Basler Zeitung vom 15.12.2001
Die SBB drohen damit, das FCB-Rail-Ticket vom Markt zu nehmen. In Frage stellen sie auch, ob die Shuttle-Züge vom Bahnhof zum Stadion jemals fahren werden. Grund dafür sind die Schäden, welche FCB-Fans bei den Auswärtsspielen in Lugano und Luzern verursacht haben. Nun verlangen die SBB mehr Sicherheit. Der FCB und die Basler Polizei sind ebenfalls der Meinung, dass Massnahmen ergriffen werden müssen.
Basel. Das Angebot ist äusserst attraktiv: Für 40 Franken können Fussballfans mit dem FCB-Rail-Ticket an Auswärtsspiele überall in der Schweiz fahren; mit dem Halbtax-Abo kostet es nur die Hälfte. Das Billett ist beliebt bei den FCB-Fans, wie die vollen Züge beweisen. Doch nun drohen die SBB damit, das Billett vom Markt zu nehmen. «Wir fragen uns, ob sich das noch lohnt», sagt SBB-Sprecher Ruedi Estermann. So wie bisher könne es nicht weitergehen.
Polster aus dem Zug geworfen
Dass die SBB verärgert sind, haben sich die FCB-Fans selber zuzuschreiben. Oder genauer: ein Teil der FCB-Fans. Denn diese haben sich in den Zügen so ungehörig benommen, dass die SBB nun die Nase voll haben.
Am 25. November kam es bereits auf dem Weg zum Auswärtsspiel in Lugano zu Ausschreitungen. Zwei Mal wurde laut Estermann die Notbremse gezogen, und es wurden Sitzpolster aus einem fahrenden Zug geworfen. Auf der Rückfahrt aus Lugano wurde der Mann, der im Zug die Railbar bediente, geschlagen und ausgeraubt. Zudem demolierten die «Fans» eine automatische Verbindungstür. Beim Halt in Luzern musste ein Zug 20 Minuten warten, weil Türen blockiert wurden. Dadurch verpassten Passagiere ihre Anschlüsse.
Leuchtraketen im Bahnhof
Nicht besser benahmen sich die «Fans» am vergangenen Wochenende in Luzern. Auch auf dieser Fahrt zogen sie die Notbremse, aus dem fahrenden Zug warfen sie Bierflaschen, und Leitern aus den Schlafwagen. Beängstigend wurde es bei der Ankunft im Bahnhof Luzern. «Es wurden Fackeln abgebrannt und Leuchtraketen gegen andere Züge geschossen», berichtet Joseph Wyss, Hooligan-Experte bei der Kantonspolizei Basel-Stadt. Man müsse von Glück reden, dass es da keine Verletzten gegeben habe. Wyss hat ältere Leute gesehen, die sich rennend in Sicherheit bringen mussten.
Mit vier Mann war die Basler Polizei im Bahnhof Luzern vertreten. Was sie miterlebten, beschäftigt Wyss noch heute: «Wahnsinnig» sei das gewesen. Dafür verantwortlich seien nicht einzelne Chaoten gewesen, sehr viele hätten bei dem Tumult mitgemacht oder seien zumindest dabei gewesen. «Da hatte es kleine Buben darunter», berichtet er. In seinen 18 Jahren bei der Polizei habe er noch nie so etwas erlebt. «Das verleidet einem regelrecht.»
«Verleidet» ist es auch den SBB. Diese drohen nicht nur damit, das FCB-Rail-Ticket vom Markt zu nehmen. Sie machen sich auch Gedanken über die neue Haltestelle St. Jakob. Laut Ruedi Estermann sind die Arbeiten demnächst abgeschlossen, während der Finalrunde könnten Shuttle-Züge vom Bahnhof zum Stadion fahren. «Wegen der Vandalen überlegen wir uns das jetzt natürlich zwei Mal.»
Die SBB verlangen nun, dass ein Sicherheitskonzept aufgestellt wird. Daran beteiligt sein müssten auch die Polizei und der FCB. «Und es soll schriftlich festgehalten werden, wer in Zukunft für die Schäden aufkommt», betont Estermann.
«Das FCB-Image ist miserabel»
Dass etwas geschehen muss, ist in Basel unbestritten. Am Donnerstag fand ein Treffen zwischen Vertretern des FC Basel und der Justizdirektion statt. Dabei ging es unter anderem um die Frage, welche Massnahmen die Basler Polizei bei Auswärtsspielen ergreifen kann. «Es gibt heute keine juristische Handhabe, um auf einer Zugsreise zu intervenieren», sagt FCB-Geschäftsführer Werner Schneeberger. Dafür brauche es einen offiziellen Auftrag. Offen sei, wer den Aufwand bezahle.
Bereits bis zum Start der Finalrunde im Februar will der FCB kurzfristige Lösungen auf den Tisch legen. Diese dürften laut Schneeberger vor allem repressiven Charakter haben; vorstellbar sei etwa, dass Sicherheitskräfte die Fans bei Auswärtsspielen begleiten. Auf längere Sicht wünscht er sich, dass die echten FCB-Fans selbst Massnahmen gegen Radalierer ergreifen - wie dies bereits im St.-Jakob-Park der Fall sei.
Für Polizist Joseph Wyss geht es nicht nur um das Eindämmen von Gewalt, es geht auch um Ehre: «Das Image des FCB ist miserabel in der übrigen Schweiz. Mittlerweile gilt jeder mit einem FCB-Schal als Vagant.»
Rolf von Siebenthal