Sonntag vom 18.07.2010
Yann Sommer könnte bei jedem anderen Schweizer Klub Stammgoalie sein. Doch der 21-Jährige entschied sich für den Konkurrenzkampf
Von Bojan Stula
Nach einer starken Saison bei den Grasshoppers ist Torhüter Yann Sommer zum FC Basel zurückgekehrt. Hier duelliert er sich mit Franco Costanzo um die Nummer eins im FCB-Goal.
Yann Sommer, beim FCB war der zweite Torhüter bisher eher etwas älter, hatte für gute Stimmung zu sorgen und sonst aufs Maul zu sitzen. Werden Sie auch Ihre Klappe halten?
Yann Sommer: Bei mir ist die Situation anders. Ich wurde als junger Torhüter für die Zukunft geholt. Ich habe noch nicht allzu viel über die jetzige Lage nachgedacht, wer jetzt genau die Nummer eins oder Nummer zwei ist, sondern ich freue mich, dass mir der FCB das Vertrauen ausgesprochen und einen langjährigen Vertrag angeboten hat. Wenn Franco Costanzo spielt, werde ich aber bestimmt nicht den Verärgerten spielen, sondern in jedem Training 100-prozentigen Einsatz geben.
Wie werden Sie das Team unterstützen, wenn Sie auf der Ersatzbank sitzen müssen? Massimo Colomba hat sich in dieser Rolle einen Ruf als Spassmacher erworben.
Neben dem Feld bin ich eher ein ruhiger Typ. Ich unterstütze die Mannschaft, indem ich mich in jedem Training voll einsetze.
Was ist Ihnen lieber: eine feste Hierarchie bei den Torhütern oder ein offener Konkurrenzkampf?
Das kommt auf die jeweilige Situation an, in der ich gerade bin. Bei Vaduz und GC habe ich es sehr geschätzt, dass die Trainer mir als junger Nummer eins das volle Vertrauen schenkten und ich Fehler machen durfte.
Dem Torhüter haftet noch immer der Ruf des Verrückten an. Wo steckt der Wahnsinn in Ihnen?
Ich bin nicht der Kahn-Typ. Heutzutage sieht man sowieso nur noch selten Spinner im Tor. Schauen Sie sich die ausländischen Spitzen-Goalies an. Iker Casillas oder Petr Cech sind eher ruhige Typen. Im Fussball ist eine neue Generation von Torhütern am Werk, obschon natürlich Leute wie Oliver Kahn ganz besondere Persönlichkeiten waren, die durch ihre Verrücktheit nur schon die Gegner eingeschüchtert haben.
Wenn Kinder Fussball spielen, muss der Dicke oder Untalentierte ins Tor. Waren Sie dick oder untalentiert?
Weder noch. Als Kind habe ich mit Kollegen immer draussen gespielt, weil mir das mehr Spass machte. Im Verein habe ich jedoch schon als Vierjähriger im Tor angefangen und bin bis heute Goalie geblieben.
Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass Sie Ihren Jugendtraum vom Profifussballer wahr machen könnten?
Vermutlich in dem Moment, als ich 2008 mit Vaduz den Aufstieg in die Super League schaffte und die ersten Spiele in der Super League bestreiten konnte. Als junger Torhüter in der Challenge League weiss man einfach noch nicht, ob man es ganz nach oben schafft. Doch als ich das erste Mal in der Super League gespielt hatte, wusste ich, dass ich nun meinen grossen Jugendtraum erfüllen kann.
Was haben Sie mit Ihrem ersten Lohn als Fussballer gemacht?
Meinen ersten Profivertrag bekam ich als 17-Jähriger beim FCB-Nachwuchs und war einfach glücklich, dass es geklappt hatte. Was ich dann mit dem Geld gemacht habe, weiss ich nicht mehr ... doch, halt, ich glaube, ich habe meine Eltern zu einem Nachtessen eingeladen.
Gibt es Dinge, die Sie sich jetzt von Ihrem neuen Lohn beim FCB leisten möchten?
Oh, da gäbe es viele Dinge. Doch da müsste ich zuerst noch mehr sparen.
Ihr Vater Daniel unterstützt Sie als Manager. Sie haben bisher alle wichtigen Karriere-Entscheide gemeinsam gefällt. Sagt er auch, was Sie mit Ihrem Geld zu tun haben?
Das beraten wir jeweils gemeinsam, auch mit meiner Mutter zusammen. Wir sind bisher immer sehr vorsichtig mit dem Geld umgegangen, um für die Zukunft eine Sicherheit zu haben. Eine eigene Wohnung habe ich aber schon.
Hatten Sie je einen «Plan B», falls es mit der Profikarriere im Fussball doch nicht klappen sollte?
Nein, ich habe mir nie besondere Gedanken um die Zukunft, sondern immer nur einen Schritt nach dem anderen gemacht. Damit bin ich bisher immer gut gefahren.
Und was tun Sie, sollte Ihre Fussballer-Karriere plötzlich zu Ende sein?
Ich habe einen Lehr-Abschluss als Berufssportler gemacht, sogar mit einer ziemlich guten Note. Davor besuchte ich zwei Jahre lang in Basel die Handelsschule HWS. Momentan überlege ich, ob ich neben dem Training noch eine Ausbildung beginnen soll. Das Handelsdiplom würde mich schon sehr reizen und die nötige Zeit dazu hätte ich auch. Es ist halt eine Frage der Selbstdisziplin, neben dem Training noch zu büffeln.
Was tun Sie in Ihrer Freizeit?
Vor einem halben Jahr habe ich angefangen, klassische Gitarre zu spielen. Es ist schön, sich ab und zu in etwas ganz Anderes vertiefen zu können. In Zürich hatte ich einen Gitarrenlehrer, jetzt suche ich einen hier in Basel. Zudem habe ich ja jetzt meinen Basler Kollegen- und Freundeskreis wieder. Es wird mir nicht langweilig.
Merken Sie, dass Sie als Fussballprofi für gewisse Frauen besonders attraktiv sind?
Das kommt auf den Typ Frau an. Was die Groupies angeht, so ist das in der Schweiz nicht so schlimm. Ich hatte da bisher keine Probleme. Im Ausland soll das ja viel heftiger sein, wie mir Kollegen berichten, die im Ausland spielen.
Sind Sie noch zu haben?
Nein, ich habe eine Freundin und bin glücklich. Aber ich wohne nicht mit ihr zusammen.
Unter Fussballern sind gerade Ganzkörper-Tattoos gross in Mode. Was halten Sie davon?
Jeder muss wissen, was er mit seinem Körper anstellen will. Ich habe drei, aber kleine.
Wissen Sie, dass Sie bereits Basler Fussballgeschichte geschrieben haben?
Nein.
Sie sind der einzige gegnerische Goalie, der je in einem Schweizer Meisterschaftsspiel von der Muttenzerkurve bejubelt wurde.
Ja, ich erinnere mich. Das war, als ich 2008 mit Vaduz im St.-Jakob-Park spielte. Die FCB-Fans haben meinen Namen skandiert. Das war ein unglaubliches Gefühl und eine Riesenehre. Es war deshalb kein allzu schwerer Entscheid, zum FC Basel zurückzukehren. Das ist mein Klub, und die ganze Stadt riecht nach Fussball.
Beim Saisonauftakt im Tor
Bereits beim Meisterschaftsauftakt übermorgen Dienstag wird Yann Sommer den argentinischen FCB-Stammgoalie Franco Costanzo wohl ein erstes Mal verdrängt haben. Costanzo muss am Dienstagabend zu Hause gegen den FC Zürich (20.15 Uhr, St.-Jakob-Park) eine Gelbsperre aus der Vorsaison absitzen, und Trainer Thorsten Fink wird aller Voraussicht nach auf Rückkehrer Sommer im FCB-Tor setzen. Für den 21-jährigen Nachwuchsinternationalen (17 Einsätze in der Schweizer U21) kein Grund für besondere Nervosität, denn Sommer weist bereits 57 Super-League-Einsätze mit Vaduz und GC aus. Yann Sommer bezeichnet den FCB als seinen Stammverein, doch begann der gebürtige Zürcher seine Fussball-Laufbahn als Vierjähriger beim Quartierverein FC Herrliberg, wechselte nach dem Umzug seiner Eltern nach Basel zum FC Concordia und landete schliesslich 2003 im FCB-Nachwuchs. Momentan hält Yann Sommer beim FCB einen 5-Jahres-Vertrag ohne Ausstiegsklausel fürs Ausland. (bos)