Basler Zeitung vom 08.12.2001
Wenn der FC Basel am Sonntag beim FC Luzern spielt, dann sitzt er zum letzten Mal auf der Ersatzbank der Gäste: Nach viereinhalb turbulenten Jahren beim FCB tritt Verteidiger Oliver Kreuzer zurück.
Basel. «Golden Goal», schreit Coach Christian Gross quer über den Platz. Augenblicklich wird das Tempo im Trainingsspiel erhöht, hin und her wogt die Partie, bis sie schliesslich entschieden ist. Natürlich durch Christian Gimenez, den argentinischen Stürmer. Mit dem Treffer ist die Übungseinheit des FC Basel an diesem Donnerstagmorgen beendet. Gimenez reckt kurz die Arme in die Höhe, dann fällt er Oliver Kreuzer um den Hals. Noch dreimal wird der deutsche Abwehrspieler die Schuhe schnüren, dann ist Feierabend, dann ist Schluss nach 18 Jahren als Fussball-Profi.
Kreuzer verlässt die Bühne erhobenen Hauptes. Er hat den Zeitpunkt des Abgangs selbst bestimmt, und er ist überzeugt, dass er die richtige Wahl getroffen hat. «Definitiv, denn mein Gefühl war ausschlaggebend.» Stets hatte er geäussert, beim ersten Eindruck, seine Leistungsfähigkeit lasse nach, abtreten zu wollen.
Der «Fussball-Gott»
Wenn Kreuzer nun geht, dann tut er dies in den Augen des Basler Anhangs als «Fussball-Gott». Dieser Begriff ist mittlerweile ordentlich strapaziert - und ausserdem erstaunlich. Denn die Weihen bekam der Verteidiger nicht etwa verliehen, weil er auf dem Feld überirdische Dinge bewerkstelligte. Ganz im Gegenteil, Kreuzer war eher ein Arbeiter, ein grundsolider, hoch professioneller Fussballer; einer aber auch mit Ausstrahlung, einer, der geduldig jeden Autogrammwunsch erfüllte, der immer ein freundliches Wort für Fans und Mitspieler hatte; alleine in seinen viereinhalb Jahren beim FCB suchten etliche Spieler seinen Rat.
Gründe, den Routinier zu konsultieren, gab es lange Zeit zuhauf, denn so beschaulich und vor allem erfolgreich wie derzeit stand der FCB seit 1997, seit Präsident René C. Jäggi Kreuzer für 800 000 Franken vom FC Bayern München losgeeist hatte, nie da. Da war zunächst die wirre Zeit mit Trainer Jörg Berger, an deren Ende der geschasste Fussball-Lehrer von einem «Graben zwischen den deutschen und den Schweizer Spielern» sprach. Bezeichnenderweise wurde Kreuzer nie genannt, wenn Exponenten dieses angeblichen Machtkampfes öffentlich gebrandmarkt wurden. Kreuzer blieb trotz anderer Offerten am Ende einer turbulenten Saison in Basel. Inzwischen hiess der Trainer Guy Mathez, und auch unter dem Jurassier war Kreuzer unbestrittener Stammspieler.
Nach Mathez' Entlassung übernahm Christian Gross 1999 die sportliche Verantwortung, und nur wenige der selbsternannten Experten hätten Kreuzer eine Saison zugetraut, wie sie dem Badenser anschliessend gelang. Nicht nur, dass der mittlerweile zum Captain avancierte Verteidiger die Defensive stabilisierte, nein, Kreuzer zeichnete sich darüber hinaus auch als Kopfball- und Penaltyexperte aus, schoss neun Tore und hatte wesentlichen Anteil an der Qualifikation für den Uefa-Cup, jenen Wettbewerb, den er 1996 mit den Bayern gewonnen hatte.
Die menschliche Grösse
Die Popularität Kreuzers in Basel entspringt der Kombination der fussballerischen Fähigkeiten mit seiner sozialen Kompetenz. Aus Respekt vor seiner Karriere hätte ihn ein Christian Gross niemals auf die Ersatzbank gesetzt, also entschloss sich Kreuzer zum freiwilligen Rückzug, als er merkte, dass seine Leistungen seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr ganz genügten. Diese menschliche Grösse rechnete man ihm im Umfeld des Vereins hoch an, der feine Zug könnte auch ein Mosaiksteinchen auf dem Weg zu einem Titel für den FCB gewesen sein. Oliver Kreuzer, vom kleinen Zeh bis zu den Haarspitzen ein Profi.
Wenn Kreuzer die Weihnachtsferien heuer wie immer mit seinem besten Freund, Bayern-Goalie Oliver Kahn, verbringen wird, dann fahren die beiden nicht wie üblich nach Zermatt, sondern nach Lech am Arlberg. Und erstmals nach 18 Jahren wird Kreuzer unbeschwert seinen Urlaub geniessen können. Es gibt wohl niemanden, der ihm dies nicht gönnen würde. Georg Heitz