Presseschau

Basler Zeitung vom 12.12.2001

St.-Jakob-Park: Rettungsversuche für den Rasen

Die Qualität des Rasens im Stadion St.-Jakob-Park hat in den letzten Monaten stark nachgelassen - nun kamen die Experten zum Schluss, dass ein Austausch keinen Sinn macht. Mit Sofortmassnahmen soll das Ärgste behoben werden. Eine Option für die Zukunft ist ein Kunstrasen.

Basel. Es sollte alles ganz einzigartig werden - dank Belüftungssystem, Heizung, detailierten Berechnungen über Luftströme, Sonneneinstrahlung, Beanspruchung und der Wahl der richtigen Mischung sollte dem Rasen im Basler St.-Jakob-Park nicht dasselbe Schicksal widerfahren wie all seinen «erstickten» Leidensgenossen in den schönen Stadien von Amsterdam, Mailand, Dortmund oder Gelsenkirchen (vgl. Artikel unten). Doch alle Bemühungen halfen wenig - im Herbst 2001 häuften sich die Beschwerden von Trainer und Spielern über die Qualität der Spielfläche im «Joggeli», die Werner Schneeberger, der Geschäftsführer des FC Basel, nur noch als «Acker» bezeichnet. Die Rasenfetzen flogen bei jedem Zweikampf meterweit, der braunen Stellen wurden Woche für Woche mehr, ein paar Sprints der Spieler vom Grasshoppers-Club beim Einlaufen reichten, um tiefe Furchen in den Grund zu reissen. Die Dichte lässt zu wünschen übrig, die Verwurzelung ist - vor allem auf der schattigsten Seite der Haupttribüne - ungenügend.
Warum das genau so ist, darüber gibt es verschiedene Theorien: die langen Schatten, den die Tribünendächer aufs Spielfeld werfen, die geringe Sonneneinstrahlung, der Effekt des Parkhauses im Untergeschoss, fehlende Regenerationszeit in Verbindung mit der generellen Überbeanspruchung (die Situation verschlechterte sich nach dem Eröffnungsfest Anfang September) - vieles ist möglich, klar ist nur eines: Ein Jahr nach dem Einrollen der Rasenstücke steht man vor einem Problem der unangenehmen Sorte. Experten, Rasenbauer, das Management von Basel United und Generalunternehmung trafen sich in den letzten Wochen und Tagen zu Sitzungen, es wurde analysiert, diskutiert, Ursachenforschung betrieben - und es sollte auch eine Entscheidung getroffen werden.

Kein Austausch

Stefan Musfeld, der Präsident der Stadion-Genossenschaft, wartete bis gestern noch auf einen definitiven Bericht das Rasenfachmannes, ohne dessen Vorliegen er sich nicht auf detaillierte Aussagen in der Öffentlichkeit festlegen lassen möchte. Musfeld sagt aber immerhin, dass ein Austausch des jetzigen, angeschlagenen Rasens auch aufgrund klimatischer Umstände zu dieser Jahreszeit ausgeschlossen sei. Man nütze die Zeit nun, um Sofortmassnahmen zur Verbesserung des jetzigen Zustandes einzuleiten. Dem Rasen wird durch die Heizung Wärme zugeführt, es wird gelüftet, gedüngt. «Wir wollen dem Spielfeld jetzt noch einmal einen Stoss geben und im neuen Jahr über weitergehende Massnahmen diskutieren.» In welche Richtung die gehen werden, bleibt offen - sicher ist aber heute schon, dass man von Seiten von Basel United nicht abgeneigt wäre, mittelfristig «die Option Kunstrasen in Absprache mit unseren Hauptmietern SFV und FCB zu prüfen».
Ein Ansatzpunkt, der wohl in die richtige Richtung zielt. Denn, so bestätigt Edmond Isoz, Direktor der Fussball-Nationalliga, schon der FC St. Gallen hat bei der Sportplatzkommission des Verbandes ein Gesuch eingereicht, ob er denn als Spielfläche in seinem neuen Stadion einen Kunstrasen einbauen dürfe. Und aus Basel hat Isoz immerhin «mündliche Ankündigungen» vernommen, die einen Vorstoss in diese Richtung erwarten lassen.
«Die Tendenz geht ganz klar dahin», sagt Isoz, der aber auf eine internationale Reglementierung wartet. Denn erst wenn ein Verein auch Europacup-Spiele auf der künstlichen Unterlage absolvieren darf, wenn darauf auch offizielle Länderspiele zugelassen sind, macht eine nationale Freigabe Sinn. Es existiert ein Zirkular des Weltfussballverbandes Fifa, das in Aussicht stellt, dass man innerhalb eines Zeithorizonts von zwei Jahren Kunstrasen-Spielfelder zulassen wolle. Isoz hat gar die Vision, dass «bis in zehn Jahren nur noch auf Kunstrasen gespielt wird».

Vorteil für Multifunktionalität

Das hat vielerlei Hintergründe. Die Bespielbarkeit der Felder ist berechenbar, weil die Wetterabhängigkeit gering ist. Spielverschiebungen können vermieden werden, teure Rasensanierungen und hohe Wartungskosten fallen weg - auch ein wirtschaftlicher Faktor, und dem «können wir uns nicht entziehen». Wegen der Chancengleichheit - Kunstrasenfelder begünstigen den technischen Fussball - glaubt Isoz, dass nach der Zulassung von Kunstrasen bald darauf gar die Verpflichtung dazu folgen wird.
Die Vorteile einer künstlichen Spielfläche liegen auch für Musfeld auf der Hand. «Es gibt nichts anderes, gerade in einem multifunktionalen Stadion.» Die Investitionskosten in der Höhe von 1,4 Mio. Franken würden sich aufgrund der weit geringeren Unterhaltskosten «schnell rechnen», wie Musfeld glaubt. Und wegfallen würden auch die Nachteile aus der Drittnutzung durch Konzertbetreiber. «Wir wären bereit, sobald wir dürfen», sagt Musfeld, der eine noch schnellere Etablierung des Kunstrasens erwartet als Isoz.
In einem ersten Schritt könnte für Basel ein Kompromiss die Lösung sein, so wie er im Rotterdamer Stadion «De Kuip», wo der FC Basel in der vergangenen Saison im Europacup engagiert gewesen war, bereits Anwendung fand. In den Naturrasen werden Kunstfasern eingemischt. Christian Gross, der Trainer des FC Basel, der für «seine» Heimspielfläche schon seit mehreren Wochen eine umgehende Verbesserung gefordert hatte, glaubt denn ebenfalls erkannt zu haben, dass «die Tendenz in Richtung Mischungen geht». Die Natur könnte bald ausgedient haben im internationalen Fussball. Daniel Schaub

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