SonntagsZeitung vom 05.07.2009
Einige Super-League-Vereine überleben nur dank Transfergewinnen - das Geld wird aber auch in vielen ausländischen Grossklubs knapper
VON PETER Bühler
ZÜRICH Im internationalen Fussball gehören in diesen hochsommerlichen Tagen die Schlagzeilen Real Madrid. Als ob es keine Wirtschaftskrise gäbe, kaufen sich die Königlichen eine neue Mannschaft mit den grössten Namen zusammen: Cristiano Ronaldo für 94 Millionen Euro, Kakà für 65, Karim Benzema für 35. «Wahnsinn! Hirnrissig!», schreien die Kommentatoren.
Differenzierter ist die Ansicht von Ilja Kaenzig. Der 35-jährige Schweizer, einst Manager von Bayer Leverkusen und Hannover, ist ein profunder Kenner der Fussballszene. Mit seiner in Zürich ansässigen Firma stellt er Kontakte zwischen Spitzenvereinen und Investoren her. Kaenzig erklärt: «Die Leute von Real sind nicht dumm. Hinter diesen Geschäften stehen Banken mit glasklaren Businessplänen. Sie beteiligten sich nur an diesen Transfers, weil sie sich eine Rendite versprechen.» Kaenzig ist denn auch überzeugt, dass sich sogar diese horrenden Beträge für die Spieler refinanzieren lassen: «Fussball gehört zur Unterhaltungsindustrie. Cristiano Ronaldo ist der grösste Popstar in der Welt des Sports, und Real ein weltweit kompatibles Produkt.»
Der Höhe der Transfersummen und den Verdienstmöglichkeiten für die Spitzenspieler hat die Finanzkrise nichts anhaben können. Cristiano Ronaldo kassiert 16,2 Millionen Euro pro Jahr. Wegen der wirtschaftlichen Flaute völlig in sich zusammen gebrochen ist auf internationalem Level hingegen der Markt für Investitionen in die Vereine. In finanzielle Bedrängnis gekommene Klubeigner wie Chelseas Roman Abramowitsch möchten ihre Vereine verkaufen, doch sie finden keinen Abnehmer. Der Wert von Chelsea liegt bei einer Milliarde Franken, diesen Betrag bezahlt in der Finanzkrise keiner.
Kaenzig: «Das Geld fliesst nicht mehr im grossen Stil»
Kaenzig weiss, dass viele Klubs im internationalen Fussball - von gesunden Vereinen wie Bayern München einmal abgesehen - wegen der Finanzkrise Probleme haben. «Das Geld fliesst nicht mehr im grossen Stil, einige Klubbesitzer haben viele Millionen verloren. Und potenzielle neue Investoren warten ab, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt.» Aber für Kaenzig ist auch klar, dass nicht der Fussball krank ist, sondern die Weltwirtschaft. Er sagt: «Der Fussball boomt. Das zeigen die Zuschauerzahlen in den grossen Ligen.»
Der Schweizer Fussball ist durch die Wirtschaftskrise auch betroffen, aber längst nicht so stark wie das Ausland. Die Dimensionen in unserem Land sind zu klein. Kein Schweizer Klub macht pro Saison ein grösseres Defizit als 5 Millionen Franken. Heinz Spross, Vizepräsident und Geldgeber von GC, erklärt, das alljährliche Minus in dieser Grössenordnung sei strukturell bedingt und hänge primär mit den Aufwendungen für den GC-Campus, dem für den Fussball ungeeigneten Stadion Letzigrund sowie den dürftigen TV-Einnahmen zusammen. Kaenzig entgegnet, es müsse für einen Schweizer Verein möglich sein, finanzielle Löcher durch Transfergewinne zu stopfen: «Ein Klub, der dazu nicht fähig ist, ist schlecht aufgestellt und ungenügend geführt.»
Das Vorbild, so Kaenzig, müssten Vereine aus dem Osten sein. Sparta oder Slavia Prag, Roter Stern oder Partizan Belgrad halten sich seit Jahren nur mit Transfergewinnen über Wasser. Sparta Prag verkauft jeden Sommer die besten Spieler und ist doch regelmässig in der Champions League vertreten. Kaenzig fragt: «Weshalb soll das für einen Schweizer Klub nicht auch möglich sein?»
Der andere Zürcher Grossklub, der FCZ, konnte im letzten Jahr dank ausserordentlichen Erlösen aus dem Transfergeschäft und dank Einnahmen von 4,6 Millionen aus dem Uefa-Cup mit der AC Milan als Gegner sogar einen Gewinn von 742 000 Franken erwirtschaften. Heute sagt Präsident Ancillo Canepa: «Wir spüren nichts von der Finanzkrise.» Hauptsponsor Tui hat im Frühling den Vertrag zu gleichen Konditionen wie bis anhin um ein Jahr verlängert. Mit der Gratiszeitung «.ch» hat einer der Sponsoren Konkurs gemacht, und Mitinvestor Canepa hat dabei einen Millionenbetrag verloren. Für den FCZ hatte das aber kaum Auswirkungen. Der Ausfall, so Canepa, sei nicht grösser als 100 000 Franken. Und er kündigt an: «Wir haben einige potenzielle Sponsoren in der Pipeline.»
Niedermaier: «Die UBS hat den Logenvertrag nicht verlängert»
Als Schweizer Meister ist es offenbar leichter, Gelder zu generieren. Beim FC Basel hingegen hat ein Finanzdienstleister seinen Sponsorenvertrag gekündigt, um ihn neu auszuhandeln. Finanzchef Mathieu Jaus sagt allerdings: «Wir haben langfristige Sponsoring-Verträge abgeschlossen. In allen Gesprächen mit den Sponsoren deutet sich nicht an, dass wir Partner verlieren könnten.» Jaus stellt sich aber die Frage, wie wegen der Finanzkrise der Ticket- verkauf laufen wird: «Zu den Spielen der Super League kommt unser Publikum. Vielleicht aber spart es in der Europa League das eine oder andere Ticket.»
Stefan Niedermaier, Wankdorf-CEO und starker Mann beim dritten Grossklub YB, erklärt: «Wir haben treue Sponsoren, und wir haben uns im VIP-Bereich von 550 auf 800 Plätze gesteigert. Die UBS hat zwar den auslaufenden Logenvertrag nicht verlängert, aber wir sind eine Verkaufsmaschine.» Seit Bezug des Stade de Suisse vor vier Jahren konnte YB Schulden abbauen.
Andere Vereine tun sich schwerer als die grossen drei. Michael Hüppi, Präsident von St. Gallen, sagt, die Finanzkrise mache sich deutlich bemerkbar. Einige Firmen würden nicht mehr investieren mit der Begründung: «Wir können nicht Geld in den FC St. Gallen einschiessen und gleichzeitig Kurzarbeit einführen.» Hüppi hat festgestellt, dass das Geld nicht mehr so locker sitzt wie früher. Der Klub habe aber den Vorteil, mit der St. Galler Kantonalbank einen Hauptsponsor für fünf Jahre gefunden zu haben. Der grösste Nachteil aus Hüppis Sicht: «Uns fehlt ein Mäzen, wie dies beim FCB, dem FCZ oder bei Xamax mit Bernasconi der Fall ist.»
Lockerer geht man in Sitten mit der Krise um. Ausgerechnet Präsident Christian Constantin sagt, der FC Sion bezahle korrekte Löhne, mache aber keine verrückten Sachen. Im Wallis seien sie nicht von einem grossen Geldgeber abhängig, die Belastung sei auf mehrere Leute verteilt: «Fünf bis zehn Prozent des Budgets steuere ich selber bei.» In Luzern erhofft sich die Klubführung kurzfristig einen Boom durch die Verpflichtung von Hakan Yakin, mittelfristig setzt sie auf das neue Stadion. Präsident Walter Stierli ist stolz, Hauptsponsor Steg aus der Computerbranche bis 2011 an den Klub gebunden zu haben. Er sagt: «Der FCL ist einer der grössten Wirtschaftsförderer der Zentralschweiz. Mit dem Stadionbau lösen wir Arbeiten im Wert von 250 Millionen Franken aus. Wir sind gesund und haben eine sehr grosse Zukunft vor uns.»
Geissberger zu den langfristigen Verträgen: «Ein Glücksfall»
Der FC Aarau schliesslich muss weiterhin mit einem strukturell bedingten Defizit von 300 000 bis 600 000 Franken pro Saison rechnen, bis er 2013 ins neue Stadion beim Bahnhof einzieht. Immerhin verlängerte der Verein die Verträge mit allen drei Hauptsponsoren vor einem Jahr - und konnte dadurch die Einnahmen auf eine Million Franken verdoppeln. Vizepräsident Roger Geissberger bemerkt: «Ein Glücksfall.»
Die Aarauer leiden wie die meisten Vereine der Super League unter der Finanzkrise. Die Zuversicht und den Willen, die Flaute heil zu überstehen, haben sie alle. Das Schlusswort gebührt dem Berner Niedermaier, der festgestellt hat: «Die Leute lassen sich trotz der Krise den Spass nicht verderben, frei nach dem Motto: ‹Alles lassen wir uns nicht nehmen, schon gar nicht den Fussball.› Lieber werden teure Ferien gestrichen.» MITARBEIT: PMB/UKÄ/WIE/ZOG