Tages-Anzeiger vom 15.08.2009
Thorsten Fink weiss, wo er seine Wurzeln hat. Und er weiss, wo er mit dem FC Basel hinwill. Dass er als Trainer noch jung ist, sorgt ihn nicht: «Was ist das Problem?»
Von Thomas Schifferle, Basel
Seine Welt war der Bolzplatz, direkt hinter dem Elternhaus. Die Strassen spielten gegeneinander, die Diepenbrockstrasse, in der die Finks wohnten, gegen die Dörhoffstrasse zum Beispiel. Thorsten war immer dabei, bis die Knie auf dem steinigen Platz aufgeschürft waren und die Mutter zum Essen rief.
So begann das damals in Dortmund-Marten für den Sohn eines Stahlarbeiters. Auf seinem Weg aus Dortmund raus baute er eine Lehre als Bürokaufmann ein, der Vater hatte in seinem bodenständigen Denken darauf bestanden. Der Fussball aber ist immer das gewesen, was Thorsten Fink im Kopf hatte: Der Fussball habe ihn zu dem gemacht, was er sei, sagt er heute. Ein eigenes Haus in München-Grünwald, eine tolle Familie, eine Frau, mit der er seit 18 Jahren verheiratet ist, Geld genug, um nicht acht Jahre für Ferien sparen zu müssen - «das bin ich», erklärt er.
Die Leute sollen wissen, wo der bald 42-Jährige herkommt, dass er da weder verwöhnt noch verhätschelt wurde. Sie sollen erfahren, wie er ist. «Ich kann mich doch nicht selbst loben, oder?», wendet er zwar ein, aber in einem offen geführten Gespräch bleibt Platz genug, um sich nicht kleiner zu machen, als er sich fühlt. Die Sätze heissen dann: «Ich bin von mir überzeugt, ich bin selbstbewusst, das darf ich auch sein.» Was überheblich klingen mag, kommt bei ihm nicht so rüber. Er ist dafür geschickt genug, um solche Selbstbeschreibungen beiläufig klingen zu lassen.
Der Stolz der Eltern
Er wurde in Wattenscheid Bundesligaspieler. Als er später, 1997, vom Karlsruher SC zu Bayern München wechselte, hiess es: «Wie kann er das machen? Beim KSC ist er eine feste Grösse, bei Bayern ein Nobody.» Er liess sich nicht abschrecken und lernte, sich in München einzuordnen und durchzusetzen. Er wusste: Die Chefs in der Mannschaft heissen Oliver Kahn und Stefan Effenberg. Er war der Zuarbeiter für Effenberg, bewunderte ihn für seine Nervenstärke und spürte, wie er neben ihm im Spiel frecher wurde. Ottmar Hitzfeld erkannte in ihm den Spieler, der wie ein Trainer denken konnte. Er sagte ihm auch, so erzählt es Fink selbst: «Du wirst einmal ein guter Trainer.»
Die Eltern waren speziell stolz auf ihren Sohn, dass er es bis nach München geschafft hatte - gar so sehr, dass es Fink selbst nicht mehr recht war. Der Vater, ein Fan des Vereins, schmückte sich mit Trainingsanzügen der Bayern. Fink räumte mit den Münchnern national die Titel ab, viermal Meister, dreimal Cupsieger, dazu kam der Gewinn der Champions League und des Weltcups. 2006 wurde er dann Trainer, übernahm die Amateure von Red Bull Salzburg und stieg mit ihnen in die zweithöchste Liga Österreichs auf. Er lernte ein halbes Jahr an Giovanni Trapattonis Seite, ebenfalls in Salzburg. Ging Anfang 2008 nach Ingolstadt, brachte die Mannschaft in die 2. Bundesliga und musste im folgenden April nach elf sieglosen Spielen in Folge wieder gehen. Ingolstadt nahm er als Erfahrung mit, um zu lernen, wie er mit gewissen Leuten und Dingen umgehen muss.
Das Beispiel Costanzo
Der Wechsel zum FC Basel ist ein respektabler Aufstieg. Seit er im Juni hier für drei Jahre unterschrieb, heisst darum die Frage: Schafft er es alles, was er schaffen soll? Nach zehn Jahren Christian Gross den grossen Umbruch einzuleiten und der Mannschaft ein neues, spielerisches Gesicht zu geben? Schafft das ein Trainer, dem die grosse Erfahrung fehlt? «Wo liegt das Problem?», entgegnet Fink, «das hat doch nichts mit dem Alter zu tun.» Auch über das Risiko, scheitern zu können, mag er nicht gross nachdenken. Er wäre zu Fuss nach Basel gelaufen, um diese Stelle zu bekommen. Basel ist seine Chance, den Ruf als Trainer zu begründen. Er erhielt dafür nur Gratulationen, die von einer Frage begleitet waren: «Wie hast du den FCB gekriegt?» Ja, wie? «Weil ich genau ins Anforderungsprofil des Vereins passe.»
Er begann das Kader umzugestalten und entschied mit dem Vorstand schnell einmal, dem alten Kämpfer Ivan Ergic keinen neuen Vertrag zu geben. Der Vorstand hatte die Idee, den Charakter der Mannschaft zu ändern. Finks Absicht war es, künftig einen Spielmacher einzubauen. Darum gab es keine Zukunft mehr für Ergic in Basel. «Ich will hungrige Spieler», sagt Fink. Und springt unvermittelt zu Franco Costanzo, der letzten Sonntag nach dem Schluss des Spiels gegen den FC Zürich auf Mitspieler Beg Ferati losging.
An der Pressekonferenz an diesem Freitag hat er darauf nicht mehr eingehen wollen, dazu sei alles gesagt, erklärt er. Erst später sagt er: «Was Costanzo machte, ist in aller Deutlichkeit zu verurteilen. Das betone ich. Wenn er das in der Kabine gemacht hätte, wenn es da geknallt hätte, dann hätte ich mir als Trainer jedoch die Hände gerieben. Denn seine Reaktion zeigt mir: Er ist nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Hier brach südländisches Temperament durch. Es muss nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen sein.»
Die Geduld und der Ehrgeiz
Der Zwischenfall ist für ihn nicht Ausdruck eines schlechten Teamgeists. Er erinnert sich an München, an Oliver Kahn, der den einen oder anderen Mitspieler würgte, und die Mannschaft dennoch harmonierte. «Teamgeist heisst doch nicht, abends in die Disco zu gehen und sich zu betrinken», sagt Fink, «es geht immer um das gemeinsame Ziel. Es geht nicht um die Frage: Was kann mir die Mannschaft geben. Sondern: Was kann ich ihr geben?»
Am Donnerstagabend war Fink bei Vertretern der Muttenzer Kurve zu Gast. Da spürte er, dass zumindest sie mit den bisherigen Auftritten «gar nicht unzufrieden» sind. Er spürt, dass auch der Vorstand Geduld mit ihm hat, er ist vorderhand befreit davon, Erster sein zu müssen. Das behagt Fink, aber macht ihn nicht behäbig: «Ich will erfolgreich spielen.»