Presseschau

Sonntag vom 06.06.2010

«Crocodile Dundee» in Südafrika

Was für den FC Basel gilt, darum bittet auch Australien: «Please help us Scotty»

von felix bingesser

Scott Chipperfield ist der dankbarste und vielseitigste Spieler im Schweizer Fussball. Er ist wandelbar wie ein Chamäleon und war beim FC Basel in der entscheidenden Phase eine wertvolle Stütze. Jetzt will er mit Australien in Südafrika für Furore sorgen.

Scott Chipperfield, waren Sie schon einmal in Südafrika?

Scott Chipperfield: Ja, ich war mit der australischen Nationalmannschaft schon da. Vor vier Jahren haben wir in Durban gegen Südafrika 1:1 gespielt. Und ich habe das Tor geschossen. Es war wohl das schönste meiner zwölf Tore, die ich bisher im Nationalteam erzielt habe. Darum habe ich das Land in bester Erinnerung.

Vielleicht auch, weil es eine gewisse Ähnlichkeit mit Australien hat?

Mag sein, ja. Südafrika ist wie Australien. Ein Naturschauspiel. Südafrika gefällt mir sehr. Und ich mache mir auch keine grossen Gedanken über die Sicherheit. Da wird vieles übertrieben und es wird auch Angst geschürt. Aus Australien werden jedenfalls sehr viele Fans anreisen. In keinem anderen Land wurden mehr Tickets verkauft für diese WM-Endrunde.

Werden Sie Ihre internationaleKarriere nach der WM beenden?

Ja, das denke ich. Mein bisheriges Highlight war die WM-Endrunde in Deutschland. Da haben wir ja viele Leute überrascht. Es war das zweite Mal, dass sich Australien überhaupt für ein solches Turnier qualifiziert hat. Und ich war mit dabei. Und jetzt noch Südafrika. Wir haben mit Deutschland, Serbien und Ghana eine harte Gruppe erwischt und wir haben derzeit noch viele angeschlagene Spieler. Und die Liga in Australien ruht schon seit dem März. Einige Spieler haben sich bei englischen Klubs fit gehalten. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir eine Überraschung schaffen können.

Vor vier Jahren in Deutschland hat Australien im Achtelfinal gegen Italien die Sensation knapp verpasst.

Das waren die härtesten Monate meiner Karriere. Mit Basel sind wir gegen Middlesborough unglücklich ausgeschieden, dann haben wir gegen den FC Zürich in der letzten Sekunde den Meistertitel verspielt und bei der WM hatten wir gegen Italien sehr viel Pech. Der Schiedsrichter pfiff in letzter Minute einen ungerechtfertigten Penalty für Italien. Das war brutal. Sonst wären vielleicht wir und nicht Italien Weltmeister geworden.

Gab die WM-Endrunde in Deutschland dem australischen Fussball einen Aufschwung?

Nach Deutschland gab es schon einen Popularitätsschub. Aber mittlerweile gibt es strukturelle Probleme, das Geld fehlt. Australien bewirbt sich jetzt für die Ausrichtung der WM-Endrunde 2018 und für die WM 2022. 2018 wird wohl England den Zuschlag erhalten. Aber 2022 haben wir eine Chance. Wir hatten die Olympischen Spiele in Sydney und das war ein riesiger Erfolg. Australien hat da bewiesen, dass es solche Grossanlässe organisieren kann. Eine WM-Endrunde wäre für Australien eine grosse Geschichte, und das könnte diesem Sport zum ganz grossen Durchbruch verhelfen.

Sie spielen auf allen Positionen. Istdiese Flexibilität ein Charakterzugdes wandelbaren Chamäleons ScottChipperfield?

Als ich als Junior begonnen habe, war ich Stürmer. Mit 18, 19 wechselte ich ins linke Mittelfeld und dann auch ins Zen-trum. Meine Vielseitigkeit war dann in den letzten Jahren ein enormer Vorteil. Sonst hätte ich wohl beim FC Basel in den letzten zwei, drei Jahren nicht so viel gespielt. Und in der Nationalmannschaft war ich unter Guus Hiddink bei der letzten Weltmeisterschaft ja auch Verteidiger.

Welche Position bevorzugen Sie?

Ich will einfach spielen. Beim Klub und im Nationalteam. Wo, das spielt eigentlich keine Rolle. Aber ich fühle mich im Angriff schon sehr wohl. Auf den Aussenpositionen haben wir im Klub junge Spieler, die laufstark sind. Wohl laufstärker als ich. In der Nationalmannschaft werde ich aber wieder in erster Linie an die Defensive denken müssen. Hiddink hat mich zum linken Verteidiger gemacht. Und sein Nachfolger Pim Verbeek wird mich auch auf dieser Position einsetzen.

Sie sind ein Geschenk für jeden Coach.

Wenn Sie das sagen, wird es so sein.

Vor vier Jahren waren Sie erstaunt,wie hart in der Nationalmannschaftunter Guus Hiddink trainiert wurde.

Das war brutal. Bei der WM in Deutschland waren wir vielleicht nicht das talentierteste Team, aber wohl die körperlich stärkste Mannschaft überhaupt.

Zum ersten Mal sind Australien und Neuseeland bei einer WM-Endrunde mit dabei. Ist es für Sie wichtig, besser als die Neuseeländer abzuschneiden?

Natürlich. Das ist eine grosse Rivalität. Und unser Minimalziel wird sein, besser als Neuseeland zu sein.

Haben Sie in Ihrer Jugend auch mal Australien Football versucht?

Nein, dieser Sport ist definitiv zu hart für mich. Ich hatte dazu auch nicht die körperlichen Voraussetzungen. Ich war ein eher schwächlicher Junge. Meine Mutter hat Fussball gespielt und hat mich für diesen Sport inspiriert. Im Winter spielte ich Fussball, im Sommer Cricket. Mit 19 musste ich mich dann für eine Sportart entscheiden. Ich entschied mich zur Freude meiner Mutter für Fussball. Sie kommt auch oft nach Basel. Mein Vater hat Flugangst. Aber bei der WM in Deutschland war er auch dabei.

Ihre Eltern und Ihre drei Schwesternleben noch immer in Wollongong.Plagt Sie hin und wieder das Heimweh?

Ja, natürlich. Die Schweiz ist nach neun Jahren zu meiner zweiten Heimat geworden, meine Frau ist Schweizerin, meine Söhne wachsen hier auf. Trotzdem möchte ich irgendwann zurück. Das war die letzten Jahre immer ein Thema. Ich hätte ja nie gedacht, dass ich neun Jahre in der Schweiz bleibe. Jetzt habe ich beim FC Basel noch einmal um ein Jahr verlängert und die Zukunft ist offen. Meine Frau hat ein Studium begonnen und in den nächsten vier bis fünf Jahren werden wir wohl in der Schweiz leben.

Dann wird es aber schwierig werden, ihre Kinder nach Australien zu «verpflanzen».

Warum? Die sprechen schon jetzt perfekt Englisch. Und Australien ist ein tolles Land. Die Sonne, der Strand, keine harten Winter, das ist doch alles wunderbar. Das vermisse ich schon. Wie meine Familie und meine Freunde.

Woher stammt eigentlich die Familie Chipperfield ursprünglich?

Ich weiss nur, dass mein Ururgrossvater mit elf Jahren von England nach Australien ausgewandert ist. Meine Wurzeln sind in England.

Wissen Sie eigentlich, wie viel Kilometer Sie schon geflogen sind?

Keine Ahnung. Ich habe ja mein halbes Leben im Flugzeug verbracht. Manchmal fliege ich am Montag in der Schweiz weg, bin am Dienstagnacht in Australien, spiele am Mittwoch mit dem Nationalteam, fliege am Donnerstag zurück und spiele am Samstag wieder im Verein. Das geht nur mit Schlaftabletten. Und dann haben wir mit Australien Länderspiele auf den Fidschi-Inseln, gewinnen da 20:0 und müssen eine Woche später in Kuwait oder Katar bei 40 Grad spielen. Das alles geht mit den Jahren schon an die Substanz.

Wer kommt in Südafrika in die Halb-finals?

Spanien sicher. Aber die besten Spieler der Welt hatten auch eine lange und brutal harte Saison. Darum haben auch Aussenseiter Chancen.

Scott Chipperfield wird als grosserName in die Geschichte des FC Basel eingehen. Spüren Sie diesen Status und die grosse Wertschätzung?

Die Fans hielten bei meinem ersten Auftritt ein Schild in die Höhe. «Please help us Scotty» stand da drauf. Seither habe ich mit den Baslern ein sehr gutes Verhältnis.

Sind Sie der neue Karl Odermatt?

Noch nicht.

Was ist eigentlich der grösste Unterschied zwischen Australien und der Schweiz?

In der Schweiz muss man immer aufpassen, was man sagt.

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