Presseschau

Basler Zeitung vom 06.06.2009

Der Stuhl am Kopf tat doppelt weh

was wurde aus…?

Serge Muhmenthaler (56) traf nach seiner Fussballerkarriere als Schiedsrichter auf Spieler, die einst seine Gegner gewesen waren
ernst degen

Schwere Verletzungen liessen den einstigen Spitzenfussballer zu einem internationalen Schiedsrichter werden.

Im Gartenrestaurant des Grenchener Flughafens sitzt Serge Muhmenthaler. Die startenden und ankommenden Flugzeuge lassen ihn an eigene Zeiten mit Höhenflügen und harten Landungen als Fussballer oder als Schiedsrichter zurückdenken. Der Sekundarlehrer und Vater zweier erwachsener Töchter war für den Fussball oft unterwegs und hat viel zu berichten.

Wie so mancher Junge begann auch Serge Muhmenthaler seine fussballerische Laufbahn beim örtlichen FC, dem FC Grenchen. Er kam in die Junioren-Nationalmannschaft, ehe er mit 16 den Sprung in die erste Mannschaft schaffte. Auch dank ihm stieg der Verein nach vielen Jahren endlich wieder in die NLA auf. Nach nur einer Saison in der obersten Spielklasse verliess er Grenchen, denn seine Goalgetterqualitäten beeindruckten nicht nur die gegnerischen Torhüter, sondern auch Trainer und Späher anderer Mannschaften. Es waren schliesslich die Berner Young Boys, die Muhmenthaler für zwei Saisons verpflichten konnten. In Bern fühlte er sich aber nie heimisch, und als dann der FC Basel Interesse an ihm zeigte, brauchte es keine Überredungskünste, um ihn ans Rheinknie zu holen.

«Der FC Basel war mein Wunschverein, und ich hatte auch einen optimalen Einstand», erzählt er. In seinem ersten Spiel für die Rotblauen schoss sich Muhmenthaler in die Herzen der Fans, als er beim 3:0-Sieg gegen GC gleich alle Tore selbst erzielte. «In Basel erlebte ich die schönste Zeit meiner Karriere. Helmut Benthaus war für mich wie ein zweiter Vater.»

Verletzungen. Leider blieb Muhmenthalers Glück in Basel nicht ungetrübt. Schon in der ersten Saison erlitt er mit einem Meniskusschaden und einem Kreuzbandriss Verletzungen, die ihn zu einer halbjährigen Pause zwangen. Doch der Mittelstürmer kämpfte sich wieder in die Mannschaft zurück. Nach einem dritten und einem zweiten Rang gewann er in seiner letzten Saison beim FCB schliesslich doch noch den Meistertitel. In die Freude mischte sich aber auch Wehmut. Ein Muskelriss im Oberschenkel und ein kaputtes Fächerband am Fussgelenk machten weitere Operationen nötig, und Muhmenthaler musste den Spitzenfussball schweren Herzens aufgeben. «Ich fiel in ein Loch», gesteht er. Der Sekundarlehrer, der täglich nach der Schule von Neuendorf zum Training ins Joggeli fuhr, konnte und wollte das Wegfallen der Doppelbelastung nicht geniessen, zu sehr war er mit dem Fussball verbunden. Dass er in Grenchen eine neue Stelle fand und fortan in seinem Heimatort unterrichten konnte, half über die schwierige Zeit hinweg.

Es war Rudolf Scheurer aus dem Nachbardorf Bettlach, selbst ein internationaler Schiedsrichter, der ihn ermunterte, wenigstens als Spielleiter mit dem Fussball in Kontakt zu bleiben. Muhmenthaler stellte sich der Herausforderung und arbeitete sich innert sechs Jahren von den untersten Ligen in die oberste Spielklasse hoch. «Plötzlich stand ich wieder mit Spielern auf dem Rasen oder ich traf Trainer an, gegen die ich selbst noch gekickt hatte», erinnert er sich. «Dass ich selber einmal Spitzenfussballer war, brachte mir als Schiedsrichter grosse Vorteile», stellt er fest. «Ich konnte mich gut in die Psyche der Spieler einfühlen. Die Spieler spürten, dass ich auch einmal Fussball gespielt hatte.»

Lust und Frust. Muhmenthaler wurde zu einem Schiedsrichter von internationalem Format. Nebst unzähligen Meisterschaftsspielen pfiff er auch 75 internationale Partien. Als eines der eindrücklichsten Spiele seiner Zeit als Schiedsrichter bezeichnet er das Länderspiel Frankreich gegen Brasilien in Lyon, das 3:3 endete und ein grossartiges Fussballfest war. Auch dass er 1989 zum besten Schweizer Schiedsrichter gewählt wurde, zählt er zu seinen Highlights. Weniger gern denkt er an das Jahr 1997 zurück, als ihm in Wil ein erboster Zuschauer beim Verlassen des Spielfeldes einen Stuhl auf den Kopf warf. Muhmenthaler brach bewusstlos zusammen und kam erst in der Kabine wieder zu sich. «Das Leben als Schiedsrichter ist nicht leicht. Pfeifst du gut, findet das in den Medien wenig Beachtung. Machst du aber einen Fehler, so wirst du in den gleichen Medien zerrissen», bilanziert er.

Mit 44 Jahren leitete er sein letztes Spiel. Seitdem amtet er noch als Schiedsrichter-Inspizient. Endlich hat er auch genügend Zeit, um sein handwerkliches Geschick in seinem Haus und im Garten zu entfalten. Bei schönem Wetter schwingt er sich gerne aufs Velo oder unternimmt mit seiner Frau Wanderungen in den Bergen. Im Dezember ist er erstmals Grossvater geworden. Auch der Enkel protestiert schon manchmal lautstark, nur zückt er bei ihm nicht die Gelbe Karte.

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