom Fussballvirus infiziert», sagt Peter Ramseier. Mit seinen Eltern und zwei Brüdern wuchs er in unmittelbarer Nähe zum Wankdorf-Stadion auf, wo sich in den 50er-Jahren Historisches ereignete. Zwischen 1953 und 1959 erlebte der BSC Young Boys unter Trainer Albert Sing mit vier Meistertiteln, zwei Cupsiegen und einem Vorstoss in den Halbfinal des Europacups die goldenen Jahre seiner Vereinsgeschichte.

Die Weltmeisterschaft mit dem Wunder von Bern tat das Übrige, dass Ramseier am Fussball nicht vorbei kam. «Wir wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf, ein Eintrittsbillett lag für uns nicht drin», berichtet er. Trotzdem genossen die Ramseiers die Spiele auf ganz spezielle Weise. Vor und nach den Partien, wenn die Zuschauer zu Tausenden vor ihrer Wohnung vorbei ins Wankdorf pilgerten, legten die drei Brüder ein Kissen auf den Fenstersims und beobachteten das muntere Treiben von oben herab. Das Spiel verfolgten sie dann gespannt am Radio, und wenn sie das Fenster offen liessen, fühlten sie sich fast wie im Stadion drin.

Peter Ramseier trat dem FC Zähringia Bern bei. Mit 16 Jahren spielte er bereits in der Junioren-Nationalmannschaft, mit der er ein Jahr später das Uefa-Turnier in England bestritt. Mit im Schweizer Team war ein gewisser Georges Sandoz, der später auch als Schiedsrichter international Karriere machte. Er war es, der Ramseier ermunterte, zu Cantonal Neuchâtel zu wechseln. Nach zwei Jahren in der Welschschweiz wurde der Verteidiger mit der Pferdelunge von anderen Vereinen umworben. Lausanne, Sion und Basel wollten ihn haben. Schliesslich aber machte Basel das Rennen. 1966 zog «Rämsi» mit seiner damaligen Freundin und heutigen Frau ans Rheinknie und hätte damals nie geglaubt, dass er 43 Jahre später immer noch da wohnen würde.

Der Waffenläufer. Zwölf Jahre spielte er unter Trainer Helmut Benthaus für den FCB. Es war die Zeit, in der die Basler Fussballeuphorie, die heute noch Bestand hat, ihren Anfang nahm. Fünfmal wurde Ramseier Schweizer Meister, fünfmal betrat er sein Wankdorfstadion als Cupfinalist, zweimal verliess er es als Sieger und 28 Mal spielte er für die Nationalmannschaft. Mit seinen Rushes entlang der Seitenlinien handelte sich das Konditionswunder schon bald den Titel eines «Waffenläufers» ein. «Ich habe nie einen Waffenlauf bestritten, doch der Vergleich ehrte mich», stellt er fest.

Viele bewegende Momente erlebte er im Joggeli. Der Cup-Halbfinal gegen Lugano vor 51 000 Zuschauern und vor allem das letzte Spiel der Meisterschaft 1971/1972 gegen den FC Zürich vor 55 000 Zuschauern bleiben ihm unvergessen. Basel durfte nicht verlieren, sonst wäre Zürich Meister geworden. «Wir spielten den FCZ in Grund und Boden und gewannen 4:0. Am Schluss stellten sich die Zürcher zu einem Spalier auf und applaudierten uns. Welch faire Geste uns gegenüber und welch beispielhafte Haltung für die Fans!», anerkennt er. Unvergessen bleibt ihm auch der unerwartete Auftritt von Emil Steinberger anlässlich einer Meisterfeier. Pointiert und witzig gab er eine herrliche Vorstellung, die ganz auf den FCB und seine Spieler zugeschnitten war.

Parallel zum Sport gingen die Spieler damals noch einer geregelten Arbeit nach. Mucho Frigerio holte Ramseier 1967 zur Bank Dreyfuss. Dem grosszügigen Arbeitgeber, dem er viel verdankt, ist er bis heute treu geblieben. Als Personalchef ist er am angenehmen Arbeitsklima massgeblich beteiligt. Lange allerdings nicht mehr, denn die Pensionierung steht an. Dann ist die Zeit gekommen, wo er seiner Frau vieles zurückgeben will, worauf sie vor allem während der Fussballerzeit verzichten musste.

Seniorenzeit. Nach dem Rücktritt vom Spitzenfussball wechselte er zu den Senioren. Den Kontakt zu seinen Spielerfreunden wollte er nicht abreissen lassen. Dass die gute Kameradschaft bis heute anhält, verdanken sie vor allem Ramseier, der seit 20 Jahren als Seniorenobmann die Fäden zieht. Noch heute verbringen sie jährlich gemeinsame Ferien oder treffen sich wöchentlich zum Fussball. Ab und zu fällt halt wieder mal einer aus, so auch «Rämsi», als er sich letztes Jahr zwei künstliche Kniegelenke einoperieren liess. Noch immer freut er sich, wenn er in der Öffentlichkeit als «Rämsi» erkannt wird – und das 31 Jahre nach seiner Aktivzeit.

Seit 1978 wohnt er in einem Einfamilienhaus in Muttenz. Das wäre weiter nicht erwähnenswert, wenn es nicht an einer Strasse läge, durch die bei FCB- Spielen Tausende Fans zum Stadion pilgern. Die Kissen am Fenstersims sucht man jedoch vergebens. Peter Ramseier ist im Stadion und schaut sich das Spiel live an. Das lässt er sich auch heute noch nicht nehmen. Mit dabei sind immer einige Senioren, für die er jeweils Billette bereithält.

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