Basler Zeitung vom 03.04.2010
Einst gemeinsam beim FCB, trennten sich für Nico Thüring und Valentin Stocker die Wege
christoph Kieslich
In der Jugend des FC Basel haben sie sich kennengelernt. Aus Stocker wurde ein Nationalspieler, während Thürings Karriere in Kriens einen weniger aufregenden Verlauf genommen hat. Am Ostermontag treffen ihre Clubs im Kleinfeld im Cup-Halbfinal aufeinander.
Die Vorfreude lenkt ein bisschen ab von einer Oberschenkelzerrung und ausserdem vom Ungemach, das Valentin Stocker vom Disziplinarrichter der SFL droht. Es wird ein grosser Bahnhof sein, den Valentin Stocker im Kleinfeld erwartet. «Klar, freue ich mich darauf», sagt er. Hier, unter dem Pilatus, hat Stocker seine Kindheit verbracht, kennt er jede Ecke in Stadt und Stadion, wird er auf viele Bekannte treffen. Nach Kriens, zur Familie und zur Freundin und an den Vierwaldstättersee, zieht es ihn regelmässig zurück, um sich zu erholen. Er nennt seine Heimat eine «Oase».
«Als ich zum FCB kam», sagt Valentin Stocker, «habe ich zu Nico Thüring aufgeschaut.» Das war im Jahr 2006, Stocker galt als Talent und der drei Jahre ältere Thüring stand als Spielmacher schon auf dem Sprung nach oben. Ein halbes Jahr spielten sie gemeinsam bei den FCB-Junioren. Vier Jahre später träumt Stocker, der am 12. April 21 Jahre alt wird, von der WM, und Thüring, der fünf Tage vor Stocker seinen 24. Geburtstag feiert, kämpft sich durch die Challenge League. «Da, wo Valentin heute ist», sagt Thüring, «wird es schwer für mich, hinzukommen. So realistisch bin ich.»
Im Dezember 2005 hatte Valentin Stocker gerade sein erstes Spiel in der Startelf des SC Kriens hinter sich – eine 1:2-Niederlage im Cup-Achtelfinal gegen die Young Boys. «Wir lagen 1:0 in Führung und ich spielte gegen Carlos Varela», erinnert sich Stocker. Der Club unterbreitete ihm ein Angebot. «Aber wir sind uns nicht einig geworden», erzählt Stocker, «und es ging nicht ums Geld.» Nicht mit 17 Jahren.
schule und fussball. Es war der entscheidende Korridor, in den der FC Basel hineinstossen konnte. «Juniorennationalspieler beobachteten wir immer», schildert Peter Knäbel, der ehemalige Nachwuchschef beim FCB, «bei einem Spiel in Sion fiel er Werner Mogg und Patrick Rahmen auf.» Die drängten auf eine Verpflichtung, Knäbel zögerte. Als Stocker im Cup gegen YB spielte, jagte es dem Talentjäger Knäbel durch den Kopf: «Verflixt, ich bin zu spät.» Der Schlüsselmoment sei ein Anruf aus der Innerschweiz gewesen. Stocker hatte Probleme, Schule und Fussball unter einen Hut zu bringen. Knäbel: «Wir hatten gute Erfahrungen mit der Sportklasse am Gymnasium Bäumlihof und schon bewiesen, dass Matur und Profifussball möglich sind.»
Seit Stocker beim FC Basel ist, entwickelt er sich im Expresszugtempo, während es für Nico Thüring mühsam Schritt für Schritt vorwärtsgeht. Statt zum FC Thun, der ihm einen Vertrag in der Super League angeboten hatte, ging der Ettinger 2006 zum von Murat Yakin trainierten FC Concordia. Thüring fürchtete, im Berner Oberland nicht genügend Spielpraxis zu erhalten. Bei «Congeli» war er so lange Stammspieler, bis Michel Kohler Trainer wurde, «der nicht so auf meinen Spielertyp stand», wie Thüring schlussfolgert.
komisches licht. Als auf dem Rankhof der Profifussball im vergangenen Sommer aus finanziellen Gründen in die Knie ging, unterschrieb Thüring bei Lausanne-Sport einen Vertrag. Und kündigte ihn umgehend wieder auf: «Ich habe mich von der ersten Sekunde an nicht wohlgefühlt, es wurde nur Französisch gesprochen und die Deutschschweizer Spieler, die sie holen wollten, kamen auch nicht.»
Mit der Vertragsauflösung hat Thüring es sich mit seinem Berater Marco Balmelli verscherzt, und nun müsse er eben damit leben, dass diese Episode ein «komisches Licht» auf ihn wirft. Den Einjahresvertrag in Kriens hat er ohne Hilfe gemacht, und jetzt befindet er sich in einem zweiten Anlauf zur Karriere. «Ich konnte viel spielen, habe sechs Tore gemacht und viele vorbereitet.» Nach dieser Saison zieht es Thüring weiter, «ein Club in der Super League wäre das Richtige», sagt er, oder ein ambitionierter in der Challenge League.
«Er ist ein super Junge mit enormen fussballerischen Fähigkeiten», sagt Peter Knäbel, schwärmt von Ausdauer und Schnelligkeit und davon, dass Thüring zu den besten Zentrumsspielern seines Jahrgangs zähle. «Beim letzten Pass gibt es nicht viele Bessere.» Knäbel sagt aber auch: «Von der Körpersprache her kann er einen Trainer schon mal auf die Palme bringen.» Der Cupmatch gegen Basel wird für Nico Thüring also in jeder Hinsicht ein Schaufenster sein.