Presseschau

Tages-Anzeiger vom 03.04.2010

Ein verkappter Hooligan im Sicherheitsdienst

Als Delta-Angestellter benutzte er Schlagstöcke gegen Fussballfans und prahlte damit auf Facebook. Das wurde ihm zum Verhängnis, die Sicherheitsfirma hat ihn diese Woche entlassen.

Von Dario Venutti

Eigentlich wäre Reto Steiner* für die Sicherheit in Fussballstadien zuständig gewesen. Als Mitglied der Delta-Elitetruppe Advanced Team wurde er für so genannte Hochrisikospiele aufgeboten. Zum eigenen Schutz trug er einen Panzer und Helm und durfte Pfefferspray einsetzen. Mit Bewilligung der Polizei konnte er sich auch vermummen.

Doch Steiner freute sich vor allem, wenn es knallte. Wenn er beispielsweise mit seinem Teleskopschlagstock, auch «Totschläger» genannt, dreinschlug. Das zeigt ein Eintrag auf seinem (jetzt gelöschten) Facebook-Profil, den der «Blick» diese Woche veröffentlichte: «Danke Jungs. Hat mal wieder richtig Spass gemacht mit euch», schrieb Steiner am Tag nach dem Fussballspiel FC St. Gallen gegen FC Basel am 20. März.

Vor dem Match war es beim Stadioneingang zu einem heftigen Einsatz der Deltas gegen Basler Fans gekommen, die pyrotechnisches Material ins Stadion schmuggelten und sich bei der Kontrolle mit Gewalt wehrten. Die Bilanz unter den Anhängern: Zahlreiche Rissquetsch- und Platzwunden am Kopf, blutüberströmte T-Shirts, zehn Verhaftete. Von den Sicherheitskräften wurde niemand verletzt. «Am (nächsten, Anm. d. Red.) Samstag ficken wir die Inzuchtbuben vom Rhein gleich nochmals», schrieb Steiner.

Das ist ihm jetzt zum Verhängnis geworden, wie Recherchen des «Tages-Anzeigers» ergeben haben. Die Firma Delta hat ihn am Mittwoch entlassen: Nicht wegen seines harten Vorgehens, sondern wegen der Einträge auf Facebook. «Sein Handeln widerspricht aufs Schärfste unseren Weisungen bezüglich Verschwiegenheit und Benehmen ausserhalb von Delta-Einsätzen», sagt Markus Biedermann, CEO des Sicherheitsdienstes.

Dem TA liegen Dokumente vor, die belegen, dass Steiner mindestens dreimal hart dreinschlug und sich damit auf Facebook brüstete. Den Fans aus der Südkurve des FC Zürich drohte er einmal: «Wer Wind sät, wird Sturm ernten! Wir kriegen euch alle!!» Und er war nicht allein: An den Prahlereien auf Facebook beteiligten sich drei weitere und ein früherer Delta-Angestellter.

Nachdem er durch einen von ihnen von einem harten Einsatz erfahren hatte, an dem er selber nicht beteiligt war, schrieb er zurück: «Jo has ghört! Mal gucken dass die do im Mittelland chöme cho spiele. De chani au mitchriege.» Die drei andern Delta-Angestellten sind «disziplinarisch zur Rechenschaft gezogen worden», so CEO Biedermann. Wie, wollte er nicht sagen.

Muskeln und Gewalt

In Steiners Leben dreht sich vieles um Muskeln und Gewalt. Der 29-Jährige nimmt an Wettkämpfen von Strongman teil: einem Kraftsport, bei dem 150Kilo schwere Steine gehoben, Lastwagen mit Seilen gezogen oder Lastwagenpneus gerollt werden. Und Steiner mag Filme über Auftragskiller («Crank»), Hooligans («Rise of the Footsoldiers») und über Kriege. Er bevorzugt Kleider der Marke Stone Island, die bei Hooligans und Neonazis beliebt ist. Der frühere Delta-Angestellte ist ein Kunde von Thor Steinar, ebenfalls eine Kleidermarke, die gerne von Faschisten getragen wird.

Ob Steiner ein Doppelleben als Delta-angestellter und Hooligan geführt hat, ist unklar. Sicher ist, dass er sich als Letzterer gebärdet hat und deren Sprache spricht: Steiner bezeichnet sich als «gepflegt-arrogant». Der Ausdruck ist eine Selbstcharakterisierung von Hooligans und meint hohe Gewaltbereitschaft bei gleichzeitig gepflegtem Auftreten in Markenkleidern.

Auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte Steiner das Bild einer bewaffneten und vermummten Gruppe, die wie eine Antiterroreinheit aussieht. Darunter stand: «Wir machen auch Hausbesuche.» Der Satz ist als Drohung zu verstehen und wird von verschiedenen subkulturellen Gruppierungen benutzt, auch von Hooligans. Gemeint ist Selbstjustiz.

«Korrekt verhalten»

Delta-CEO Markus Biedermann wollte sich zur Frage, wie Reto Steiner den Sprung in die Eliteeinheit Advanced Team geschafft hatte, nicht äussern. Das sei eine firmeninterne Angelegenheit. Ob Delta-Mitarbeiter ausserdem auch an den letztjährigen 1. Mai-Ausschreitungen zwischen Linken und Hooligans beteiligt waren, will er untersuchen lassen.

Für den St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob ändern die bislang unbekannten Informationen über Steiner und die anderen drei Delta-Angestellten nichts an seiner Einschätzung zu deren Einsatz vor dem Spiel FC St. Gallen gegen Basel. «Aufgrund dessen, was ich gesehen habe, haben sich die Deltas nichts zuschulden kommen lassen.» Wolfram Manner, Geschäftsleiter des Verbandes der privaten Sicherheitsfirmen (VSSU), deren Mitglied auch die Delta ist, bezweifelt das. Der Verband überlege sich, eine Untersuchung gegen Delta einzuleiten. * Name der Redaktion bekannt

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