Presseschau

Basler Zeitung vom 29.12.2001

Karli, der Kapitän - populär wie einst auf dem Fussballplatz

Basel. Auf dem Salontisch im Büro steht ein Fresskorb, und Karl Odermatt strahlt das riesige Geflecht an - wie er überhaupt alles und alle anstrahlt an diesem Morgen. Es ist der 17. Dezember, Odermatt hat Geburtstag, doch seine blendende Laune rührt nicht nur vom persönlichen Jubiläum her. «Karli» fühlt sich wohl, er ist in Form, fast so wie früher auf dem Fussballplatz.
Und wenn er erzählt, dann tut er dies mit einer ähnlichen Dynamik, wie er einst an den Gegenspielern vorbeizog. Da werden Tore noch einmal erlebt, da taucht der Fussballer ein in seine glorreiche Vergangenheit, da ärgert er sich noch heute, wenn er daran denkt, wie er die Mitspieler zusammenstauchen musste, als sie mal wieder nicht so spielten, wie er, der «immer und überall Kapitän» war, das wollte.
Einer wie Odermatt sagt «Kapitän», er nennt das Amt nicht «Captain» wie viele andere. Er sagt auch nicht, er sei Kapitän «gewesen», sondern mit einer gewissen Ehrfurcht in der Stimme: «Ich durfte Kapitän sein.» Er war halt immer Besonders - am Ball und neben dem Spielfeld. «Wahnsinn», nennt er seine Karriere, als könnte er auch Jahre nach seinem Rücktritt noch immer nicht ganz verstehen, weswegen er ebenso erfolgreich wie populär war und ist. In seiner Aktivzeit konnte er kaum unbehelligt die Freie Strasse hinunter laufen, ältere Frauen sprachen ihn an, Tramchauffeure legten während der Dienstfahrt eine Pause ein und kurbelten die Scheibe der Fahrerkabine runter, um mit dem Kapitän zu plaudern. Karli hier, Karli da.

Mit der ganzen Stadt per Du

Heute? Ist das nicht viel anders. Das Handy klingelt ununterbrochen, fast jeder Anrufer wird vertröstet. «Ich kann jetzt nicht, ich bin in einer Sitzung. Aber ich ruf dich zurück.» Odermatt ist mit der ganzen Stadt per Du, und seine riesige Anhängerschaft mit ihm. «Meine Ehrlichkeit hat sich beim Publikum eingeprägt», erklärt er.
Doch Odermatt musste für diese Ehrlichkeit auch büssen. Vor lauter Schulterklopfern verlor er manchmal den Überblick, wer es gut mit ihm meinte und wer nicht. So lieh er einst einem vermeintlichen Freund Geld, um ihn aus einer misslichen Lage zu befreien. Keinen Rappen davon sah Odermatt je wieder, weshalb er beschloss, kein Geschäft mehr ohne Vertrag zu machen. «Der Ausdruck kommt schliesslich von 'vertragen'», fügt er erklärend hinzu. Doch nicht jeder Vertragsentwurf sorgt für Freude.
Einmal im Verlauf seiner Karriere fühlte sich Odermatt veräppelt. Sein Club, der FC Basel, bot ihm einen Kontrakt an, der einer Beleidigung gleichkam. 32 war «Karli» damals, vielleicht nicht mehr ganz so geschmeidig und schnell wie in seinen besten Jahren, zudem seit Monaten verletzt. «Die sagten sich, der kommt nicht mehr», blickt Odermatt zurück - und muss lachen. Das Angebot beinhaltete knapp die Hälfte des Lohnes, den das Idol des Basler Fussballs zuvor bezogen hatte. Darauf konnte der «liebe Karli» nicht eingehen. Er suchte eine Lösung und befreite sich aus der ungünstigen Verhandlungsposition, so wie er sich auf dem Feld mit einer Finte des Gegenspielers entledigte. Odermatt schloss sich den Young Boys an und verdiente dort doppelt so viel wie zuvor in Basel.
Da verliess also einer jenen Verein, den er repräsentiert hatte wie kein anderer. Für dessen grösste Erfolge sein Name ein Synonym war und ist. Den er liebte. «Ich war tief getroffen», erinnert er sich. Mit YB gewann er noch zweimal den Schweizer Cup und durfte, wie er beiläufig erwähnt, bereits nach einem Jahr Kapitän sein.

Eptings Offerte angenommen

Die temporär geringe Wertschätzung durch seinen FCB allerdings hat Odermatt aus seinem Gedächtnis so gut wie gestrichen. «Schuld» daran ist Peter Epting, der den Verein von 1992 bis 1996 präsidierte. Er offerierte Odermatt einen Job in der Marketingabteilung des Vereins. Diese Arbeit führt der einstige «Aufbauer der Nation» noch immer mit Eifer und Leidenschaft aus, auch weil er spürt, dass ihn der Vorstand unter René C. Jäggi schätzt. Wehe dem, der zu einem Gespräch über ein mögliches Inserat abgemacht hat - er kann vor seinem geistigen Auge sofort Geld vom Konto abbuchen, denn Odermatt ist ein glänzender Verkäufer. Nach wie vor lebt er eine Eigenschaft vor, die ihn auch als Fussballer auszeichnete: Glaubwürdigkeit.
Seit 20 Jahren tut Odermatt nach dem Abschluss seiner Laufbahn bei den Veteranen des SC Baudepartement mit. Und in dieser Zeit wuchs dieses Team zu einem der erfolgreichsten der Region. In der Mannschaft, welche die letzte Vorrunde mit 30 Punkten aus zehn Spielen abschloss, steht Prominenz wie die Regierungsräte Christoph Eymann und Ueli Vischer. Oder André Dosé von der Crossair, der ab und an im Tor steht. Odermatt ist seit jeher Kapitän des siegreichen Ensembles. Heute versieht er zudem das Amt des Obmanns der Abteilung.
«Als Kapitän kommst du auf die Welt», sagt er. Karli, der Kapitän, wurde am 17. Dezember 1942 geboren.
Georg Heitz

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